Frankreichs Außen- und Sicherheitspolitik im Umbruch

Für eine Neuausrichtung braucht der französische Präsident Emmanuel Macron eine zweite Amtszeit

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Vom Beginn seiner ersten Amtszeit im Jahr 2017 an hat sich Emmanuel Macron das Ziel gesetzt, die französische Sicherheits- und Verteidigungspolitik neu auszurichten. Heute muss der Präsident feststellen, dass diese Absicht erst zum Teil verwirklicht ist. Nicht zuletzt um diese Reformen fortzusetzen und zu vollenden, strebt er eine zweite Amtszeit an. Sollte er wiedergewählt werden, ist also auf diesem Gebiet Kontinuität gesichert.

Ausgangspunkt der Außenpolitik Macrons war die Überzeugung, dass sich die USA weiter aus Europa zurückziehen und sich auf ihren globalen Systemwettbewerb mit China konzentrieren. Da Frankreichs Gewicht und Handlungsfähigkeit im weltweiten Maßstab begrenzt ist, wollte sich Macron auf Europa konzentrieren, womit er nicht nur die Europäische Union meint. Die Länder des Kontinents müssten in die Lage versetzt werden, sich gegenüber den Weltmächten USA und China zu behaupten und ihre Interessen zu verteidigen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Wichtigste Voraussetzung dafür ist aus Sicht von Macron die Neubelebung der Beziehungen mit Deutschland. Ein Erfolg war in diesem Zusammenhang der Vertrag von Aachen 2019, der eine »neue Partnerschaft« begründen sollte und in dem sich beide Seiten verpflichteten, ihre Zusammenarbeit in der Außen-, Sicherheits- und Europapolitik zu vertiefen. Das blieb jedoch weitgehend Wunschdenken.

Bei den verschiedenen Initiativen Macrons wie beispielsweise seiner Rede an der Pariser Sorbonne zur Neugestaltung der Europäischen Union hat ihn die deutsche Seite meist allein gelassen. Andererseits hat man in Berlin oft über Macrons außenpolitische »Alleingänge« geklagt. Dazu gehörte Frankreichs Konfrontation mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, als dieser in Libyen militärisch eingegriffen hat, aber auch wegen Erdoğans Einmischung in die inneren Angelegenheiten Frankreichs, indem er Moscheen und deren Trägervereine finanziert und steuert.

Irritiert war man in Berlin auch über Macrons Bemerkung, die Nato sei »hirntot«, womit er meinte, dass das Militärbündnis wegen des schrittweisen Rückzuges der USA nicht mehr die Sicherheit der Europäer gewährleisten kann. Weil andererseits die gemeinsame Verteidigungspolitik der 27 EU-Mitgliedsländer nicht vorankommt, hat Macron vorgeschlagen, hier sollten einzelne Länder, die an bestimmten Projekten interessiert sind, sich dafür gemeinsam engagieren. Zu solchen Projekten gehört eine europäische Eingreiftruppe für Auslandseinsätze, um beispielsweise in Afrika gegen djihadistische Terrororganisationen vorzugehen, ohne dort über längere Zeit größere Militärkontingente zu stationieren wie bei der Operation Barkhane in der Sahelzone.

Erfolgreicher war Macrons Initiative für gemeinsame finanzielle Anstrengungen Europas zugunsten eines wirtschaftlichen Aufschwungs nach der Coronakrise.

Der französische Präsident war von Beginn seiner Amtszeit an um ein konstruktives Verhältnis zu China und Russland und zu ihren Präsidenten Xi Jinping und Wladimir Putin bemüht, ohne sich Illusionen über deren autoritäre Regime zu machen. So hat er bei einem Besuch von Putin in Paris auf einer gemeinsamen Pressekonferenz Russia Today (RT) und Sputnik als »Propagandainstrumente« bezeichnet und ihnen Einmischung und Desinformation bei der Präsidentschaftswahl 2017 vorgeworfen. Das war deutlich, zumal Putin im Vorfeld dieser Wahl Marine Le Pen, Macrons rechtsextreme Gegenspielerin, demonstrativ in Moskau zu einem fast zweistündigen Gespräch empfangen und damit seine Präferenzen deutlich gemacht hatte.

Trotzdem war Macron stets um sachliche Beziehungen zu Russland bemüht, auch nach Beginn des Überfalls auf die Ukraine, als er bestrebt war, den Draht zu Putin nicht abreißen zu lassen und für Vermittlung und die Suche nach Verhandlungslösungen zu nutzen. Bei einem Gegenspieler wie Putin ist das natürlich eine schwierige Gratwanderung. Darum war Macron empört, als der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki ihm vor Tagen öffentlich seine Kontakte zu Putin vorgeworfen und erklärt hat, mit Hitler habe schließlich auch kein ausländischer Staatsmann gesprochen. Macron bezeichnete Morawiecki als »rechtsextremen Antisemiten« und nahm damit Bezug auf die Politik von dessen nationalistisch-konservativer Partei PiS und darauf, dass er wiederholt Marine Le Pen getroffen hat und alles tut, um sie bei der Präsidentschaftswahl zu unterstützen.

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