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Amtsinhaber verstolpert Start für Dresdner OB-Wahl
Rathauschef Dirk Hilbert droht vom Stimmzettel zu fliegen. Konkurrenz sieht schweren Fehler bei Anmeldung der Kandidatur
Dirk Hilbert wäre die Nummer 1. Wenn am 12. Juni in Dresden ein neuer Rathauschef gewählt wird, würde er auf dem Stimmzettel ganz oben stehen und als erster von neun Bewerbern aufgeführt werden – weil er Amtsinhaber ist. Der 50-Jährige mit FDP-Parteibuch ist seit sieben Jahren Oberbürgermeister der sächsischen Landeshauptstadt; zuvor war er 14 Jahre Beigeordneter und hatte dabei zuletzt bereits zeitweilig die Vertretung seiner erkrankten Vorgängerin Helma Orosz (CDU) übernommen. 2015 hatte er in Runde zwei die zunächst führende Eva-Maria Stange abgefangen, eine SPD-Politikerin, die von Linke und Grünen unterstützt wurde. Für die jetzige Abstimmung in gut acht Wochen wäre Hilbert wohl der haushohe Favorit.
Allerdings müssen solche Einschätzungen im Konjunktiv erfolgen, weil es bei der Aufstellung Hilberts zu Pannen kam. Es handle sich »nicht um einen Bagatellfehler, sondern um einen schwerwiegenden Verstoß«, sagte André Schollbach, Jurist und Kandidat der Linken für die Rathauswahl. Er legte bei der Kommunalaufsicht Beschwerde dagegen ein, dass Hilbert vom Gemeindewahlausschuss am Montag zur Wahl zugelassen wurde – mit sehr knappem Ergebnis: Drei Mitglieder votierten dafür, zwei dagegen, zwei enthielten sich. Zuvor war bereits Martin Schulze-Wissermann, Kandidat der Piraten, denselben Schritt gegangen. Die AfD will ebenfalls Beschwerde einlegen; die Grünen prüfen das.
Als Stolperstein für Hilbert könnten sich Pannen in einem Wahlverein erweisen, dessen einziger Zweck ist, seine Kandidatur abzusichern. Schon 2015 vermied es es, seine Mitgliedschaft in der FDP zu erwähnen, und ließ sich stattdessen vom Verein »Unabhängige Bürger für Dresden« aufstellen. Auch vor der jetzigen Wahl führte der Verein die Nominierungsversammlung durch und reichte dann den Wahlvorschlag ein. Dabei soll aber mit dem im benachbarten Kesselsdorf wohnhaften Inhaber einer Eventagentur zunächst ein Mitglied mit abgestimmt haben, das bei der OB-Wahl in Dresden nicht stimmberechtigt ist. Danach leistete das gleiche Vereinsmitglied auch eine der zwei eidesstattlichen Versicherungen unter dem Wahlvorschlag.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Damit würde dieser gegen die sächsische Kommunalwahlordnung verstoßen. Dort ist geregelt, dass in der Versammlung nur »wahlberechtigte Mitglieder im Wahlgebiet« abstimmen dürfen. Auch die Versicherung an Eides statt sei, heißt es explizit, von »stimmberechtigten« Teilnehmern abzugeben.
Hilbert versucht das Problem herunterzuspielen. Er sprach von Vorwürfen, Mitglieder des Wahlvereins seien »womöglich formaljuristisch« nicht stimmberechtigt, fügte aber hinzu, es gebe »keinen belastbaren Beleg«. Er und sein Team bemühten sich, die »entstandenen Irritationen« auszuräumen. Sein Ziel, auch über den Sommer 2022 hinaus Oberbürgermeister bleiben zu wollen, habe er »entschlossen und fokussiert im Blick«.
Seine Konkurrenten halten diese nonchalante Haltung für unangemessen. Fehlerhafte Unterschriften auf Wahlvorschlägen führten »regelmäßig« zur Ablehnung von Kandidaturen, heißt es bei der Linken. Bleibe Hilbert auf dem Zettel, drohe die Ungültigkeit der Wahl und ihre Wiederholung. »Anfängerfehler« wie der von Hilberts Verein müssten bei einem prominenten Bewerber ebenso geahndet werden wie bei anderen Parteien. Auch Schulze-Wissermann betonte, der Fehler sei »keine Lappalie« und die Stadt mit 550 000 Einwohnern »nicht irgendein Karnickelzüchterverein«.
Hilberts möglicher Fehler wiegt um so schwerer, als ein Ausschluss endgültig wäre. Anders als bis 2014 geregelt, dürfen in Sachsen inzwischen für einen eventuell notwendigen zweiten Wahldurchgang keine neuen Bewerbungen mehr eingereicht werden.
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