Huthi sehen Waffenpause relativ

In Jemen haben Saudi-Arabien und die Emirate ihre Militäraktionen auf Eis gelegt, die Rebellen nur zum Teil

  • Oliver Eberhardt
  • Lesedauer: 4 Min.

Hans Grundberg ist in diesen Tagen ausgesprochen wortkarg geworden. Man solle ihn doch erst mal seine Arbeit machen lassen, heißt es aus seinem Team. Seit Tagen fliegt der UNO-Sondergesandte für den Jemen zwischen Sanaa, Aden und Riyad hin und her. Die Regierungen Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind sehr viel gesprächiger: Für sie herrscht jetzt Frieden, ist der Krieg vorbei.

Der Jemen ist von Frieden noch weit entfernt. Anfang April gab der international anerkannte Präsident Abed Rabbo Mansur al-Hadi urplötzlich die Macht an einen achtköpfigen Präsidialrat ab, nachdem er, Saudi-Arabien und die VAE einen zweimonatigen Waffenstillstand ausgerufen hatten. So überraschend kam das alles, dass selbst sein Stabschef Raschad al-Alimi, der seitdem diesem Präsidialrat vorsitzt, noch Stunden danach keine Einzelheiten nennen konnte: In einem Telefonat machte er einen unvorbereiteten Eindruck; selbst die Namen der anderen sieben Ratsmitglieder konnte er nicht nennen. Und auch Jahya Sarea, Militärsprecher der Huthi-Milizen, die einen Großteil des Nord-Jemen kontrollieren, hatte zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben »keine Ahnung, was gerade passiert.«

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Zweieinhalb Wochen später ist die Lage klarer: Saudi-Arabien und die VAE haben ihre militärischen Aktivitäten im Jemen vorerst eingestellt. Seit 2015 hatten beide im Rahmen einer Militärallianz mit Luftangriffen erfolglos versucht, der Regierung Hadis dabei zu helfen, die Kontrolle über die von den Huthi kontrollierten Gebiete im Jemen zurückzugewinnen. Zudem unterstützen die VAE auch den »Südlichen Übergangsrat«, der 2017 als weitere Kriegspartei hinzu kam und für eine Aufspaltung in zwei unabhängige Staaten eintritt. Und auch die Regierungstruppen gehen derzeit nicht mehr offensiv gegen die Huthi vor.

Die Huthi sehen sich nicht an den Waffenstillstand gebunden und versuchen derzeit, auf Marib südlich von Sanaa vorzurücken, wo nach Schätzungen der UNO bis zu drei Millionen Menschen Zuflucht gefunden haben. Die Huthi, eine von den iranischen Revolutionsgarden ausgerüstete Organisation, fordern die Aufhebung der Luft- und Seeblockade durch Saudi-Arabien. Doch die dortige Regierung will nur zwei Flüge aus Dschibuti pro Woche nach Sanaa durchlassen und den Schiffsverkehr zum Hafen von al-Hodeidah am Roten Meer kontrollieren, um Waffenlieferungen an die Huthi zu unterbinden.

Grundbergs Diplomatie trägt erste Früchte: Die Huthi, unter deren Kontrolle gut 24 der 30 Millionen Jemenit*innen leben, haben sich bereiterklärt, keine Kinder und Jugendlichen mehr als Kämpfer einzusetzen, außerdem sollen Einrichtungen wie Krankenhäuser von Angriffen verschont bleiben. Denn während in den vergangenen Jahren vor allem Nachrichten von Luftangriffen auf bevölkerte Märkte für Aufmerksamkeit sorgten, bei denen auf einen Schlag Hunderte starben, ist die zerstörerische Wucht dieses Krieges kaum in Wort zu fassen: Er sei die größte von Menschen gemachte Katastrophe seit vielen Jahrzehnten, heißt es einem UNO-Bericht.

377 000 Menschen wurden nach Schätzung des UNO-Entwicklungsprogramms bis Ende 2021 getötet; 60 Prozent davon seien an Hunger und Krankheiten gestorben, denn nur noch die Hälfte aller Krankenhäuser ist funktionstüchtig. Cholera, Diphterie, Masern gehen um. In diesem Jahr wurde alles noch schlimmer: Fast 700 Zivilist*innen starben allein im Januar durch Kämpfe; eine Geberkonferenz im März brachte dem Welternährungsprogramm nur 1,3 der benötigten 4,2 Milliarden US-Dollar, während die Preise für Weizen durch den Ukraine-Krieg in schwindelerregende Höhe stiegen. Offen gesteht man bei den Vereinten Nationen ein, dass man nun zum ersten Mal in der Geschichte der UNO eine Situation habe, in der Notleidende nicht mehr ernährt werden können.

Bemerkenswert ist, dass weder Saudi-Arabien noch die VAE oder der Iran zu den Geberländern zählen. Die Bundesregierung hat 112 Millionen Euro zugesagt, während das Budget für die Entwicklungshilfe in diesem Jahr um zwölf Prozent sinken soll.

Dass der neue Präsidialrat, dessen Mitglieder fast ausschließlich aus dem Umfeld Hadis stammen, tatsächlich den gesamten Jemen kontrollieren wird, ist unwahrscheinlich: Al-Alimi und viele der Ratsmitglieder halten sich in Saudi-Arabien auf, kennen den Jemen nur noch aus der Ferne. Die Huthi fordern langfristig eine Machtbeteiligung. Doch das lehnen Saudi-Arabien und die VAE ab.

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