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Die Mischung macht’s
RB Leipzig will seine Erfolgsserie Pokal-Halbfinale gegen Union ausbauen
Welche Analysen und Maßnahmen Domenico Tedesco den Klubchefs von RasenBallsport Leipzig an jenem Sonnabend im Dezember beim ersten Treffen in einem Hotel präsentiert hat, ist nicht genau überliefert. Es war der Tag nach der hilflosen Vorstellung beim 1:2 gegen den 1. FC Union Berlin im Schneetreiben in der Alten Försterei - dem die Demission des damaligen Trainers Jesse Marsch folgte. Doch man darf davon ausgehen, dass bereits damals vieles von dem dabei war, was Tedesco in den nur gut vier Monaten seiner Amtszeit umgesetzt hat.
Auf Rang zwölf hatte der Trainer die verunsicherten und von sich selbst erschrockenen Leipziger Fußballer übernommen. Nach dem jüngsten 1:0-Auswärtscoup bei Bayer Leverkusen am Ostersonntag eroberte das Team Rang drei in der Bundesliga und strebt in den Halbfinals der Europa League gegen die Glasgow Rangers und des DFB-Pokals an diesem Mittwoch gegen eben jenen 1. FC Union Berlin nach den ersten großen Titeln der knapp 13-jährigen Klubgeschichte. Vor allem im nationalen Pokal will der Favorit nach zwei vergeblichen Anläufen im Berliner Olympiastadion mit krachenden Niederlagen gegen Bayern München und Borussia Dortmund nun beim dritten Anlauf mit aller Macht und Klasse die Trophäe.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Der Trend spricht für die Mannschaft der Stunde: Nach der völlig verkorksten Hinserie mit intensiven Debatten über mangelnde Kompetenz in der Klubführung ist Leipzig gerade dabei, eine Rekord-Rückrunde hinzulegen. Das orientierungslose Ensemble hat Tedesco in eine reife und abgezockte Spitzenmannschaft verwandelt - in so kurzer Zeit eine erstaunliche Transformation. Mit 32 Zählern seit der Winterpause hat RB bereits jetzt mehr Punkte geholt als in der kompletten Rückrunde der Vorsaison. Noch nie hat RasenBallsport in der Bundesliga in der zweiten Saisonhälfte bis zum aktuellen Zeitpunkt besser gepunktet. Nur noch drei Zähler fehlen, um die bisherige Bestmarke von 35 Punkten unter Ralf Rangnick von 2019 einzustellen. Während die Leipziger unter Tedescos Vor-Vorgänger Julian Nagelsmann im Frühjahr, wenn es um Titel geht, zweimal einbrachen, befindet sich der Red-Bull-Klub diesmal in der ersten Jahreshälfte in Titelform. Nur ein einziges Spiel hat RB im Jahr 2022 verloren, im Februar bei Bayern München. »Diese Mannschaft hat nicht nur einen Lauf, sondern steht wirklich gut auf dem Platz«, sagte Leverkusens Trainer Gerardo Seoane am Sonntag nach der Niederlage im Spitzenspiel verblüfft.
Wenn nun also die Unioner - unterstützt von mehr als 7000 in Rot gekleideten Fans - zum Halbfinale im DFB-Pokal nach Leipzig kommen und drei Tage darauf erneut zum Bundesligaspiel in der Messestadt gastieren, treffen sie auf einen Gegner, der dem Kontrahenten vom Dezember, als die Berliner zum zweiten Mal in der Bundesliga gegen die ungeliebten Leipziger gewinnen konnten, nur noch optisch ähnelt.
Der Kern des Erfolgs: Tedesco hat die beiden polarisierenden Spielstile seiner Vorgänger - den Ballbesitz- und Kombinationsfußball von Nagelsmann und das Umschaltspiel von Jesse Marsch - gekonnt vereint. RB braucht dominante Phasen mit Ball, um Stabilität und Kompaktheit aufzubauen. Die Leipziger locken den Gegner aber auch durch variierende Pressinghöhen immer wieder aus der eigenen Verschanzung hervor, um dann über die Ballkünstler Christopher Nkunku und Dani Olmo oder den Antreiber Konrad Laimer rasant umzuschalten und Tore zu erzielen. Mit seinem Kombinationsspiel, gern über die Flügel eingeleitet, verschleiert RB regelrecht, was das Team eigentlich vorhat: Nämlich so perfekt zu kontern wie beim 1:0 in Leverkusen durch Dominik Szoboszlai.
Selten lässt Tedesco seine Mannschaft von Beginn mit voller Wucht spielen, sie soll sich die Gegner erst mal zurechtlegen und ihre Trümpfe mit Bedacht ausspielen. »Wir gehen in jedes Spiel so rein, dass wir in den ersten zehn, 15 Minuten schauen, was der Gegner macht und dann reagieren wir darauf«, verriet Szoboszlai. Der Ungar ist ein gutes Beispiel dafür, wie Tedesco potenzielle Problemfälle über Monate so aufbaut, dass sie wie der 21-Jährige nicht die beleidigte Diva spielen, sondern sich mit Macht ins Team arbeiten. Wie bereits gegen Hoffenheim avancierte Szoboszlai nun auch gegen Leverkusen zum Matchwinner. Nach seinem Wechsel nach Leipzig und langwierigen Leistenproblemen hatte er die erste wirklich schwere Phase seiner Karriere - und ist nun wieder auf dem Weg zurück zu alter Salzburger Stärke. Bereits vor vier Wochen habe Szoboszlai starke Trainingsleistungen gezeigt, berichtete Tedesco jüngst, dennoch kaum von Beginn an gespielt. In einem längeren Gespräch zeigte der 36-jährige Coach dem Mittelfeldtalent auf, wann seine Zeit kommen würde. Nämlich jetzt.
Szoboszlai hat so gute Argumente für sich gesammelt, dass es Tedesco schwerfallen dürfte, ihn gegen Union auf die Bank zu setzen. »Breite Kader mit so viel Qualität sind schön, aber sie können ganz sicher davon ausgehen, dass es auch ganz viel Arbeit für einen Staff bedeutet, zu kommunizieren«, erzählte Tedesco. Er deutete nur an, welchen Aufwand er und sein Trainerteam betreiben müssen, damit die Chemie im Team so harmonisch ist wie aktuell. Doch so befinden sich gerade nicht nur die Stammspieler in Topform, auch die Reservisten kommen durch geschicktes Rotieren beim Tanz auf drei Hochzeiten immer besser in Schwung - ein Geheimnis des aktuellen Erfolges. Ein Glück für den Klub, dass Tedesco bei seiner Hotelzimmeranalyse im Dezember so überzeugend war.
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