• Berlin
  • Umverteilung von Straßenraum

Einfallstor für die Verkehrswende

Verkehrsplaner wirft Mobilitätsverwaltung bei Umbauplänen für die Torstraße schwere Fehler vor

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
So easy, wie es auf der Visualisierung der Senatsmobilitätsverwaltung aussieht, ist die Lösung auf der Torstraße nicht.
So easy, wie es auf der Visualisierung der Senatsmobilitätsverwaltung aussieht, ist die Lösung auf der Torstraße nicht.

Stefan Lehmkühler übt scharfe Kritik an den Umbauplänen der Senatsmobilitätsverwaltung für die Torstraße in Mitte. »Das wurde von Menschen gemacht, die in einer Technikwelt leben und einfach Linien malen«, sagt der studierte Verkehrsplaner zu »nd«. Nur noch eine Autofahrspur pro Richtung soll es geben, geschützte Fahrradwege auf beiden Seiten, auf der Nordseite außerdem Ladezonen für die Versorgung der anliegenden Geschäfte. Ganz wegfallen sollen dafür die regulären Parkplätze. Anfang 2024 soll Baubeginn für den zwei Kilometer langen Abschnitt zwischen Chausseestraße und Rosenthaler Platz sein. Anderthalb Jahre später soll alles fertig sein. Der Ostteil bis zur Mollstraße soll ab 2026 folgen.

Lehmkühler, der sich in der Verkehrswendeinitiative Changing Cities engagiert, teilt die grundsätzlichen Ziele des Umbaus der derzeit sehr abweisenden Autoschneise. »Aber die Planung basiert definitiv nicht auf den Intentionen des Mobilitätsgesetzes, sondern bildet diese lediglich formal korrekt ab«, kritisiert er. Er spricht von mehreren »schwerwiegenden Planungsfehlern«. Einer davon ist, dass die möglichst behinderungsfreie Fahrt von Polizei, Feuerwehr und Rettungsfahrzeugen nicht berücksichtigt wurde.

Lehmkühler schlägt statt des beiderseitig 2,30 Meter breiten geschützten Fahrradwegs auf Fahrbahnniveau eine andere Lösung vor: Auf der Nordseite soll eine rund 3,50 Meter breite sogenannte Safety Lane entstehen. Auf einem solchen überbreiten Radweg können auch Einsatzfahrzeuge am möglichen Stau vorbeifahren – im Zweifelsfall in beiden Richtungen. Das ist besonders wichtig für die schnelle Anbindung der nahe gelegenen Charité. Auf der Südseite soll es bei der Regelbreite der Radspur bleiben. »Sie müssen aber als Hochbord-Radwege auf Bürgersteigniveau entstehen«, so Lehmkühler. Denn dadurch kann auf beiden Seiten die je einen Meter breite Sperrfläche entfallen. Platz, der nun für die Safety Lane genutzt werden kann und außerdem noch für den neuen Blühstreifen, der entlang der Baumreihe entstehen soll.

Als weiteren Planungsfehler bezeichnet Lehmkühler das Vorhaben, die Lieferzonen nur auf der Nordseite anzuordnen. »Die Verwaltung weiß, dass Läden auf beiden Seiten auf Anlieferungen angewiesen sind. Soll der Händler auf der Südseite die 20 bis 30 Fahrräder, die er wöchentlich bekommt, alle über die Straße tragen?«, fragt er. Er schlägt Lieferzonen abwechselnd nördlich und südlich vor. Die Fahrspuren würden also mäandern müssen, was der Verkehrsplaner für einen Beitrag zur Temporeduktion hält.

Lehmkühler hat auch an den Busverkehr gedacht. Er plädiert für sogenannte Kaphaltestellen, die statt einer Haltebucht bis an den Fahrbahnrand reichen. »Damit steht der ÖPNV nicht weiter im Stau. Es muss niemand schneller sein als der Bus«, sagt er. Damit kommt er auch den Forderungen des Berliner Fahrgastverbands IGEB nach. »Ein Desaster wie an der Kantstraße ist auf jeden Fall zu vermeiden«, sagt dessen Sprecher Jens Wieseke. Dort stehen die Busse seit Markierung einer Radspur auf der Fahrbahn oft im Stau.

Die Geh- und Radwege werden an den Einmündungen von Straßen nach Lehmkühlers Vorstellungen nicht unterbrochen. »Nördlich und südlich der Torstraße sollen Kiezblocks ohne Durchgangsverkehr entstehen. Die Autofahrer sollen mitbekommen, dass sie sich in einem entsprechenden Bereich bewegen«, sagt der Ingenieur.

Auf in der Bürgerbeteiligung geäußerte Einwände, dass eine Autoverkehrsarterie nun zur Staufalle wird, reagiert Grünen-Mitglied Lehmkühler kühl. »Sogar inklusive Pendler werden über 87 Prozent der Wege in Mitte ohne Auto zurückgelegt«, sagt er.

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