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Kein leichter Weg zur Wahrheit
Xavier Naidoo entschuldigt sich mit einem Video auf Instagram für seine jahrelangen Schwurbeleien. Das Internet reagiert.
Er hat geschwurbelt – und das nicht zu wenig. Jahrelang behelligte der Sänger Xavier Naidoo das Internet und jede Person, die ihm zuhören wollte, mit verschwörerischen Äußerungen vor allem in Bezug auf die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung, Impfungen gegen das Virus, rassistischen, homophoben und antisemitischen Aussagen sowie dem verstörenden Video zu #Pizzagate. Damit ist jetzt voraussichtlich Schluss: In einem Videostatement auf Instagram am Mittwoch entschuldigt sich der Mannheimer für seine »verstörenden Äußerungen« in der Vergangenheit, er habe sich teilweise auf »Irrwegen« befunden.
Auslöser war der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der Naidoo zum Umdenken bewegt hatte. Seine Frau kommt aus der Ukraine, die menschlichen Schicksale haben ihn tief bewegt. Und sie haben ihn zur Selbstreflexion angeregt, erklärt Naidoo, und er hat angefangen, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Dafür sei er »dankbar«. Außerdem versuchte Naidoo, sich selbst als eine Art »Wahrheitssucher« zu definieren. Aber der Weg sei schwierig, er habe sich in den vielen Abzweigungen verrannt. Der Wahrheitsbegriff scheint hier durchaus subjektiv. In dem dreiminütigen Video erzählt er zudem, dass er von Verschwörungserzählungen geblendet wurde, er habe sie nicht hinterfragt und sich instrumentalisieren lassen. Er distanziere sich von allen Extremen, insbesondere von rechten und verschwörerischen Gruppen.
Das Internet ist voller Debatten, Aufregung und Absurditäten. Jeden Donnerstag schauen wir uns die bizarrsten, lustigsten oder wichtigsten Momente im Netz an. Ob hitzige Diskussion auf Twitter oder lustiger Trend auf TikTok: In unserer Rubrik »Aus dem Netz gefischt« greifen wir es auf. Texte zum Nachlesen: dasnd.de/gefischt
Doch Naidoo stellt seine Rolle damit wesentlich passiver dar, als sie war. Er hat sich nicht nur instrumentalisieren lassen und über seine Kanäle Inhalte geteilt, er hat auch selber aktiv Inhalte produziert und in seiner Musik verarbeitet. Und auch dafür muss er Verantwortung übernehmen. So fordern das auch viele Nutzer*innen im Internet, die auf sein Video reagieren. Für viele ist seine öffentliche Erkenntnis ein positiver Schritt, doch das Video kann nur der Anfang der Verantwortlichkeit sein, fordern viele. Mit seiner Stimmungsmache gegen Geflüchtete, homophoben und antisemitischen Aussagen habe er viel Schaden angerichtet.
Es brauche »mehr als ein vages Distanzieren von unbenannten Gruppen und Sichtweisen« kritisierte auch der Politikwissenschaftler Josef Holnburger auf Twitter Naidoo. »Der von ihm verbreitete Antisemitismus ist nicht mit einem Videostatement weg.« Denn der Sänger gibt zu, sich »Theorien, Sichtweisen und teilweise auch Gruppierungen« geöffnet zu haben, von denen er sich jetzt distanziere und lossage. Ohne jedoch die Strukturen genau zu benennen.
Nicht viele Reaktionen auf Naidoos Statement waren verständnisvoll. Viele Menschen zeigten Häme; Naidoo brauche »das Geld«. Viele Schwurbler*innen waren sichtlich enttäuscht von seiner Wandlung und entfolgten dem Mannheimer. Auch Telegram-Wahrheitssucher à la Michael Wendler und Atilla Hildmann zeigten sich in eigenen Statements schockiert von Naidoos neuen Aussagen. »DIE WAHRHEIT IST NICHT VERHANDELBAR«, schreibt der in den USA lebende Michael Wendler. Viele würden sich fragen, was genau Xavier Naidoos Aussagen bedeuten.
Der Fall Naidoo wird die Öffentlichkeit noch lange beschäftigen. Denn er ist der erste, in der breiteren Öffentlichkeit bekannte Mensch, der schon lange vor der Pandemie und dem Angriffskrieg auf die Ukraine mit dubiosen Weltansichten provozierte – und dies nun öffentlich revidieren zu wollen scheint. Bisher distanziert Naidoo sich von der Verschwörerszene, doch auch ein Ausstieg kann als langwieriger Prozess gewertet werden. Und es zeigt: Es bedarf einer breiten Diskussion, wie mit Aussteiger*innen aus der rechten, querdenker- oder verschwörungstheoretischen Ecke umgegangen wird.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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