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Rückkehr der kubanischen Vertragsarbeiter

Nach mehr als 60 Jahren starten wieder Kubaner im Profiboxsport. Die Faustkämpfer sollen ab Mai in Mexiko für hartes Geld antreten

  • Andreas Knobloch, Havanna
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Nachricht sorgte für einiges Aufsehen. Zum ersten Mal seit 60 Jahren wird Kuba wieder an Profiboxwettkämpfen teilnehmen. Das gaben der Präsident des kubanischen Boxverbandes, Alberto Puig, und der mexikanische Boxpromoter Gerardo Saldívar im April bekannt. Die ersten Profikämpfe mit kubanischen Boxern sollen am 20. Mai in Aguascalientes, Mexiko, stattfinden. Saldívar sprach von einer »historischen Vereinbarung« und »einem Novum im Boxsport«.

Einige Tage nach der Bekanntmachung empfängt Kubas Boxpräsident Alberto Puig »nd« in den Räumlichkeiten der Ciudad Deportiva in Havanna, wo der kubanische Boxverband seinen Sitz hat. Bereits im Jahr 2014 sorgte die Rückkehr Kubas zum halb-professionellen Boxen für Aufsehen: Kuba machte bei der World Series of Boxing (WSB), einer Art Champions-League für Boxnationalmannschaften des Weltamateurboxverbandes AIBA mit: »Das erste Duell gegen Russland war auf fünf Kämpfe angesetzt«, erinnert sich Alberto Puig. »Die Ciudad Deportiva, in der wir uns befinden, war mit 16 000 Zuschauern gefüllt. 3000 Menschen standen draußen und konnten nicht hinein, weil es völlig überfüllt war, und wir haben alle fünf Kämpfe gewonnen.«

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Nun folgt 2022 die vollständige Rückkehr zum Profiboxen. Professionelle Faustkämpfe in Kuba wurden Anfang der 1960er, kurz nach dem Triumph der Revolution, ausgesetzt und Boxen fortan auf der Insel nur noch als Amateurboxen praktiziert, hauptsächlich bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften. Wie in vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen aber ist auch im Sport ein behutsamer Wandel zu spüren. Seit einigen Jahren dürfen Kubas Sportler Profiverträge im Ausland unterschreiben, wenn sie weiterhin fürs Nationalteam zur Verfügung stehen. Damit sollen dem Spitzensport neue Impulse verliehen und den »Desertationen« ins Ausland begegnet werden.

Man habe die Wiedereingliederung in den Profiboxsport mehrere Jahre lang evaluiert, sagt Puig, der seit 2010 dem kubanischen Boxverband vorsteht und seit 2013 auch Mitglied des AIBA-Exekutivrates ist. Mit dem Schritt seien mehrere Ziele verbunden. »Die Teilnahme unserer Athleten an einem härteren Boxen trägt zur besseren Vorbereitung auf die olympischen Wettkämpfe bei.« Zudem biete sich dabei Gelegenheit, die Gegner zu studieren, denn seit Rio 2016 ist Profiboxern die Teilnahme an Olympischen Spielen erlaubt. In Rio kannten die kubanischen Faustkämpfer viele ihrer Kontrahenten gar nicht. »Und das dritte und nicht minder wichtige Thema sind die Einnahmen, die unsere Boxer, unsere Trainer, das medizinische Personal und der Verband selbst erhalten«, räumt Puig ein. »Die Boxer erhalten 80 Prozent der Kampfbörse direkt vom Veranstalter, 15 Prozent gehen an die Trainer und fünf Prozent werden an die medizinische Abteilung verteilt.« Das Geld solle als zusätzlicher Ansporn dienen. »Im Falle von Athleten, die für einen bestimmten Zeitraum unter Vertrag genommen werden - im Moment denken wir an drei Jahre - erhält der Athlet 80 Prozent und 20 Prozent der Verband, der ihn ausgebildet hat.«

Dieses Geld solle größtenteils in den Boxsport in den Provinzen, an der Basis gesteckt werden, so Puig »da, wo die Champions geformt werden«. »Wir haben heute Schwierigkeiten mit den Ressourcen, um Boxer auszubilden. Wir sprechen von etwa 50 000 im Land, und wir müssen sie alle erreichen.«

Der Kontrakt mit der mexikanischen Agentur Golden Ring Promotions berücksichtige die Interessen der Sportler, erklärt Puig. »Der Vertrag wurde unter Beteiligung der Boxer, der Trainer und der medizinischen Abteilung geschlossen«. Bei einem zehntägigen Trainingslager in Usbekistan im Vorfeld der Box-WM 2021 in Belgrad habe es täglich Sitzungen mit den anwesenden Sportlern und Trainern gegeben. »Dort haben wir den Vertrag konzipiert, der jetzt unterzeichnet wurde. Das heißt, es gab eine sehr direkte Beteiligung der Athleten. Ihre Interessen sind in diesem Vertrag enthalten, und zwar mit einer guten Beteiligung von ihnen.«

Die Vereinbarung sieht laut Puig 22 Profiboxkämpfe allein in Mexiko in diesem Jahr vor. Den Golden-Ring-Direktor Gerardo Saldívar nennt Puig einen »Freund Kubas«. Saldívar hatte dem Verband vor acht Jahren geholfen, die Kämpfe im Rahmen der World Series of Boxing zu organisieren. Seither ist ein Vertrauensverhältnis entstanden. Kubanische Boxer trainieren vor internationalen Wettkämpfen auch regelmäßig in der Stadt Aguascalientes, wo Saldívar lebt.

Auf die geplanten Profiboxkämpfe aber »bereiten sich die Athleten in Kuba mit ihren Trainern in der nationalen Boxschule vor«, sagt Puig. Sie werden nur zu den Kämpfen ins Ausland reisen. Zum ersten Auftritt in Aguascalientes Ende Mai werde man sechs Faustkämpfer der ersten Garde aufbieten, verspricht der Verbandspräsident. Die Olympiasieger Julio César La Cruz, Arlen López, Roniel Iglesas oder Andy Cruz könnten dann ihr Profidebüt geben. Zu anderen Kämpfen werde man aber auch Boxer aus der zweiten oder dritten Reihe oder hoffnungsvolle Nachwuchstalente schicken. »Wir werden eine Reihe von Kämpfen in Mexiko haben, aber wir werden in der ganzen Welt boxen«, kündigt Puig an und fügt hinzu: »Und wir werden in allen fünf Profiboxverbänden antreten.« Geht es nach dem Verbandspräsidenten, sollen kubanische Boxer in anderthalb bis zwei Jahren bereits um die Titel einiger Verbände kämpfen.

Es ist ein erstaunlicher Wandel. Jahrzehntelang hatte Kuba das Profiboxen als zu blutrünstig und unmenschlich verdammt. Der Profiboxsport sei »humaner« geworden, sagt Puig nun, und lobt zudem die professionelle Arbeit der Schiedsrichter. Das habe zum Umdenken beigetragen.

Auf die Frage, ob es Profiveranstaltungen auf Kuba geben werde, antwortet Puig mit einem klaren »Ja, natürlich!«, schränkt dann aber ein: »Wir werden in Kuba keinen professionellen Boxsport veranstalten. Wir haben unser System: das Playa-Girón-Turnier, die nationalen Meisterschaften, die Schulwettkämpfe, die Jugendspiele, die verschiedenen Pokale. Das ist unser System. Von dort kommen die Boxer, die in den Profi-Ligen antreten werden.«

Aber das Gerede von Profiboxen und Amateurboxen hält Puig ohnehin für Unsinn. »Amateurboxen gibt es nicht mehr! Diejenigen, die davon sprechen, kennen die aktuellen Realitäten nicht«, sagt er. Es gebe das Profiboxen und das olympische Boxen. »Unsere Boxer sind Berufsboxer, sie verdienen Geld mit dem Boxen. Wer das Wort Amateur verwendet, liest alte Zeitungen.«

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