Wahlrecht ab 16 bis Jahresende

Koalition und FDP einig zu Reform für Berlin – ohne deutsche Staatsbürgerschaft läuft aber nichts

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wahlrecht bedeutet nicht einfach nur, dass Menschen über die Zusammensetzung von Parlamenten mitentscheiden können, sondern auch, dass die Politik ihre Belange stärker berücksichtigen muss«, sagt Sanaz Azimpour von der Initiative »Nicht ohne uns 14 Prozent« zu »nd«. Zusammen mit weiteren Organisationen hatte sie am Samstag am Kottbusser Tor in Kreuzberg für das Wahlrecht für alle demonstriert.

Neben einer Wahlrechtsreform auf Bundesebene fordern die Organisationen vor allem den Senat auf, im Sinne des Koalitionsvertrags das Wahlrecht auf Landesebene so zu ändern, dass auch Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft ein Stimmrecht haben, wenn sie dauerhaft in Berlin leben. »Ohne Wahlrecht fehlt Menschen die Möglichkeit, für ihre Rechte auf politische Mitbestimmung einzutreten«, heißt es im Aufruf zu der Kundgebung, bei der die Organisatoren eine dreistellige Teilnehmerzahl registrierten. Rund 14 Prozent der Menschen in Deutschland kann, obwohl sie teilweise seit Jahrzehnten hier ansässig sind, wegen eines fehlenden deutschen Passes nicht hier wählen.
»Dass der Senat das Wahlalter auf 16 Jahre absenken will, zeigt doch: Wahlrechtsreform ist nötig und möglich! Jetzt müssen SPD, Grüne und Linkspartei auch ihr anderes Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen: Wahlrecht für alle Menschen, die in Berlin leben, unabhängig vom Pass. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein in einer Demokratie«, sagt Garip Bali vom Aktionsbündnis Antira.

Am vergangenen Donnerstag hatten Raed Saleh und Sebastian Czaja, die Fraktionschefs von SPD und FDP im Abgeordnetenhaus, bekanntgegeben, dass die im rot-grün-roten Koalitionsvertrag vereinbarte Senkung des Wahlalters für das Abgeordnetenhaus auf 16 Jahre noch dieses Jahr gesetzlich verankert werden soll. Dafür muss die Verfassung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit geändert werden. Zusammen mit den Liberalen erreicht die Koalition das nötige Quorum.

SPD-Landes- und Fraktionschef Saleh sagte, er sei ein großer Befürworter des Wahlalters ab 16 für Landtagswahlen, weil junge Menschen eine Stimme verdienten. Bereits in fünf anderen Bundesländern von Hamburg bis Baden-Württemberg gelte diese Regelung. Auch das Nachbarland Brandenburg gehört dazu. »Es ist für Berlin allerhöchste Zeit.« Zur Wahl 2026 soll die neue Regelung greifen, die rund 70.000 Menschen mehr das Wahlrecht geben würde. Wegen fehlender deutscher Staatsangehörigkeit dürfen rund 700.000 Berlinerinnen und Berliner nicht hier wählen. Die Grünen-Abgeordnete Klara Schedlich ergänzte: »Natürlich sind wir damit aber noch nicht am Ende: Es braucht weitere Wahlrechtsreformen, beispielsweise für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft.« Für Änderungen ist allerdings der Bund zuständig.

Die in der Linksfraktion für das Thema Bürgerbeteiligung zuständige Abgeordnete Hendrikje Klein sagte, sie freue sich, dass nun auch die Berliner FDP beim Wahlrecht ab 16 mit an Bord sei. »Zusammen mit der Koalition können wir nun die Berliner Verfassung ändern und damit das Wahlalter für die Berliner Abgeordnetenhauswahlen von 18 auf 16 Jahre senken.« Das Vorhaben solle schnell umgesetzt werden. »Unser Antragsentwurf für eine entsprechende Verfassungsänderung liegt schon seit einigen Monaten vor«, merkte Klein noch an.

Bereits die rot-rot-grüne Vorgängerkoalition hatte die Senkung des Wahlalters geplant. Das scheiterte allerdings am Widerstand der CDU. Koalition und FDP erreichten in der letzten Legislaturperiode zusammen keine Zwei-Drittel-Mehrheit. Mit dpa

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