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Bochum feiert in Dortmund Fußball pur

Dem Aufsteiger VfL gelingt mit dem 4:3 bei der Borussia der Klassenerhalt

  • Daniel Theweleit, Dortmund
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie gemalt wirkten die Bilder, die am Samstagnachmittag im Norden des Dortmunder Westfalenstadions zu sehen waren. Vor Glück verzerrte Gesichter leuchteten in der Frühlingssonne, Menschen warfen sich übereinander - sie sprangen, tanzten und sangen. Eine großartige Saison endete für den VfL Bochum und seine Anhänger mit einem Glücksmoment, den sich nur die kühnsten Träumer in dieser Form hätten herbeifantasieren können. «Das ist einfach die Krönung der Saison», sagte Trainer Thomas Reis nachdem sein Team durch einen dramatischen 4:3-Sieg im kleinen Revierderby beim BVB den Klassenerhalt in der Bundesliga sichergestellt hatte.

Es waren Momente, die niemand in Blau-Weiß enden lassen wollte, noch eine Stunde nach dem Abpfiff war der Gästeblock gefüllt. Milos Pantovic, der fünf Minuten vor dem Ende das Siegtor zum 4:3 geschossen hatte, war sich nicht einmal sicher, ob die Party rechtzeitig vor der nächsten Trainingseinheit am kommenden Dienstag zu Ende gehen würde. «Keine Ahnung, ob wir das schaffen», sagte der Mittelfeldspieler, während Reis voller Stolz verkündete: «Was hier in den letzten zwei Jahren entstanden ist, ist ein Traum.»

In der vergangenen Saison ist der Klub nach elf Jahren in der zweiten Liga aufgestiegen, um ein sensationell gutes Bundesligajahr folgen zu lassen - mit guter Facharbeit, aber auch mit einer Anpassungsfähigkeit, die anderen Abstiegskandidaten fehlte. «Wir haben überragend gelernt aus den Dingen, die uns wiederfahren sind, sagte der Bochumer Sportdirektor Sebastian Schindzielorz. »So richtig hinten reingerutscht sind wir nie. Das ist eine absolut beeindruckende Leistung.« Als Schlüsselmoment auf dem Weg zu diesem Erfolgsjahr sehen sie beim VfL die krachende 0:7-Niederlage beim FC Bayern am fünften Spieltag genannt, in deren Folge die Trainer und ihre Spieler erkannten, dass sie gemeinschaftlich und maximal intensiv verteidigen müssen, um in der Bundesliga mithalten zu können.

Jetzt, nach 32 absolvierten Partien, haben sie weniger Tore zugelassen als der geschlagene Gegner und Tabellezweite aus Dortmund. Und im Rückspiel gegen die Bayern besiegten sie den Deutschen Meister mit 4:2. Übertroffen wurde dieses Erlebnis jetzt nur noch von dieser wilden Partie beim BVB. »Das war Wahnsinn, was wir gerade erlebt haben«, sagte Kapitän Anthony Losilla. Und womöglich war ein Energiespender zum Erfolg auch das Wesen des Fußballstandortes Bochum, mit dem die Klubführung geschickt spielt.

Von Beginn an profilierte der VfL sich als Verein, der sich den vielfach kritisierten Auswüchsen des professionellen Fußballs entzieht: »Keine Nadelstreifen, kein weißes Ballett, kein Brimborium - Castroper Straßenfußball!«, lautet der Claim einer Imagekampagne. Das großartige Stadion an der Castroper Straße ist ein Geschenk für die Bundesliga, weil sich Fußball hier tatsächlich anfühlt wie in den verklärten Jahren rund um die Jahrtausendwende. Und weil hier auch unter Corona-Bedingungen mit stark reduzierter Kapazität eine dichte, intensive Atmosphäre entstand.

Die eigentliche Sensation ist, dass es den Bochumern tatsächlich gelungen ist, diesen »Fußball pur«-Vorsatz glaubwürdig zu leben. Gut, es gab die Wochen der Bierbecherwürfe, in denen ein Spiel gegen Borussia Mönchengladbach abgebrochen werden musste. Und der damals noch bei Union Berlin spielende Max Kruse sagte nach einer Partie beim VfL, er habe »selten so asoziale Fans erlebt wie hier«. Aber diese düsteren Momente werden in den Erinnerungen der Bochumer an dieses großartige Bundesligajahr allenfalls eine Nebenrolle spielen.

Die Dortmunder würden die Saison wohl am liebsten komplett vergessen. Die Mannschaft und ihr Trainer Marco Rose wurden wütend beschimpft und ausgepfiffen nach dieser Derbyniederlage. »Ich glaube nicht, dass die Spieler verdient hatten, sich beschimpfen zu lassen«, sagte Rose zwar, denn sein Team habe »investiert« und »Chancen ohne Ende« gehabt. Aber einfach nur zu kämpfen reicht nicht mehr beim BVB, der ausgelaugt wirkt und mannschaftlich nicht geschlossen auftritt. »50 Gegentore, das ist too much, und das betrifft nicht nur unsere Defensive, das betrifft uns komplett als Mannschaft«, kritisierte der Trainer, der auch selbst auch noch stärker unter Beschuss geraten könnte. Weil ihm nicht gelungen ist, was die Bochumer geschafft haben: ein Team zu formen, in dem wirklich alle ihre gesamten Kräfte füreinander und für ein gemeinsames Ziel investieren.

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