Nazi-Parteien in der Existenzkrise

Demonstrationen von »Die Rechte« und dem »III. Weg« ziehen immer weniger Teilnehmende an

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sind Videoaufnahmen, die schockieren: Eine Regionalbahn aus Dresden hält am Sonntagvormittag am Bahnhof in der sächsischen Kleinstadt Glauchau. Mindestens ein Dutzend Vermummte sind zu sehen, wie sie auf dem Bahnsteig hin- und herrennen, Steine auf die Waggons werfen, den Passagieren drohen, ein Angreifer zeigt den Hitlergruß.

Auch ohne diese strafbare Geste braucht es nicht viel, um zu erkennen, um wen es sich bei den Angreifern handelt: Mehrere der insgesamt rund 40 Personen tragen grüne Pullover mit dem Logo der neonazistischen Kleinstpartei »III. Weg«. Der Überfall gilt einem Regionalzug, in dem neben völlig unbeteiligten Reisenden auch Antifaschist*innen sitzen, die in Zwickau gegen einen Nazi-Aufmarsch eben jener Kräfte protestieren wollen, die den Zug überfallen.

Dass dieser Angriff am Glauchauer Bahnhof stattfinden konnte, wirft Fragen auf. Keine Stunde zuvor war es zu ähnlichen Szenen am Chemnitzer Hauptbahnhof gekommen. Etwa 50 Neonazis versuchten, den Regionalzug zu stürmen, laut Augenzeug*innen wurden Reisende mit Fahnenstangen und Flaschen angegriffen. Die sächsische Polizei vermerkte am Ende des Tages in einer Mitteilung, dass »37 Personen des rechten Klientels« in Gewahrsam genommen wurden. Auf ihrer Rückreise aus Zwickau wurde in Crimmitschau auch eine Gruppe Neonazis Ziel eines Angriffs, bei dem vier Personen verletzt wurden.

»Seit Jahren machen wir die Erfahrung, dass die Anreise zu Demonstrationen der Nazi-Szene ein neuralgischer Punkt für gewaltsame Auseinandersetzungen ist«, warnt Kerstin Köditz, Innenexpertin der Linksfraktion im sächsischen Landtag, gegenüber »nd.DerTag«. Ihrer Einschätzung zufolge gab es eine »mangelhafte Einsatzvorbereitung« der Behörden, die falsche Prioritäten gesetzt hätten. In Leipzig etwa seien im alternativ geprägten Stadtteil Connewitz mehrere Hundertschaften Polizei, einschließlich eines Hubschraubers, im Einsatz gewesen.

Der Aufmarsch des »III. Weg« in Zwickau am 1. Mai war aus Sicht der Neonazis ein absoluter Flop. Trotz überregionaler Mobilisierung nahmen an dem Aufzug nur rund 250 Menschen teil, obwohl die Region im Südwesten Sachsens als Hochburg der Kleinstpartei gilt. Zum Vergleich: Als die Neonazis am 1. Mai 2019 durch das keine 40 Kilometer entfernte Plauen marschierten, beteiligten sich rund 500 Personen. »Das offen NS-affine Spektrum der extremen Rechten hat massive Mobilisierungsschwierigkeiten, auch deshalb, weil es keine eigenen Themen mehr setzen kann«, sagt Köditz.

Wie richtig die Linke-Politikerin mit ihrer Einschätzung liegt, zeigen zwei weitere 1. Mai-Veranstaltungen aus dem Lager der extremen Rechten. In Dortmund brachte die Kleinstpartei »Die Rechte« kaum 200 Anhänger*innen auf die Straße und dies, obwohl auch aus den Reihen der NPD dafür geworben wurde.

Ein ähnliches Bild bot sich am Sonntag in Erfurt. Dort hatte die noch junge Partei »Neue Stärke«, deren wichtigste Köpfe auch aus dem Umfeld vom »III. Weg« stammen, einen Aufmarsch organisiert, knapp über 100 Nazis kamen. »Innerhalb der bundesweiten Neonazi-Szene ist die Gruppe bedeutungslos«, analysiert die Initiative Mobile Beratung Thüringen bei Twitter. Die Straßenproteste zeigten, »dass die ›Social-Media-Propaganda‹ der Neonazis keinen realen Hintergrund besitzt«.

Von einer »existenziellen Krise« der offen mit dem Nationalsozialismus sympathisierenden Gruppen spricht auch Köditz. »Das zeigt sich am deutlichsten an der NPD, die unter galoppierender Schwindsucht leidet«, so die Linke-Politikerin. Um dem Fall in die absolute Bedeutungslosigkeit etwas entgegenzusetzen, plant die Partei, sich einen neuen Namen zu geben. Die vielfache Konkurrenz in der extremen Rechten aber bleibt. »Jede der bestehenden Gruppen versucht, sich zu profilieren. Das trägt zur weiteren Zersplitterung der Szene bei.«

Sorgen bereitet Köditz, dass die ebenfalls von zahlreichen Personen aus der extremen Rechten getragene Kleinstpartei »Freie Sachsen« mit etwa 260 Teilnehmenden weitestgehend ungestört im sächsischen Zwönitz protestieren konnte. »Die Freien Sachsen haben sich als Bündnisorganisation der extremen Rechten mit und durch die Coronakrise etabliert und einen nicht unbeträchtlichen Einfluss gewonnen.« Hier fehle es noch am nötigen Problembewusstsein.

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