- Politik
- »Commander« Thorsten Jansen
Durchgeknallt auf Telegram
Morddrohungen gegen Ärzte, Bürgermeister und Polizisten: Anklage gegen militanten Verschwörungsideologen erhoben
Er gilt als einer der extremsten Schwurbler im Netz. Jetzt kommt Thorsten G. Jansen, der sich mal »Major«, mal »Commander« nennt und im Internet zahlreiche Menschen mit dem Tod bedroht hat, vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat den 54-Jährigen angeklagt. Insgesamt 33 Straftaten legen die Ermittler ihm zur Last.
Bereits seit Anfang Dezember sitzt Jansen in der Justizvollzugsanstalt Rosdorf bei Göttingen in Untersuchungshaft. Mit angeklagt wurde eine ebenfalls 54 Jahre alte Frau aus dem baden-württembergischen Landkreis Böblingen. Sie befindet sich auf freiem Fuß. Bei der Staatsanwaltschaft Göttingen ist die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet angesiedelt.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Jansen behauptet von sich, »Befehlshaber des Supreme Headquarter Allied Expeditionary Force« (SHAEF) zu sein, also des Hauptquartiers der Alliierten Streitkräfte in Nordwest- und Mitteleuropa während des Zweiten Weltkrieges. Dieses Hauptquartier wurde zwar im Juli 1945 aufgelöst, doch das ficht den Beschuldigten nicht an: Er vertritt die Auffassung, dass das SHAEF bis heute fortbesteht – und dass allein dessen Gesetze und Anordnungen in der Bundesrepublik Deutschland Gültigkeit haben.
In seiner Variante der kruden Reichsbürgerideologie behauptet Jansen, durch die US-amerikanischen Streitkräfte zur Ausübung von Hoheitsrechten auf dem deutschen Staatsgebiet ermächtigt worden zu sein. Gleichzeitig entspringt die vom »Commander« und seinen Gefolgsleuten verbreitete SHAEF-Verschwörungsideologie weitgehend dem, was Anhänger der in den USA 2017 entstandenen rechtsradikalen QAnon-Gruppe an Schauermärchen verbreiten. Sie sehen Donald Trump als gottgleichen Erlöser: In seiner Präsidentschaft habe er mit dem »Deep State« in den USA aufgeräumt.
Über seine diversen Telegram-Kanäle mit rund 25 000 Followern verbreitete Jansen die Erzählung, dass in Deutschland gerade Krieg herrsche, in dem unter seinem Kommando stehende Soldaten und Polizisten im Kampf für das deutsche Volk fallen würden.
Nach Erkenntnissen der Göttinger Staatsanwaltschaft soll Jansen seit Frühjahr 2020 gegen etliche Menschen, unter ihnen auch Personen des öffentlichen Lebens, im Netz »Todesurteile im Namen des SHAEF« verhängt und zu ihrer Ermordung aufgerufen haben. In der Folge seien die betroffenen Privatpersonen und Amtsträger vielfach von Dritten bedroht worden. Die Mitangeklagte hat laut der Strafverfolgungsbehörde auf eigenen Telegram-Kanälen mit etwa 11 000 Followern die von Jansen ausgesprochenen »Todesurteile« weiterverbreitet.
Solche »Urteile« beziehungsweise Mordaufrufe gab es beispielsweise gegen eine Schulrektorin und einen Polizeimeister in Süddeutschland, gegen ein Mitglied des Krefelder Stadtrates, aber auch gegen den Ober-Coronaleugner Bodo Schiffmann und seine Freunde: »All Schiffmann’s and Friends Death by firing Squad!« (»Tod durch Erschießungskommando«). Dabei gab sich Jansen selbst als hartgesottener Impfgegner, denn Ärzte, die gegen Corona impfen, wurden von ihm ebenfalls bedroht. In vielen Fällen wurden die Adressen und andere Kontaktdaten der Bedrohten gleich mit veröffentlicht.
Gern kommunizierte der »Commander« mit gleichgesinnten oder ähnlich tickenden Nutzern seiner Kanäle. Einer von ihnen schrieb am 9. Oktober 2021: »Sehr geehrter Herr Major Jansen, die Schulleitung nötigt meine Tochter Melina zur Maske, Testung und Impfung! Wir Eltern verweigern, Melina in die Schule zu schicken, egal was es für «OWIG»-Bescheide gibt. Nun werten sie Klassenarbeiten mit ungenügend. Teilen Sie der Rektorin doch die Gesetzeslage mit. Sie ignoriert die S.H.A.E.F. Gesetzgebung und ist eine Systemhure! Danke Major Jansen.« Jansen antworte militärisch knapp: Man befinde sich in einem Weltkrieg, alle Informationen seien auf dem Kanal vorhanden, man solle das Problem selbst lösen.
Inzwischen sind die Telegram-Accounts Jansens und die seiner Kumpanin gelöscht. Ein Termin für die Hauptverhandlung steht noch nicht fest.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!