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Wie konnte das geschehen?
Die Rolle der Kunst in Zeiten von Krisen und Kriegen
Am 17. März wurde meine Ausstellung hier in Berlin eröffnet. Ich hatte Tickets für einen Flug mit Aeroflot am 9. März. Nun musste ich früher kommen. Ich bin aus Petersburg mit dem Zug nach Helsinki gefahren und dann weiter nach Berlin geflogen. Ich habe viele Kontakte in Berlin, seit ungefähr 25 Jahren reise ich nach Deutschland. All meine Reisen haben mit meiner Theaterarbeit zu tun.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Ursprünglich bin ich Theaterkünstler, Szenograf. Aber 2005 übernahm ich die Leitung eines Theaters, das mein Vater gegründet hatte - das »Theater der Generationen«. Damals lehrte ich in den USA an der California State University in Long Beach, daher musste ich mein Leben von da an zwischen den USA und Russland aufteilen. Aber seit etwa fünf Jahren kann ich mich ausschließlich auf mein Theater konzentrieren.
Das Theater ist unabhängig. Das war seine Gründungsidee. Ob man das bewahren kann, ist eine Frage. Ich empfand nie direkten politischen Druck - wir taten immer das, was wir für richtig hielten, wir versuchten, aufrichtig zu sein. Aber es hing eine Wolke über uns allen, und man musste schon blind sein, um nicht zu bemerken, wie sich der Himmel verfinsterte. Und dann diese Rhetorik, die herrschte: die Unseren, die Fremden, die Feinde. Heute muss man vielleicht sagen, dass wir uns nicht hinreichend bewusst waren, was mit uns eigentlich vor sich ging.
In den letzten Wochen lebe ich im Zustand eines Dialogs mit mir selbst, einer fortwährenden Suche: Wie konnte das geschehen? Warum? Was haben wir übersehen? Hätte man etwas dagegen tun können? Diese Fragen muss man sich stellen. Wie schwierig und schmerzhaft es auch ist: Man muss sich immer dieser Arbeit widmen, dem Versuch, zu verstehen, wer man ist und wo man steht.
Das Allgemeinmenschliche, der humanitäre Aspekt der Kunst - wir dürfen das nicht vergessen. Dass Schostakowitsch aus einem Konzertprogramm entfernt wird, darf nicht sein. Denn der Hass ist enorm ansteckend. Man braucht große Kraft, ein eigenständiges, freies Denken, um ihm nicht zu verfallen. Heute ist es wichtiger denn je, den Dialog fortzusetzen und das Verbindende, nicht das Trennende zu finden.
Wie gesagt, ich habe eine lange Zeit gewissermaßen in einem interkontinentalen Zustand verbracht, zwischen zwei Kulturen. Ich sagte mir und allen anderen immer: Die Welt ist eine Einheit, Grenzen existieren nicht, es sind Phantasmen der Menschen. Wie dramatisch oder tragisch auch immer die Umstände derzeit sein sollten: Die Rolle der Kunst besteht in der Einung über Grenzen hinweg.
Danila Korogodsky, Jahrgang 1955, ist Theaterregisseur und Leiter des unabhängigen »Teatr Pokolenij« (Theater der Generationen) in St. Petersburg in Russland; zudem lehrt er als Dozent unter anderem an der Yale University und der New Yorker Universität. Mit ihm sprach Alexander Estis, der dessen hier abgedruckten Bericht protokollierte und übersetzte.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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