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Koalitionsfraktionen setzen auf Bürgerbeteiligung

Kürzungen bei Partizipation durch Stadtentwicklungsverwaltung weitgehend rückgängig gemacht

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Wollte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) auf Abstellgleis schieben: Die Bürgerbeteiligung
Wollte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) auf Abstellgleis schieben: Die Bürgerbeteiligung

Die Bürgerbeteiligung in der Stadtentwicklung soll im Doppelhaushalt 2022/2023 nicht unter die Räder kommen. Die Fachpolitikerinnen und ‑politiker der rot-grün-roten Koalition haben die entsprechenden Kürzungen, die die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen in ihrem Haushaltsentwurf vorgenommen hatte, größtenteils wieder rückgängig gemacht.

Die Verwaltung hatte vor allem beim Thema Kooperative Stadtentwicklung Mittel gestrichen, darunter Gelder für die Anlaufstellen für Bürgerbeteiligung in den Bezirken, die Initiative Urbane Praxis und die Taskforce für bedrohte Räume. Neu verankert werden konnte die Ombudsstelle für Mieterinnen und Mieter der landeseigenen Wohnungsunternehmen, die bei Streitfällen vermitteln soll. 300 000 Euro zusammen für 2022 und 2023 sollen der Wohnraumversorgung Berlin dafür zur Verfügung stehen. Ein aktueller Fall: Fehlerhafte Abrechnungen der Heizkosten für Staakener Mieter der Gewobag, die ungerechtfertigte drastische Nachforderungen zur Folge hatten.

Größter Streichposten waren die bezirklichen Anlaufstellen. Für sie hätten rechnerisch pro Jahr nur noch 153 000 Euro statt der ursprünglich angekündigten 250 000 Euro zur Verfügung stehen sollen. Das ist mit dem Beschluss im Stadtentwicklungsausschuss vom Montag zumindest für die Bezirke abgewendet worden, in denen es tatsächlich aktive oder im Aufbau befindliche Anlaufstellen gibt.

Die Kürzungen hätten dazu geführt, dass die Anlaufstellen »nicht mehr sinnvoll betrieben werden könnten«, heißt es in einer »nd« vorliegenden, im April verfassten gemeinsamen Stellungnahme der zivilgesellschaftlichen Träger dieser Büros aus sechs Bezirken. »Der niedrigschwellige Zugang der Bürger*innen zur Verwaltung wäre dann nur noch sehr eingeschränkt gegeben«, heißt es weiter. »Die Berliner*innen adäquat mitzunehmen und ihre Perspektive in die Planung einzubeziehen, macht jedoch insbesondere langfristig Sinn. Denn es erhöht die Akzeptanz und Identifikation von stadtentwicklungspolitischen Projekten und wirkt somit nachhaltig«, so die Träger.

Zuvor hatten bereits alle zwölf Bezirke in einer gemeinsamen Stellungnahme die Kürzungen klar abgelehnt. »Eine Mittelkürzung würde das Vertrauen der Fachämter und der Zivilgesellschaft in den Leitlinienprozess empfindlich stören«, so die Bezirke. Die Strukturen sind in vielen Bezirken gerade erst im Aufbau begriffen, Lichtenberg hatte seine Anlaufstelle beispielsweise gerade erst am 30. März feierlich eröffnet.

Die Initiative Urbane Praxis, bei der Kunstschaffende sowie Stadtaktivistinnen und ‑aktivisten in einem Verbund berlinweiter Stadtlabore und Campusprojekte Kooperations- und Gestaltungsformen stadträumlicher Transformation erproben, konnte unter einem neuen Namen gesichert werden. 300 000 Euro pro Jahr gibt es nun für Netzwerkstelle und Projektbüro Urbane Praxis.

»Wir entwickeln Berlin gemeinsam mit den Menschen und verstärken mit neuen, aber auch der Stärkung von bestehenden Instrumenten den Mieter*innenschutz und die kooperative Stadtentwicklung und wollen damit einen zentralen Beitrag leisten, um den Wohnungs- und Grundstücksmarkt gemeinwohlorientiert umzubauen und Spekulation zu erschweren – dafür braucht es Gelder und Strukturen«, erklären Katrin Schmidberger und Julian Schwarze von der Grünen-Fraktion gemeinsam gegenüber »nd«. Ziel sei »eine kooperative und nachhaltige Stadtentwicklung«. Um den steigenden Verdrängungsdruck zu bremsen, würden mit diesem Haushalt »bestehende Maßnahmen zum Mieter*innenschutz wie die bezirkliche Mieter*innenberatung, die Einsetzung von Treuhänder*innen sowie Ersatzvornahmen bei Zweckentfremdungen« gestärkt.

»Für mich ist es besonders wichtig, die Menschen mitzunehmen, die sonst in der Bürgerbeteiligung kaum mitwirken«, sagt SPD-Fachpolitikerin Sevim Aydin zu »nd«. Das ist etwa bei Migrantinnen und Migranten der Fall, die oft nicht einmal erfahren, dass sie mitreden könnten. »Mit der gesicherten Unterstützung für die Bezirke müssen diese nun die aufsuchende Bürgerbeteiligung stärken«, fordert Aydin.

»Wir wollen eine ermächtigende Beteiligungskultur fördern, die die Berliner*innen zu Entscheider*innen macht«, sagt Linke-Wohnungspolitiker Niklas Schenker zu »nd«. Wer eine Stadt für alle wolle, müsse »kooperative Prozesse stärken und Initiativen ernst nehmen«. Das gelte auch für Neubauvorhaben und ergebnisoffene Planungen. »Der Umgang mit dem Volksentscheid und der schlechte Umgang mit der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen sollte hier kein Vorbild sein«, so Schenker weiter.

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