- Berlin
- Tag der Befreiung
Vorschlaghammer Flaggenverbot
Berlins Innensenatorin verteidigt Umgang mit ukrainischen Nationalsymbolen am 8. und 9. Mai
Erst waren sie verboten, dann teilweise kurz erlaubt, dann wieder verboten: Das für den 8. und 9. Mai verfügte Verbot von russischen, ukrainischen und sowjetischen Flaggen an 15 ausgewählten Orten in Berlin wird die Gerichte weiter beschäftigen. Am späten Montagabend hatte das Oberwaltungsgericht Berlin-Brandenburg entschieden, dass die entsprechende Allgemeinverfügung der Polizei rechtens ist – und damit eine wenige Stunden zuvor vom Verwaltungsgericht gefällte anderslautende Entscheidung kassiert.
Berlins CDU will sich damit nicht zufrieden geben. Sie hatte unabhängig von dem verhandelten Fall eine eigene Klage gegen das Land Berlin wegen des Verbots des Zeigens ukrainischer Flaggen eingereicht. »Daran halten wir fest, die juristische Aufarbeitung dieser skandalösen Verfügung geht weiter«, sagt CDU-Generalsekretär Stefan Evers am Dienstag zu »nd«. Er selbst war am Sonntag von der Polizei am Sowjetischen Ehrenmal in Tiergarten aufgefordert worden, seine mitgebrachte ukrainische Flagge wieder einzurollen.
Der Polizei wolle er gar keinen Vorwurf machen, sagt Evers: »Das hat der Senat zu verantworten. Es war am Ende einfach nur politische Dummheit.« Die habe nicht zuletzt Menschen aus der Ukraine »in ihren Gefühlen verletzt«. Er erwarte hier eine umgehende Entschuldigung der politisch Verantwortlichen, allen voran von Berlins Regierender Bürgermeisterin Franziska Giffey und Innensenatorin Iris Spranger (beide SPD).
Weder Giffey noch Spranger denken indes daran, sich zu entschuldigen. Im Gegenteil. Mit Blick auf die tumultartigen Szenen am Montag in Warschau, als der russische Botschafter in Polen von Kriegsgegnern mit Farbe attackiert wurde, keilt Spranger am Dienstag zurück: »Ich hätte Herrn Evers gern gesehen, wie er reagiert hätte, wenn solche Bilder wie in Polen auf den Kriegsgräbern in Berlin passiert wären.« Da hätte der CDU-General den Senat »sehr massiv aufgefordert, dass das zu verhindern ist«, sagt die SPD-Politikerin im Anschluss an die Senatssitzung. Um an anderer Stelle noch einmal ihr Aufgabenportfolio zu verdeutlichen: »Der Job einer Innensenatorin ist es, solche Bilder zu verhindern.«
Auch Franziska Giffey verweist auf Warschau. »Wir können froh sein, dass wir hier in Berlin nicht so schlimme Bilder hatten«, sagt die Regierende an Sprangers Seite. Das teilweise Verbot ukrainischer Nationalsymbole ändere dabei »nichts daran, dass es überhaupt keinen Zweifel gibt, auf welcher Seite wir stehen, nämlich: solidarisch an der Seite der Ukrainer«. Letztlich sei es doch nur darum gegangen, dass es nicht »zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Gruppen auf unseren Kriegsgräbern kommt«, sagt Giffey, die sowjetischen Grabstätten als deutsche vereinnahmend.
Kritik an der von Giffey und Spranger als Erfolg gefeierten Polizeimaßnahme kommt derweil nicht nur von der CDU. Auch Sebastian Schlüsselburg, der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, hält das Teilverbot für überzogen. »Beim Versammlungsrecht sollte man immer einzelfallbezogen mit dem Skalpell arbeiten und niemals generell mit dem Vorschlaghammer. Und die Allgemeinverfügung war der Vorschlaghammer«, sagt Schlüsselburg zu »nd«.
Das gelte generell für den Umgang mit Nationalsymbolen, die Flagge der untergegangenen Sowjetunion eingeschlossen. »Mir soll mal jemand erklären, warum eine Flagge, die nicht verboten ist, Gewaltbereitschaft signalisiert. Das Problem sind doch nicht die Flaggen, sondern das Problem ist doch immer der konkrete Umgang der Menschen mit diesen Flaggen«, so Schlüsselburg. Das im vergangenen Jahr in Kraft getretene Berliner Versammlungsfreiheitsgesetz hätte der Polizei dabei ausreichend Handhabe gegeben, um im Fall von konkreten Gefährdungssituationen »deeskalierend« einzuschreiten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.