Zwischen Destruktion und Unterwanderung

Rechte Erfolge bei Betriebsratswahlen bleiben aus – Gefahr lauert anderswo

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Niederlage war deutlich. 10 000 Beschäftigte des VW-Werkes in Zwickau wählten im März ihren Betriebsrat. 93 Prozent der Stimmen entfielen auf Vertreter der IG Metall, die so 35 der 37 Mandate erhielt. Nur zwei Sitze errang ein rechtsgerichtetes »Bündnis freier Betriebsräte«, zu dessen Protagonisten Kommunalpolitiker der AfD gehören und das von den rechtsextremen »Freien Sachsen« unterstützt wurde. Diese Liste will die Pleite aber nun nicht akzeptieren und klagt beim Arbeitsgericht Zwickau gegen das Ergebnis der Wahl. Thomas Knabel, der Bevollmächtigte der IG Metall Zwickau, warnt davor, dass es als Folge womöglich »über längere Zeit keinen arbeitsfähigen Betriebsrat« geben könnte.

Eine solche Strategie der rechten Liste wäre nicht neu. Auch bei Unternehmen wie BMW in Leipzig hätten ähnliche Gruppierungen nach der Wahl 2018 auf »juristische Scharmützel und Destruktion« gesetzt, statt sich zu Fragen der Betriebspolitik zu äußern, sagt Bernd Kruppa, Leipziger Chef der IG Metall. Dabei hätten sie bei der Abstimmung zuvor durchaus einen »Überraschungscoup« gelandet, räumt er ein. Der Verein »Zentrum Automobil« (ZA), in dem Rechtsextreme das Sagen haben, errang in Leipzig bei BMW vier Sitze und bei Porsche zwei. Auch im Hauptwerk von Mercedes im baden-württembergischen Untertürkheim feierte man Erfolge.

Rechte wollen »Deutungshoheit« der IG Metall brechen

Befürchtet wurde, dass sich der gesellschaftliche Rechtsruck auch in Arbeitnehmervertretungen niederschlagen könnte – nicht zuletzt in Branchen wie dem Automobilbau, der mit dem Umstieg auf Elektromobilität vor enormen Umbrüchen steht und wo viele Beschäftigte um ihre Jobs fürchten. Gleiches gilt etwa für Braunkohlegruben und ‑kraftwerke. Experten verwiesen darauf, dass 2017 bei der Bundestagswahl 15 Prozent der in Gewerkschaften organisierten Arbeitnehmer die AfD gewählt hätten. Die extreme Rechte formulierte ambitionierte Ziele: Man wolle die »Deutungshoheit« der IG Metall brechen, hieß es bei einer Konferenz des »Compact«-Magazins, die 2017 wohl nicht zufällig in Leipzig stattfand und bei der ZA-Chef Oliver Hilburger mit AfD-Mann Björn Höcke auftrat.

Vier Jahre später ist die angekündigte Offensive nicht zu erkennen. ZA schnitt seine Kampagne auf Werke im Westen zu, wo man zum Beispiel in Untertürkheim einen Sitz dazugewann. In Leipzig sei indes überhaupt kein erkennbarer Wahlkampf betrieben worden, sagt Kruppa. Generell hätten rechte Listen »überall im Bezirk Niederlagen erlitten und schlechter abgeschnitten als vor vier Jahren«, sagt Markus Sievers, Sprecher der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen. Deren Listen dagegen legten zu. Rückenwind gaben womöglich jüngste Erfolge bei der Durchsetzung der 35-Stunden-Woche im Osten, zu der es betriebliche Vereinbarungen in namhaften Unternehmen gab. Vielleicht, schrieb Kruppa kürzlich in der Monatszeitschrift »Sozialismus«, sei aber generell die These, wonach die Arbeitnehmerschaft tendenziell rechts wählt, »doch zu voreilig formuliert«.

Im Betrieb mit der IG Metall, in der Gesellschaft mit Pegida

Klaus Dörre hat anderes beobachtet. Der Soziologe von der Uni Jena, der zu Gewerkschaften, Partizipation und Rechtspopulismus forscht, geht davon aus, dass rechte Politikkonzepte bei den Arbeitern etwa in der Automobilbranche durchaus auf fruchtbaren Boden fallen, aber nicht in der Wahl rechter Betriebsräte münden: »Zugespitzt könnte man sagen: Im Betrieb mit der IG Metall, in der Gesellschaft mit Pegida«, sagt Dörre unter Verweis auf Befragungen in Unternehmen, in denen die Gewerkschaft überdurchschnittlich viele neue Mitglieder rekrutieren konnte.

Dabei ist es nicht so, dass die betreffenden Beschäftigten beide Lebenswelten strikt trennen. Vielmehr strebten Anhänger der AfD an, die IG Metall quasi von innen heraus zu verändern oder, wie Dörre formuliert, »zu unterwandern«. Äußern kann sich das etwa in Forderungen, die Gewerkschaft möge sich auf Tarifpolitik und Mitbestimmung beschränken, sich aber zu gesellschaftlichen Themen, von der Flüchtlings- über die Migrations- bis zur Rentenpolitik, nicht äußern. »Man bekämpft das politische Mandat der Gewerkschaften und will diese neutralisieren«, sagt Dörre. Damit würden sich diese jedoch von ihren antifaschistischen Wurzeln entfernen und teils auch ihre Satzung missachten. Die IG Metall bekennt sich in diesem Dokument etwa zur Gleichstellung »unabhängig von ethnischer Herkunft« und zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Problem wird nicht mehr kleingeredet

Die Auseinandersetzung mit solchen Positionen ist innerhalb der Gewerkschaften durchaus heikel. Als sich IG-Metall-Chef Jörg Hofmann im Jahr 2015 gegen Fremdenfeindlichkeit bei Arbeitnehmern positionierte und den Satz äußerte: »Wer hetzt, fliegt«, sorgte das teils für Unmut und Austritte. Vor der Betriebsratswahl 2018 hatte Dörre den Gewerkschaften noch vorgeworfen, das Problem rechter Listen, aber auch der AfD-Nähe einzelner eigener Betriebsräte kleinzureden. Das habe sich seither geändert, sagt er jetzt im Gespräch mit »nd«. In der IG Metall Sachsen gebe es einen Arbeitskreis, der sich mit der Frage befasst, wie eine rechte Unterwanderung verhindert wird; auch in Baden-Württemberg setzt man sich offensiv mit dem ZA auseinander. »Es geht jetzt darum zu klären, wie erfolgreiche Gegenstrategien aussehen könnten«, sagt Dörre. Das sieht der Gewerkschafter Kruppa ähnlich. Die IG Metall müsse ihr »Profil in betriebs- und gesellschaftspolitischen Fragen stärken«, sagt er – und »den Gegner von rechts auf allen Ebenen stellen«.

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