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Mit hartem Schliff im Abstiegskampf der Bundesliga
Alte Schule, neuer Schwung: Unter Felix Magath ist Hertha BSC auf dem Weg zum »Maximalziel«
Zwei Monate ist es her, als Hertha BSC eine richtige Entscheidung getroffen hat. Das ist erwähnenswert, weil bei dem Berliner Bundesligisten, gemessen an den eigenen Zielen und der tatsächlichen Entwicklung, in den vergangenen Jahren viel falsch gelaufen sein muss. Die damalige Verpflichtung von Felix Magath als neuem Cheftrainer wurde weithin als weiterer Fehlgriff des Vereins gedeutet. Doch nun, am letzten Spieltag, ist das »Maximalziel«, wie Magath den direkten Klassenerhalt nennt, möglich. Dafür würde an diesem Sonnabend schon ein Punkt bei Borussia Dortmund reichen. Und sollte der VfB Stuttgart gegen den 1. FC Köln nicht gewinnen, ist den Berlinern der rettende Platz 15 in jedem Fall sicher.
Die Skepsis, die Magath Mitte März hierzulande entgegenschlug, wurde nachvollziehbar begründet. Schließlich hatte der 68-Jährige zuletzt vor zehn Jahren ein Bundesligateam betreut und danach in England und China mit überschaubarem Erfolg gearbeitet. Die letzten fünf Jahre stand er gar nicht mehr auf einem Trainingsplatz. Andererseits stellte ihn sein Ruf als »Schleifer« ins Abseits des modernen Fußballs. Und es dauerte tatsächlich nicht lange, als mit Fredrik Björkan der erste Hertha-Spieler eine Trainingseinheit erschöpft abbrechen musste. Ob die in der Folge stets lange Verletztenliste auch darauf zurückzuführen ist, bleibt zweitrangig – der Erfolg heiligt die Mittel.
Nomen est Omen: Das, was man von »Quälix« Magath bekommt, weiß man vorher. Genau das wollte der Verein. Herthas Sportchef Fredi Bobic sprach bei der Vorstellung des neuen Trainers lobend von dessen »harter Hand«. Am 19. März trauten dann aber doch die wenigsten ihren Augen. Im ersten Spiel nach dem Trainerwechsel schien auch ein neues Team auf dem Platz zu stehen: selbstbewusst, leidenschaftlich, kämpferisch, zielstrebig, in jeder Aktion mit Überzeugung. Das bemerkenswert souveräne 3:0 gegen die TSG Hoffenheim war der erste Sieg nach neun Spielen. Magaths alte Schule manifestierte sich dabei auch in der Aufstellung: Mit Innenverteidiger Niklas Stark vor einer Vierer-Abwehrkette feierte die längst vergessene Position des Vorstoppers ihre Renaissance.
Der neue Schwung hielt in dieser Form nicht lange, aber Hertha BSC war abgesehen vom 1:4 im Stadtderby gegen den 1. FC Union plötzlich wieder konkurrenzfähig. Magath und seine ebenso berüchtigten Co-Trainer Mark Fotheringham und Werner Leuthard haben aus Einzelspielern ein Team geformt, das dank einer neu gewonnenen defensiven Stabilität schwer zu schlagen ist. Und auch Spiele gewinnen kann: Mit drei Siegen und einem Remis holten die Berliner in den vergangenen sieben Spielen nur einen Zähler weniger als in den 17 Partien zuvor. Damit gelang der Sprung vom vorletzten Tabellenplatz auf Rang 15.
Wie fragil das Gebilde dennoch ist, hatte beispielsweise das Unentschieden vor zwei Wochen gegen Bielefeld gezeigt. Weil die Arminia dann aber am 33. Spieltag verlor, war trotz der gleichzeitigen Niederlage von Hertha BSC gegen Mainz das »Minimalziel« von Magath, den direkten Abstieg zu verhindern, erfüllt. Jetzt strebt er das Maximum an. Mit Blick auf das Spiel bei Borussia Dortmund stellte der Trainer klar: »Wir spielen gegen den Vizemeister, die zweitbeste Mannschaft des Landes.« Aber der Favorit müsse ja nicht zwangsläufig immer gewinnen. Das gute Gefühl der Hoffnung hat Magath nach Berlin zurückgebracht. Und betont das auch: »Als ich vor ein paar Wochen hierherkam, da war im Grunde alles voll Resignation.«
Zwischen den beiden Extremen liegt die Relegation. Sollte also das »Maximalziel« am letzten Spieltag verpasst werden, geht es in zwei Duellen gegen den Dritten der 2. Bundesliga. Dieses Szenario hat Magath seit seinem Amtsantritt im Kopf. »Ich war mir sicher, wir spielen in der Relegation gegen den HSV«, sagte er jüngst. Neben dem Hamburger SV sind auch noch Werder Bremen und Darmstadt 98 im Rennen um Platz drei, die Entscheidung fällt am Sonntag. Am 19. Mai und 23. Mai stehen dann die beiden Relegationsspiele an.
Egal, wann die sportliche Zukunft von Hertha BSC entschieden sein wird, die Zeit danach wird ebenso spannend. Zum einen will sich dann Fredi Bobic den Fragen zu seiner eigenen Verantwortung an der Krise stellen. Das versprach der Sportchef bei der Vorstellung von Magath. Allein zwei Trainerwechsel innerhalb einer Saison sind ein schlechtes Zeugnis. Hinzu kommt die Zusammenstellung der Mannschaft: Sie scheint weder sportlich noch charakterlich zu passen – und nur mit »harter Hand« zu führen zu sein. Schleifer Magath will sich zu seiner eigenen Zukunft auch erst nach dem Saisonende äußern.
Ein Klassenerhalt würde viele Entscheidungen leichter machen. Die wichtigsten für Hertha BSC stehen am 29. Mai an. Einen Machtkampf für die dann stattfindende Mitgliederversammlung hatte Investor Lars Windhorst schon vor Monaten angezettelt. »Wir brauchen einen Neustart an der Spitze«, sagte er ausgerechnet nach dem Hoffnung bringenden Sieg gegen Hoffenheim. Windhorst will mehr Mitsprache für seine investierten 375 Millionen Euro, die laut Bobic längst ausgegeben sind. Und Windhorst will auf keinen Fall mehr mit Präsident Werner Gegenbauer zusammenarbeiten. Mittlerweile sollen schon zwei Abwahlanträge gegen den 71-Jährigen eingegangen sein, der seit 2008 an der Spitze des Vereins aus Charlottenburg steht. Investorenfußball samt Angst vor dem Abstieg und einer ungewissen Zukunft – so kann es kommen, wenn vieles über lange Zeit falsch gelaufen ist.
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