- Berlin
- Gedenken an Naziopfer
Geschichte unter dem Strang geschrieben
Internetseite zum Julius-Fučík-Denkmal im Bürgerpark Pankow
Im Berliner Bürgerpark Pankow steht ein Denkmal für den tschechischen Kommunisten Julius Fučík, der am 8. September 1943 im Berliner Gefängnis Plötzensee hingerichtet wurde. Vom Fenster seiner Wohnung in der Cottastraße 2a aus kann Gerhard Hochhuth das Denkmal sehen.
»Ich fand es wichtig, dass da ein Stück Geschichte steht, das nicht verschwinden sollte«, erklärt der 75-Jährige, warum er beim Museum und bei der Gedenktafelkommission des Stadtbezirks anregte, das Denkmal mit einer Hinweistafel zu versehen. Denn heute wissen viele nicht mehr, wer Julius Fučík war. In der Tschechoslowakei und in der DDR waren sehr viele Schulen, Straßen und Plätze nach diesem Opfer des Faschismus benannt. Aber nur noch wenige tragen heute seinen Namen.
Gerhard Hochhuth ist im westdeutschen Kassel aufgewachsen. Aber als Schüler ist er 1965 auf Klassenfahrt in Prag gewesen, und 1966 hat er sogar drei Monate in der Stadt verbracht, in der es einen Fučíkplatz gab. Von daher war ihm der Name ein Begriff, bevor er 2009 in die Cottastraße zog. Der pensionierte Pfarrer kümmert sich um Stolpersteine für jüdische Nazi-Opfer. Da liegt es auf der Hand, dass ihm ein tschechisches Nazi-Opfer nicht egal ist, zumal er seit seiner Jugend ein Faible für Prag hat, wo Fučík einst unter dem Decknamen Professor Horák antifaschistischen Widerstand leistete.
Es ist schon länger her, dass Hochhuth eine Hinweistafel vorschlug. Der Denkmalschutz wolle so eine Ergänzung nicht, sei ihm gesagt worden, erzählt der Theologe. Da möchte er noch einmal nachbohren, ob dies wirklich nicht möglich ist. Die Tafel müsse ja nicht direkt ans Denkmal geschraubt werden, sondern könnte in angemessener Entfernung aufgestellt werden.
Zunächst freut sich Hochhuth, dass seine Anregung schon etwas bewirkte. Das Museum Pankow richtete eine Internetseite ein, auf der über das Schicksal von Julius Fučík und sein Denkmal im Bürgerpark informiert wird. Das Nationalmuseum Prag und der Historiker Stefan Zwicker haben dabei geholfen. Im September, zum 79. Todestag von Fučík, ist im Museum eine Veranstaltung dazu geplant.
»Nicht dass die CDU als Nächstes darauf kommt, den Abriss des Fučík-Denkmals zu fordern«, sagt Hochhuth mit Blick auf einen Vorstoß, das Ernst-Thälmann-Denkmal an der Greifswalder Straße einzuschmelzen. Wie berichtet, hatte das Bezirksparlament diesen Vorschlag der CDU am 2. Mai abgelehnt. Aber man weiß ja nie.
So wie das Denkmal des 1944 im KZ Buchenwald ermordeten KPD-Vorsitzenden Thälmann wird auch das Fučík-Mahnmal immer wieder beschmiert. Der aufmerksame Anwohner Hochhuth meldet das dann, damit es gereinigt wird. Das 1974 eingeweihte Denkmal besteht aus fünf Stelen, von denen eine im Relief Julius Fučík zeigt und eine in deutscher, russischer und tschechischer Sprache den Schluss der »Reportage unter dem Strang geschrieben« zitiert: »Menschen, ich hatte euch lieb. Seid wachsam!«
Berühmt wurde Julius Fučík durch diese Reportage. Verfasst hat er sie nach seiner Verhaftung am 24. April 1942 im Prager Gefängnis Pankrác, in dem er bis zu seiner Überstellung nach Berlin inhaftiert war. Mit Bleistift auf Toilettenpapier machte der Journalist seine Notizen, schilderte seine Verhaftung, sein erstes Verhör und die ersten Monate seiner Haft. Die Wärter Adolf Kolínský und Jaroslav Hora haben die 167 Blätter aus der Zelle geschmuggelt und versteckt. Kolínský übergab das Manuskript im Mai 1945 an Fučíks Witwe Gusta. Noch im selben Jahr wurde es als Buch veröffentlicht.
Bis 1990 blieben aber in allen Ausgaben die Passagen gestrichen, die nicht zu einem Heldenmythos zu passen schienen. Weggelassen wurde etwa die Beschreibung der Ausflüge, die Gestapo-Vernehmer Joseph Böhm mit Fučík unternahm. Böhm führte ihn beispielsweise in ein Gartenlokal aus – wie Fučík vermutete, um ihn zu belastenden Aussagen über andere Widerstandskämpfer zu bewegen. Da der Häftling tatsächlich Namen nannte, hätte sich für die Leser die heikle Frage aufgedrängt, ob er Böhm wie behauptet nur zum Narren hielt oder Genossen verraten hat.
Inzwischen untersuchte Historiker Stefan Zwicker ein Verhörprotokoll vom 29. Juni 1942 und stellte fest, dass alle Personen, die Fučík hier erwähnte, bereits verurteilt, in Haft oder auf der Flucht waren. Vermutlich half er der Gestapo also nicht, irgendjemandem auf die Spur zu kommen, heißt es vom Museum Pankow.
Das Museum spart Fehler Fučíks nicht aus. Der Kommunist war 1929 Redakteur der Parteizeitung »Rudé Pravó« geworden und 1930 mit einer Delegation in die Sowjetunion gereist. Von seinen Eindrücken berichtete er begeistert in Reportagen, die gesammelt unter dem Titel »Eine Welt, in der das Morgen schon Geschichte ist« erschienen. 1934/35 kehrte er als Korrespondent der »Rudé Pravó« in die Sowjetunion zurück, die er in seinen Berichten feierte. Ihren Höhepunkt erreichten die Säuberungen, die Schauprozesse und der Terror zwar erst in den Jahren 1936 bis 1938. Doch bereits vorher waren die Schrecken des Stalinismus schwer zu übersehen. Deshalb stießen Fučíks überschwängliche Reportagen selbst in kommunistischen Kreisen auf Kritik.
Doch für Julius Fučík gilt, was die Historikerin Annette Leo kürzlich über den KPD-Vorsitzenden Thälmann sagte: »Ja, er war Stalinist. Aber darüber darf man nicht vergessen, dass er ein Opfer des Faschismus gewesen ist. Alle Opfer des Nationalsozialismus verdienen unseren Respekt.«
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