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Der Gürtel ist schon lange zu eng

Brandenburgs Landtag debattiert über Inflation und Preisexplosion

  • Matthias Krauß, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das Problem heißt Kapitalismus«, sagte der Abgeordnete Andreas Büttner (Linke) am Mittwoch im Potsdamer Landtag und erntete Hohnlachen von der AfD-Fraktion. Büttners Reaktion: »Diese Pöbel-Fraktion ist kaum zu ertragen.« Angesichts sprunghaft gestiegener Spritpreise und offensichtlicher Mitnahmeeffekte bei den Mineralölkonzernen riet Büttner dazu, wie in Frankreich und Italien eine »Übergewinn-Steuer« zu erheben.

»Es sind die Ukrainer, die um ihr Leben und ihr Land kämpfen, nicht wir«, sagte der SPD-Abgeordnete Björn Lüttmann. Die Deutschen würden wegen des russischen Angriffskrieges zwar unter einer Preisexplosion leiden, in der Ukraine sterben jedoch Menschen. Lüttmann verwies zudem auf eine Reihe von Entlastungsmaßnahmen: Kinderbonus, Anhebung von Freibeträgen, Energie-Einmalzahlung, Erhöhung der Pendlerpauschale und 9-Euro-Ticket. Maßnahmen, mit denen die Politik bereits auf die Preissteigerungen reagiert habe. »Der Sozialstaat betreibt Für- und Vorsorge«, so Lüttmann. Am 1. Juli würden überdies die Renten in Ostdeutschland um 6,1 Prozent steigen. Das sei die »stärkste Anhebung in der Geschichte der Bundesrepublik«. Entscheidend bleibe die Anpassung der Löhne an die reale Preisentwicklung. Da stehe seine Partei an der Seite der Gewerkschaften, sagte der SPD-Politiker. Aber: »Der Staat wird nie alle Krisenkosten abfedern können.«

Nicht alles sei auf die aktuellen Krisen zurückzuführen, erläuterte schließlich die CDU-Abgeordnete Roswitha Schier. Hohe Preise hätten eben auch etwas mit der CO2-Abgabe, mit der Mineralölsteuer und der Mehrwertsteuer zu tun. Die Rentenerhöhung gleiche allenfalls die Inflation aus, kommentierte Schier. »Es ist also keine reale Erhöhung.« Angesichts der Reaktion auf ihre Rede äußerte Schier: »Dass ich das noch erleben durfte: Ich bekomme Beifall von den Linken.«

Es sei richtig gewesen, dass die Linksfraktion das Thema auf die Tagesordnung gesetzt habe, fand auch Grünen-Fraktionschefin Petra Budke. Mit Blick etwa auf Pflegekräfte, die ihre pflegebedürftigen Patienten zu Hause aufsuchen und unter den hohen Benzin- und Dieselpreisen leiden, sprach sich Budke dennoch gegen pauschale Tank-Rabatte aus – »weil das nicht nur die übers Land fahrende Pflegerin nutzen kann, sondern auch der gutverdienende Potsdamer, der genauso gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren kann«. Kritik an der von den Grünen durchgesetzten CO2-Steuer setzte Budke den Wunsch entgegen, das Geld möge an die Bürger ausgeschüttet werden. Damit hätten jene einen Vorteil, die weniger CO2 verbrauchen.

Die Koalitionsfraktionen SPD, CDU und Grüne lehnten einen Antrag der oppositionellen Linksfraktion schließlich ab, die Tafeln im Land, die gespendete Lebensmittel für einen geringen Obolus an Bedürftige abgeben, zu stabilisieren. Dem SPD-Politiker Lüttmann war der Vorstoß der Linksfraktion »sympathisch, aber zu unbestimmt, unrealistisch und als Grundlage für das Regierungshandeln wenig hilfreich«.

Laut Sozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) handelt es sich bei den Tafeln um ein freiwilliges Hilfsangebot der Zivilgesellschaft, das auch der Lebensmittelverschwendung entgegenwirken solle. Diese Tafeln »sind nicht Teil unseres sozialstaatlichen Systems« – gleichwohl es in der Vergangenheit an Unterstützung des Landes, etwa in Form von Lottomitteln, nicht gefehlt habe und die Ehrenamtlichen der Tafeln eine wichtige Aufgabe für die Gesellschaft erfüllen. Die Ministerin räumte ein, dass Geringverdiener bei den Entlastungsmaßnahmen nicht angemessen berücksichtigt seien. Sie versprach, die Bundespolitik da kritisch zu begleiten.

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