Wissler sieht linkes Potenzial

Trotz Krise und Wahlniederlagen will die Parteichefin erneut kandidieren

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Janine Wissler will auf dem Parteitag Ende Juni erneut für den Vorsitz der Linken kandidieren. Die amtierende Parteichefin bestätigte damit einen Bericht der ARD-Tagesschau. Die Lage sei »ernst, aber nicht aussichtslos«, sagte Wissler am Samstag beim Landesparteitag in Hannover. Es gebe das Potenzial für Mehrheiten für eine linke Politik. Die Linke hänge nicht fest im Loch von fünf Prozent oder darunter. In Niedersachsen wird am 9. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Nach Vorwürfen, nicht angemessen mit Sexismus in den eigenen Reihen umzugehen, und mehreren Wahlschlappen hatte die Linke entschieden, auf dem Bundesparteitag in Erfurt die komplette Parteispitze neu zu wählen. Wissler führt die Partei nach dem Rückzug ihrer Ko-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow seit einigen Wochen allein.

Diverse Funktionäre hatten sich dafür ausgesprochen, dass Wissler weitermacht, darunter der frühere Parteichef und jetzige Bundestagsabgeordnete Bernd Riexinger. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser war ebenfalls erfreut. »Ich hoffe, es gelingt, jetzt ein starkes Team um Janine Wissler herum zu bilden, das die Gemeinsamkeiten nach vorne stellt und die Linke tatsächlich zur modernen Gerechtigkeitspartei macht, die es angesichts der vielen Leerstellen der Ampelkoalition dringend braucht«, schrieb Meiser auf Twitter. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, teilte auf dem Kurznachrichtendienst mit: »Finde ich gut.« Aber nicht überall in der Partei ist Euphorie ausgebrochen. Die Führung der Linken in Sachsen, einer der mitgliederstärksten Landesverbände, sagte gegenüber »nd«, sich vorerst nicht öffentlich zu Personalfragen äußern zu wollen. Erst wolle man sich intern mit den Delegierten beraten.

Möglich ist auch eine Kandidatur des Ostbeauftragten der Linksfraktion im Bundestag, Sören Pellmann, für die Doppelspitze. Er hatte angekündigt, in den kommenden Tagen eine Entscheidung zu verkünden.

Mehrere wichtige Politiker der Linken sehen auch ein Strukturproblem. Der Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi erklärte, er plane eine Initiative zur Rettung seiner Partei. Nötig sei eine inhaltliche und personelle Erneuerung, so Gysi gegenüber der dpa. »Wir müssen deutlich machen, welche Interessen wir vertreten, zuerst die von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Auszubildenden, und dann die von Studierenden, Arbeitslosen, Obdachlosen, Geflüchteten, Freiberuflern und kleinen Unternehmen. Auch der Mittelstand gehört dazu«, sagte der frühere Fraktionschef. Ein Problem sei, dass verschiedene Meinungen von Linke-Politikern in der Öffentlichkeit scheinbar gleichwertig nebeneinander stünden.

Der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow kritisierte, dass die Partei quasi drei Machtzentren habe, den Bundesvorstand, die Bundestagsfraktion und den Bundesausschuss. Diese würden auf eine Frage manchmal drei konträre Antworten geben. »Das kann nicht funktionieren«, sagte Ramelow am Samstag am Rande eines Landesparteitags der Thüringer Linken in Bad Blankenburg. Die Linke solle künftig mit einer Stimme sprechen und sagen, wofür sie stehe.

Ramelow forderte seine Partei zudem auf, die eigene Haltung zum Krieg in der Ukraine zu überdenken. Dabei gehe es um Ursachen des Krieges und die Meinung zu Waffenlieferungen an die Regierung in Kiew, die von der Bundesregierung beschlossen worden waren. »Alle in der Linken verurteilen den Krieg gegen die Ukraine«, sagte Ramelow auf dem Thüringer Landesparteitag. Wenn aber manche meinten, die Nato sei schuld daran, dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Ukraine angegriffen habe, »dann ist die Situation auf den Kopf gestellt«.

Kritiker der Nato, darunter Politiker der Linken, trafen sich am Samstag zu einem Kongress an der Berliner Humboldt-Universität. Die Einladung erging unter anderem im Namen der Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen und Andrej Hunko. Neben Russland kritisierten sie im Aufruf auch das westliche Militärbündnis. Denn Nato und EU hätten mit der sogenannten Zeitenwende nicht nur eine neue Politik der Hochrüstung eingeläutet. »Jetzt soll auch jeglicher Ansatz von Entspannungspolitik und Friedensdiplomatie diskreditiert und entsorgt werden.«

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