Lenin für 20 Mark West

Der Schauspieler Peter Bause über die Fröhlichkeit seines Berufs – die verschwunden ist

  • Pia Sophie Roy
  • Lesedauer: 3 Min.

Es wurde herzhaft gelacht. Und man spürte: Dies tat allen wohl. Gibt es doch in diesen unfreundlichen, kriegerischen Zeiten wenig zu lachen. Umso dankbarer war das Publikum, das sich am Donnerstag vergangener Woche zum »Rendezvous« in der Hellen Panke im Berliner Prenzlauer Berg einfand, dem Schauspieler Peter Bause. Der 1941 in Gotha Geborene las aus seinem Erinnerungsbuch »Man stirbt doch nicht im dritten Akt!« (Verlag Neues Leben)

Eingangs erklärte er den ungewöhnlichen Titel: »Weil es sich nicht gehört. Weil es dann erst richtig losgeht mit dem Leben auf der Theaterbühne!« Dazu gesellten sich drei Lehrminuten in Dramaturgie, mit Rückgriff auf die Alten Römer und auf Lessing, aktualisiert und konkretisiert am eigenen Lebenslauf. Peter Bauses erster Akt war die Deutsche Post in Magdeburg, wo das schauspielerische Talent des 17-Jährigen entdeckt wurde, sodann die Theaterhochschule Leipzig, das Friedrich-Wolf-Theater Neustrelitz und das Volkstheater Rostock. Im zweiten Akt seines Lebens steht er auf der Bühne des Deutschen Theaters in Berlin, im dritten Akt (»Jetzt ist man dabei. Das eigene Wort gilt und hat Gewicht.«) gehört er zum Ensemble des weltberühmten Berliner Ensembles unter Manfred Wekwerth. Im vierten Akt wird Peter Bause, einen Tag vor seinem 50. Geburtstag, trotz mimischer Meriten von behördlichen Kulturbanausen, Kulturbarbaren des vereinten Deutschland entlassen. »Nichts war da mit einem geruhsamen Lebensernteeinfahrvergnügen. Ich musste, wie Millionen Menschen in anderen Berufen wieder von vorn anfangen.« Er war sich nicht zu fein, auf Tournee zu gehen und nach 600 Kilometern Autofahrt irgendwo abends noch den Puntila, den Berlichingen oder den Faust zu geben.

Das ist der Ernst des Lebens, den sein ostdeutsches Publikum ähnlich erlebt und erlitten hat. Doch Peter Bause wäre nicht Peter Bause, wenn er voller Bitterkeit zurückgeblickt hätte. Das ist seine Sache nicht. Er berichtet von der Fröhlichkeit seines Berufs. Dazu gehörten Erlebnisse im Land des einstigen »Großen Bruders«, der Sowjetunion. In Moskau wurde »Der zerbrochne Krug« kühl aufgenommen, erzählt Peter Bause: »Diese Lug-und-Trug-Situationen kannten die Russen aus eigener Erfahrung, da brauchten sie nicht noch ein Theaterstück über ihre Verhältnisse. Aber der ›Prinz von Homburg‹, das war was für sie.« Wegen der schönen alten Uniformen, schneidigen Auftritte und devoten Anreden: »Mein Fürst«, »Jawoll«. Antizipation des Putinschen Russlands, das zu zaristischen Devotionalien, Symbolen, Flaggen, Orden, Gehorsam und Untertänigkeit zurückgekehrt ist?

Ehemalige DDR-Studenten und Doktoranden in der Sowjetunion, Intourist-Reisende, Mitglieder von Freundschaftsbrigaden oder VEB-Kollektivausflügler ins »Vaterland der Werktätigen« werden den von Peter Bause referierten Witz von Klaus Piontek verstehen, spontan im Lenin-Mausoleum am Moskauer Roten Platz geboren: »Die sollen sich mit dem Zischen nicht so haben, für zwanzig Mark West bringen sie dir Lenin aufs Hotelzimmer.« Man schrieb das Jahr 1977. Und DDR-Bürger konnten sich für ihre »Alu-Chips« keine Suite im Interhotel »Rossija« unweit des Kremls in Moskau leisten.

Die Fröhlichkeit seines Berufes, »die es ermöglicht, emporzusteigen zu sehr guten Leistungen, die vermisse ich«, sagt Peter Bause. Die Situation für Theaterfrauen und Theatermänner hätte sich in den letzten Jahrzehnten sehr verändert: »Die Sorgen und Nöte haben zugenommen.« Nicht nur ob staatlichen Unverständnisses, amtlicher Ignoranz hinsichtlich der Bedeutsamkeit von Kunst und Kultur im gesellschaftlichen Leben, auch wegen der Konkurrenz und Entsolidarisierung unter Kunst- und Kulturschaffenden. Das gegenseitige Belauern von Schauspielern oder Intendanten, »was der andere ›drauf‹ hat und wo seine Schwächen liegen, dämpft die Fröhlichkeit leider häufig«. Wohl war. Und dies betrifft nicht nur die Theaterbranche.

Nächstes »Rendezvous« in der Hellen Panke am 30.6., 15 Uhr: »Eine ukrainische Flucht- und Liebesgeschichte«, mit Oksana Bozhuk, Kopenhagener Str. 9, Berlin-Prenzlauer Berg

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.