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Zyklus-App wird zur Gefahr
Finstere Zeiten für die Selbstbestimmung von Frauen und Personen mit Uterus kündigen sich in den USA an
In zartem Rosa mit pastellfarbenen Blümchen begrüßt die Zyklus-App »Flo« neue Nutzer*innen. Alter, Regelmäßigkeit des Zyklus, Beschwerden oder auch die Zufriedenheit mit dem eigenen Sexleben werden abgefragt. Nutzer*innen tragen regelmäßig ihre Periode ein, die App spuckt daraufhin aus, wann Frau* mehr oder weniger fruchtbar ist. Laut eigenen Angaben würden 220 Millionen Personen die App »Flo« nutzen, dabei ist das bei weitem nicht die einzige Zyklus-App.
Während Periodenprodukte im Ich-habe-kein-Tampon-dabei-Notfall heimlich wie bei einem Drogendeal unter dem Tisch in geschlossener Hand ausgetauscht werden, scheint es salonfähig zu sein, einer App den eigenen Zyklus, Beschwerden und das Sexualleben offen zu legen. Doch was, wenn sich die politische Lage verschärft? Wenn Abtreibungen zur Straftat werden? Die geplante Verschärfung des Abtreibungsgesetzes in den USA zeigt aktuell, was für reale Gefahren so ein digitales Protokoll des Zyklus darstellen kann. Die sensiblen Daten der App-Nutzer*innen wurden in der Vergangenheit schon teilweise an Großkonzerne wie Google oder Facebook verkauft. Wenn sich die Social-Media-Timeline mit Kinderwagen und Stramplern füllt, ist es also höchste Zeit für einen Schwangerschaftstest. Gruselig, dass Social Media unter Umständen schon vor der Schwangeren von dem sich anbahnenden Nachwuchs weiß. Und klar wird dadurch auch: So sensibel wie die Daten sind, wird nicht unbedingt mit ihnen umgegangen.
Mit Blick auf die USA könnte die Nutzung einer Zyklus-App tatsächlich bedrohlich werden: US-Aktivistinnen gehen davon aus, dass sich der Staat angesichts antifeministischer Vorhaben, Abtreibungen zu kriminalisieren, auch Zugang zu den Daten der Zyklus-Apps verschaffen dürfte. Eine Kombination der Zyklus-Daten aus den Apps, dem Standortaufenthalt und gegebenfalls der medizinischen Versorgung, die eine Person beansprucht, könnten in Zukunft die Grundlage für eine Strafverfolgung darstellen. Und gesammelt werden Daten in den USA wie der Weltmeister: Vor allem Frauen*gesundheitsdaten sind lukrativ und sollen laut »The Guardian« bis 2025 zu einem 50-Milliarden-Dollar-Geschäft werden. In der EU gibt es durch die Datenschutz-Grundverordnung zumindest eine gewisse Bremse im Datensammelspiel, während in den USA diesbezüglich Anarchie herrscht. Zum Leidtragen der User*innen.
Vielleicht mag sich das für viele eher abstrakt und nach einer dystopischen Zukunft anhören, doch dem ist nicht so. Und nicht nur hinter Zyklus-Apps lauern Gefahren, bei einer illegalen Abtreibung in Schwierigkeiten zu geraten: Ein Reporter des Magazins »Vice« kaufte sich für schlappe 160 Dollar gebündelte Datensätze zu »Planned Parenthood«, einer NGO, die Familienberatungen und Schwangerschaftsabbrüche anbietet. Mit den Daten aus Wetter-, Spiele- oder Sport-Apps kann über den Standort herausgefunden werden, ob jemand zum Beispiel in einem Nachbarbundesstaat in einer Abtreibungsklinik war. Wenn man bedenkt, dass es in Texas bereits eine »Bonuszahlung« von 10.000 Dollar gibt, wenn man jemanden für die Beihilfe bei einer Abtreibung wie etwa die Fahrt zur Klinik erfolgreich denuziert, ist das äußerst besorgniserregend.
Da kommt schon die Frage auf, in welcher Zeit wir eigentlich leben: In einer, in der Frauen und Personen mit Uterus nicht über ihren Körper und ihre Lebensplanung bestimmen dürfen und von kleinen, elektronischen Helfern überwacht werden? Die Realität für Frauen in den USA scheint sich tatsächlich rasant schnell der Dystopie von Margaret Atwood anzunähern: In »The Handmaid's Tale« werden Frauen zu Gebärmaschinen, nur die digitale Überwachung hat sich die Autorin in den 1980er Jahren noch nicht ausgemalt.
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