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  • Finale der Champions League

Beim zweiten Date wird alles besser

Wie schon 2018 trifft der FC Liverpool im Champions-League-Finale auf Real Madrid. In einem dramatischen Spiel setzten sich damals die Spanier durch

  • Sven Goldmann
  • Lesedauer: 5 Min.
Die entscheidende Szene des Endspiels 2018? Madrids Sergio Ramos verletzt Mo Salah am Arm. Liverpools Starstürmer kann nicht weitermachen, Real Madrid gewinnt danach 3:1.
Die entscheidende Szene des Endspiels 2018? Madrids Sergio Ramos verletzt Mo Salah am Arm. Liverpools Starstürmer kann nicht weitermachen, Real Madrid gewinnt danach 3:1.

Kurz bevor es nun endlich losgeht, hat Englands liebster Deutscher seit Boris Becker (das ist, zugegeben, schon ein bisschen länger her) sein Publikum mit einer Sentenz aus der Heimat unterhalten. »In Germany we say: You always meet twice in life«, sprach Jürgen Klopp. Das muss wohl nicht ins Deutsche zurückübersetzt werden, und auch der inhaltliche Bezug bedarf keiner längeren Erklärung. Am Samstag trifft der Fußballlehrer Klopp mit seinem FC Liverpool auf Real Madrid. Im Pariser Stade de France geht es um den Henkelpott für den Sieger der Champions League. So wie vor vier Jahren in Kiew, als dort noch mit Füßen und nicht aus Maschinengewehren geschossen wurde. Auch damals standen sich die Abordnungen aus Liverpool und Madrid gegenüber, zum bis dato letzten Mal im Finale des europäischen Fußballzirkus, aber man sieht sich halt immer zweimal im Leben.

Zirkus Europa
Sven Goldmann 


Foto: privat
Früher schlicht Pokal der Landesmeister genannt, ist die Champions League heute inszeniertes Spektakel und Gelddruckmaschine des Fußballs. Ein Blick auf den kommenden Spieltag.

Das Finale 2018 von Kiew ist unvergessen – nicht so sehr wegen des 3:1-Sieges der Madrilenen, sondern wegen der Umstände, unter denen er zustande kam. Reals spät eingewechseltem Stürmer Gareth Bale gelang ein Jahrhunderttor, so darf man das wohl sagen nach diesem Fallrückzieher, bei dem er eine halbe Ewigkeit weit oben in der Luft zu verweilen schien, ehrfürchtig bestaunt von Freund und Gegner. Außerdem warf sich Liverpools deutscher Torhüter Loris Karius den Ball zweimal ins eigene Netz, woran ein vorheriger Ellenbogencheck von Reals Verteidiger Sergio Ramos nicht ganz unbeteiligt gewesen war.

Schwerer aber noch wog, dass eben dieser Ramos den Liverpooler Stürmer Mohammed Salah, damals der vielleicht beste Fußballer der Welt, mit einem Foul im Stil eines Catchers frühzeitig aus dem Spiel nahm. »Das war schwer zu akzeptieren«, sagt Jürgen Klopp vier Jahre danach. Dass er ein Jahr später ausgerechnet in Madrid das Verpasste nachholte und die Champions League im Finale gegen Tottenham gewann, erfüllt ihn noch heute mit besonderer Genugtuung.

Und welche Gedanken gehen ihm vor der Neuauflage gegen Real durch den Kopf? Klopp weiß, was das Publikum hören will, aber er weicht aus: »Ich glaube nicht an Rache. Wenn du denkst, dass Rache eine fantastische Sache ist, dann verstehe ich das. Aber es ist nicht das Richtige für uns.«

Aber wer würde Klopp den Terminus »Rache« schon übelnehmen nach dem, was sich im Frühling 2018 in Kiew abspielte. Erinnerungen werden wach. An diese Szene nach einer knappen halben Stunde, Ramos und Salah verhakten sich ineinander, der Spanier spielte den aktiveren Part, er wuchtete den Ägypter nach vorn und fiel beim gemeinsamen Sturz auf Salahs Arm. Kann alles passieren. Aber steckte dahinter vielleicht doch System? Daheim in der Primera Division war Ramos bekannt für grenzwertige Fouls, bei denen er Verletzungen von Gegnern bewusst in Kauf nahm.

Und dann passierte noch etwas anderes in Kiew. Kurz vor dem ersten Tor von Real, Karim Benzema erzielte es mit einem gedankenschnellen Ausfahren des Fußes, nach einem gedanklichen Aussetzer von Loris Karius. Es geschah dies zu Beginn der zweiten Halbzeit und provozierte allerlei Spott, über die Deutschen im Allgemeinen und Karius im Besonderen. Doch unmittelbar vor dieser Szene hatte sich der Ellenbogen von Ramos im Gesicht von Karius verirrt. Nicht so heftig, dass dieser nun hätte behandelt werden müssen. Aber allemal gravierend genug, um Ramos vom weiteren Mitwirken in diesem Finale zu entbinden. Und wer weiß schon, ob es ohne den Check zur folgenschweren Fehlleistung des deutschen Torhüters gekommen wäre, gerade mal zwei Minuten später. Später wurde bei Karius eine Gehirnerschütterung diagnostiziert.

Was ist aus den vier Hauptdarstellern jener Nacht von Kiew geworden? Für Gareth Bale war der sensationelle Fallrückzieher die bis heute letzte Großtat im blütenweißen Trikot Reals. Der Stürmer aus Cardiff fühlte sich schon 2018 in Madrid nicht wertgeschätzt, wurde später für ein Jahr an Tottenham Hotspur verliehen und steht nun in Paris zum letzten Mal im Aufgebot Madrids. Für einen Platz in der Startelf wird es aber nicht reichen. Bales Vertrag läuft aus und wird nicht verlängert.

Sergio Ramos hat Real schon im vergangenen Sommer verlassen und ist bei seinem neuen Klub Paris Saint-Germain nicht glücklich geworden. Loris Karius durfte nach dem Finale von Kiew nie wieder für Liverpool spielen. Er wurde an Besiktas Istanbul verliehen und saß beim 1. FC Union Berlin auf der Ersatzbank, zuletzt hat er seinen in diesem Sommer auslaufenden Vertrag in Liverpool abgesessen. Karius hofft auf ein Angebot aus der Bundesliga, aber das Interesse an seinen Diensten ist überschaubar.

Nur Mo Salah ist immer noch da, mittlerweile 30 Jahre alt und immer noch einer der besten Spieler der Welt. 23 Tore hat er in dieser Premier-League-Saison geschossen, das bedeutet Platz eins in der Torschützenliste, gemeinsam mit Tottenhams Südkoreaner Son Heung-Min. Gerade erst hat der Ägypter verkündet, auf jeden Fall noch ein weiteres Jahr an der Anfield Road zu bleiben. Alles weitere werde sich zeigen, aber so richtig begeistert ist er vom Liverpooler Angebot für eine Vertragsverlängerung nicht. Erst einmal aber gibt es noch etwas zu erledigen, am Samstag in Paris gegen Real, auch wenn Sergio Ramos nicht mehr dabei ist. Manchmal sieht man sich eben doch nicht zweimal im Leben.

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