Inspiration für viele Mietrebellen

Warum die in Spanien ansässige Plattform der Hypothekenbetroffenen bis heute ein internationales Vorbild für den Kampf um Wohnraum ist

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Plattform PAH (Plattform für Menschen, die von Hypotheken betroffen sind) ruft zum Protest in Spanien. Bild: dpa
Die Plattform PAH (Plattform für Menschen, die von Hypotheken betroffen sind) ruft zum Protest in Spanien. Bild: dpa

Viele Mieter*innen, die sich gegen Verdrängung wehren, blicken seit vielen Jahren hoffnungsvoll nach Spanien. Auch deutsche Initiativen wie das Bündnis »Zwangsräumung verhindern« und die Stadtteilinitiative »Hände weg vom Wedding« schauen auf die dort ansässige Plattform der Hypothekenbetroffenen (PAH), die zu einer Inspiration für viele Mietrebell*innen in anderen Städten geworden ist. Auf der internationalen Enteignungskonferenz, die von Freitag bis Sonntag an der Technischen Universität in Berlin stattfand, tauschten diese Gruppen ihre Erfahrungen aus. Doch was macht die PAH so erfolgreich, wie sieht ihr Konzept aus?

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Die Plattform entstand während der großen Proteste im Zuge der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren, als in den Ländern der europäischen Peripherie, auch in Spanien, Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen waren und Plätze besetzt hatten. Diese spektakulären Aktionen waren nach kurzer Zeit wieder abgeebbt, gleichwohl hat die PAH auch nach über zehn Jahren nicht an Anziehungskraft verloren.

Über diese Plattform trafen sich die Mieter*innen von meist kleinen Eigentumswohnungen, was in Spanien die verbreitetste Wohnform ist. Sie hatten für den Kauf ihrer Wohnungen Kredite aufgenommen, die sie während der Wirtschaftskrise nicht mehr zurückzahlen konnten. Die Banken bestanden aber auf der vertragsmäßigen Begleichung der Raten und ließen die Bewohner*innen räumen, wenn sie in Verzug geraten waren. Die Mieter*innen verloren dann nicht nur ihre Wohnung, sondern waren weiterhin mit einem Schuldenberg konfrontiert. Denn die Kredite mussten weiter abbezahlt werden, auch wenn die Wohnung weg war.

Für viele Menschen waren diese traumatisierenden Erfahrungen der Ausgangspunkt einer Politisierung und praktischen Aufklärung über den kapitalistischen Wohnungsmarkt. Dafür gab die PAH ihnen den Raum, in dem sie sich austauschen konnten und überhaupt erst einmal die Angst und die Scham verloren, über den Verlust ihrer Wohnungen zu berichten. »Das Herz der PAH ist die zentrale Beratung, der Ort, an dem wir die Menschen empfangen«, berichtete ein Sprecher der PAH auf der Konferenz in Berlin.

Die Menschen merkten, dass nicht sie die Schuld dafür tragen, dass sie ihre Wohnungen verloren hatten. Und dass nicht individuelle, sondern kollektive Lösungen nötig sind, um ihre Situation zu verbessern. Dabei ging die PAH zweigleisig vor: Sie organisierte Proteste gegen Zwangsräumungen und unterstützte Besetzungen von leerstehenden Gebäuden für Menschen, die bereits ihre Wohnungen verloren hatten. Neben dieser außerparlamentarischen Arbeit machte die PAH aber auch mit Gesetzesinitiativen zugunsten der Mieter*innen Druck auf die Politik. Dabei verließ sie sich nicht auf die etablierten Parteien, die im Zuge der Krise in Spanien stark an Vertrauen eingebüßt hatten. Mitglieder der PAH beteiligten sich an der Gründung von Bürger*innenlisten, die konkrete Forderungen der sozialen Bewegungen vor allem in die Rathäuser der Städte tragen wollten. In Barcelona gewann die Liste »Barcelona en comun« die Wahlen, und mit Ada Colau wurde eine der Gründerinnen der PAH Bürgermeisterin der katalanischen Metropole.

Für die PAH war es eine besondere Herausforderung, ihre außerparlamentarischen Aktivitäten fortzusetzen und gleichzeitig die Stadtregierung, die von einer ehemaligen Aktivistin angeführt wird, von unten zu kontrollieren. Dabei hat es die Organisation geschafft, weiterhin ihre Stärke auch auf der Straße zu behalten und sich nicht in administrative Arbeit einbinden zu lassen. So ist die PAH auch heute noch ein leuchtendes Beispiel: nicht nur dafür, wie man Proteste von Mieter*innen langfristig organisiert, sondern auch dafür, wie man sich von einer linken Regierung nicht vereinnahmen lässt, sie vielmehr von unten kontrolliert und dabei weiter an Ansehen in der Bevölkerung gewinnt. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung hat ein Handbuch über Geschichte und Praxis der PAH erstellt, das kostenlos heruntergeladen werden kann.

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