- Politik
- Kampf für bezahlbaren Wohnraum
Proteste gegen den Wohn-Wahnsinn
In der niederländischen Hauptstadt Amsterdam wird gegen Mietpreiserhöhungen demonstriert
Samstagmittag in Amsterdam. Nach einigen Regentagen ist das Wetter nun wieder gut genug, um draußen zu sitzen. Auf den Tischen einer Brauerei in einer alten Windmühle stehen Biergläser dicht an dicht. Ein Bier kostet hier knapp fünf Euro für 40 cl, aber bei einem Bier bleibt es ja selten, hinzu kommen die Snacks. In geselligen Stunden mit Freunden ist man da schnell mal bei 50 Euro pro Person.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Ein Luxus, den sich viele in Zukunft vielleicht nicht mehr leisten können. Denn in Amsterdam steigen die Mieten. Nicht alle wollen das hinnehmen. Nur eine Straßenecke von der Brauerei entfernt trifft sich eine Gruppe, um gegen den Mietenwahnsinn zu demonstrieren. Rund 70 Personen sind anwesend. Organisiert wird die Aktion von verschiedenen Amsterdamer Mietervereinen und den Gruppen »Niet te koop« (Steht nicht zum Verkauf) und »Wij Weigeren de Huurverhoging« (Wir lehnen die Mieterhöhung ab). Bereits seit drei Jahren in Folge veranstalten sie den Protestmarsch und fordern Menschen dazu auf, Mieterhöhungen nicht zu akzeptieren und stattdessen weiter den alten Mietpreis zu überweisen.
Auf diesem Wege wollen die Aktionsgruppen erreichen, dass die Mieten eingefroren werden. »In den vergangenen zehn Jahren sind die Mieten um mehr als 35 Prozent gestiegen«, kritisiert ein Statement der Initiative gegen Mieterhöhungen: »Mehr als 800 000 Mieter haben nach dem Bezahlen der Miete zu wenig übrig für fixe Kosten und Lebensunterhalt. Wir fordern darum ein mehrjähriges Einfrieren der Mieten (2022–2026), damit Wohnen für jeden bezahlbar ist und bleibt.« Auf ihrer Website zeigen sie zur Unterstützung der Verweigerer einen Schritt-für-Schritt-Plan auf, wie mit Mietforderungen, Mahnungen und (telefonischen) Zahlungsaufforderungen durch den Vermieter umzugehen ist. Das (teilweise) Einbehalten der Miete als Protestform ist in den Niederlanden legal. »Wenn sich genug Menschen an der Aktion beteiligen, dann können wir damit Druck auf die Politik ausüben«, so Abel Heijkamp von »Wij Weigeren de Huurverhoging« gegenüber beim niederländischen Medium »nhNieuws«.
Die Demonstrationen finden seit mehreren Wochen in verschiedenen Städten in den Niederlanden statt – mit Blick auf das Datum 1. Juli, an dem jährlich die Mieten nach oben angepasst werden können. Dabei war die Krise auf dem Wohnungsmarkt eigentlich einer der wichtigsten Punkte auf der Agenda des IV. Kabinetts unter Ministerpräsident Mark Rutte von der konservativ-liberalen Volkspartei. Jährlich 100 000 neue Wohnungen sind in Aussicht gestellt worden. Bei wenigstens zwei Dritteln davon soll es sich um für den Normalbürger bezahlbare Miet- und Eigentumswohnungen handeln.
Um Anreize für Wohnungsbaugesellschaften zu schaffen, mehr zu bauen, soll die umstrittene Vermieterabgabe, eine Steuer auf Sozialwohnungen, abgeschafft werden. Die bei den Wohnungsbaugesellschaften dadurch frei werdenden Mittel müssen unter anderem für den Bau von erschwinglichen Mietwohnungen verwendet werden. Mit den Unternehmen werden dazu verbindliche Vereinbarungen getroffen. Um den akuten Wohnungsmangel für Studenten, Arbeitsmigranten, Flüchtlinge und Obdachlose zu beheben, müssen jedes Jahr etwa 30 000 zusätzliche Wohnungen geschaffen werden. Für die eine Hälfte dieser Gruppen soll neu gebaut werden, die andere Hälfte soll in umgebauten Bürohäusern untergebracht werden, plant die Regierung.
Auch das Problem der Wohnkosten wird angegangen. Die Sozialmiete für Menschen mit geringem Einkommen wird gesenkt. Außerdem erhalten Häuser mit mittlerer Miete eine Mietpreisgarantie. In der Zwischenzeit wird die Miete für Personen mit höherem Einkommen schrittweise angehoben. Erlaubt sind nach den Festlegungen des Kabinetts Rutte maximal 3,3 Prozent. Trotzdem gibt es immer wieder Vermieter, die versuchen, darüber hinauszugehen, manchmal sogar mit Erhöhungen von bis zu zehn Prozent.
Solche Machenschaften hat auch Katerina Manousakis bereits erlebt. Die US-Amerikanerin lebt seit mehreren Jahren in Amsterdam und arbeitet freiberuflich als Englischlehrerin. Für ihre Wohnung ist eine Größe von 85 Quadratmetern ausgewiesen. Derzeit zahlt sie dafür 2120 Euro kalt. Die neue monatliche Miete sollte 2247 Euro betragen. Das entspricht einer Erhöhung um rund 6 Prozent. Manousakis sah das nicht ein und informierte sich online über das aktuell geltende Mietrecht in den Niederlanden: »Ich habe ihm mit einen Screenshot gezeigt, dass maximal eine Erhöhung von drei Prozent zulässig ist.« Doch der Vermieter habe argumentiert, dass dies in ihrem Fall nicht gelte, weil die Wohnung möbliert sei. »Das stimmt allerdings auch nicht«, so Manousakis. »Ich denke, er hat es einfach versucht und wollte sehen, wie weit er damit kommt. Eine Person, die ihre Rechte nicht kennt und nicht genug Niederländisch kann, um die Gesetze zu lesen, hätte es vielleicht hingenommen.«
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