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Pro Mietendeckel Potsdam
Bürgerinitiative übergibt neun Aktenordner mit Unterschriften
Gut 17 200 Unterschriften übergibt die Bürgerinitiative für einen Mietendeckel in Potsdam am Dienstag gegen 15 Uhr im Rathaus der Stadt. Die Unterschriften werden jetzt vom Kreiswahlleiter geprüft. 14 500 gültige von wahlberechtigten Einwohnern sind für einen Erfolg des Bürgerbegehrens erforderlich.
Die Hürden für solche Begehren sind hoch in Brandenburg, wenn man die Bedingungen mit denen im Nachbarland Berlin vergleicht. Dort müssen nur sieben Prozent der wahlberechtigten Einwohner unterschreiben, hier sind es zehn Prozent. Außerdem werden in Brandenburg beide Unterschriften gestrichen, wenn jemand aus Versehen doppelt unterschreibt. Bei einer Sammelfrist von einem Jahr kann es aber durchaus vorkommen, dass Bürger vergessen, dass sie vor Monaten schon einmal unterschrieben haben. Deshalb ist bei der Einreichung der Listen ein Puffer von ein paar Tausend Unterschriften ratsam.
Wegen der Corona-Pandemie war die Sammeltätigkeit eingeschränkt. Doch am 14. Mai kamen zu den 40 Potsdamer Aktivisten noch 50 Helfer von der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen aus Berlin – darunter auch nd-Geschäftsführer Rouzbeh Taheri, der im Stadtteil Bornstedter Feld mit den Listen unterwegs war. 880 Unterschriften kamen allein an diesem einen Tag für das Bürgerbegehren zusammen. Indirekt hat »nd« das Begehren auch auf andere Weise unterstützt. Der wohl fleißigste Unterschriftensammler Lutz Boede hatte vor Wochen berichtet, dass vergleichsweise wenige Bürger aus dem DDR-Neubaugebiet Am Stern unterzeichnet haben. Nachdem das in der Zeitung stand, seien Leute von dort extra zu einem Stand in Potsdam-Babelsberg gekommen, um sich dort in die Listen einzutragen, erzählt Boede. »Das wollen wir nicht auf uns sitzen lassen«, haben sie ihm erklärt.
Die allerletzten Unterschriften sammelt die Initiative am Dienstag in den Stunden unmittelbar vor der Abgabe der Listen an einem Stand vor dem Rathaus. Dort trägt sich dann auch noch eine 1942 geborene Frau ein. Da sie ihre Lesebrille nicht dabei hat, lässt sie sich für jede Spalte von Lutz Boede ansagen, wo sie ihren Namen, ihr Geburtsdatum und ihre Adresse eintragen und wo sie unterschreiben muss. »Danke«, sagt Lutz Boede, als das erledigt ist. »Wir müssen danken«, entgegnet die Frau freundlich.
Angesichts der Wohnungsnot und der Explosion der Mieten in der Kommune fällt die Initiative auf fruchtbaren Boden. Den privaten Vermietern kann die Stadtverwaltung allerdings keine derartigen Vorschriften machen. Darum zielt das Volksbegehren darauf ab, Mieterhöhungen bei der kommunalen Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam auf maximal ein Prozent innerhalb von fünf Jahren zu begrenzen. Etwa 20 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes in der Stadt gehören dieser Gesellschaft, erläutert Anja Heigl, Vertrauensperson des Bürgerbegehrens. Der Mietendeckel würde sich damit dämpfend auf die im Mietspiegel erfassten ortsüblichen Vergleichsmieten auswirken. So wären indirekt auch allen anderen Vermietern in einem gewissen Umfang Zügel angelegt.
Gegen eine Begrenzung der Mieten gibt es in der Kommunalpolitik an sich wenig Widerspruch, wohl aber gegen die Art und Weise, wie das laut Bürgerbegehren bewerkstelligt werden, und gegen den Umfang, in dem das geschehen soll. So verrät der Stadtverordnete Pete Heuer (SPD), der am Dienstagvormittag mit dem Rad zum Rathaus kommt, seine Fraktion sei geschlossen gegen den seiner Ansicht nach drastischen Mietendeckel. Mit nur noch einem Prozent Mieterhöhung alle fünf Jahre werde die Pro Potsdam »stranguliert«, glaubt Heuer. Sie könne nicht mehr ihren Eigenanteil aufbringen für die Finanzierung oder auch für die Fördermittel für den dringend notwendigen Neubau von Wohnungen. »Die privaten Vermieter klatschen in die Hände«, prophezeit der Stadtverordnete. Diese hätten dann den Markt für den Neubau von Wohnungen in Potsdam ohne die lästige Konkurrenz des kommunalen Unternehmens. Im Moment führt die Pro Potsdam keine Gewinne an die Stadt ab, und über die verlangte Durchschnittsmiete von rund sieben Euro kalt je Quadratmeter könne man nicht meckern.
Auch Linksfraktionschef Stefan Wollenberg ist skeptisch. »Der Erfolg des Bürgerbegehrens zeigt, wie hoch der Druck auf den Potsdamer Mietmarkt ist. Es ist ein wichtiger Beitrag für die weitere Debatte«, bemerkt er erst einmal. »Der Mietendeckel gehört in den Instrumentenkasten auch kommunaler Unternehmen«, findet Wollenberg. Aber er müsse so ausgestaltet werden, dass der notwendige Neubau von Wohnungen noch möglich sei. In der Linksfraktion ist die Meinung darüber jedoch nicht einhellig. Die Stadtverordneten Isabelle Vandré und Anja Günther beispielsweise haben selbst beim Sammeln der Unterschriften geholfen.
Unterzeichnet haben übrigens auch Mieter der Wohnungsgenossenschaften PWG 1956 und »Karl Marx« – aus Solidarität und weil sie an ihre Kinder und Enkel denken, wie sie der Vertrauensperson Anja Heigl geschildert haben. Mit ihren Genossenschaften hätten sie überhaupt kein Problem.
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