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Gegen Dämonen und Faschisten
In der vierten Staffel von »Stranger Things« kämpft wieder eine Gruppe Teenies gegen Vereinzelung und Kleinstadt-Horror
Kaum eine Serie war in den vergangenen Jahren so ein Publikumsmagnet für den derzeit ökonomisch angeschlagenen Streamingdienst Netflix wie die Fantastik-Serie »Stranger Things«. Die geht nun in eine vierte Staffel, nachdem die Hauptdarsteller, die zu Beginn noch Kinder waren, plötzlich zu pubertierenden Teenagern herangewachsen sind. Dementsprechend jagen die adoleszenten Anti-Helden aus der von finsteren Mächten heimgesuchten Kleinstadt Hawkins im Rust-Belt von Indiana auch nicht mehr auf ihren BMX-Bikes durch die Gegend wie einst die Hauptdarsteller im SF-Klassiker »E.T« (1982). Mittlerweile wird das Jahr 1986 geschrieben. Erneut beginnt ein Dämon, die Bewohner heimzusuchen. Er kommt aus dem unter der Kleinstadt in einer anderen Dimension liegenden Anti-Hawkins, das ein Stück weit an den Höllenschlund in der bei Kapitalismusgegnern so beliebten Serie »Buffy« (1997–2003) erinnert. Es werden schrecklich verstümmelte Leichen gefunden, und bald ist für einige besorgte Bürger und religiöse Fanatiker klar, dass dies mit dem Hellfire-Club zusammenhängen könnte, der aber nur eine Vereinigung von Dungeons and Dragons-Spielern ist, in dem auch die jugendlichen Stars der Serie Mitglieder sind.
Also machen die Kleinstadtfaschisten Jagd auf die sympathischen Nerds, die sich wieder einmal erst zusammenraufen müssen, um sich als Kollektiv gegen das bedrohliche Böse aus dem Jenseits und gegen die Hexenjagd der dummen rechten Spießer zu organisieren. Das Grundschema der Serie »Stranger Things« erzählt davon, wie eine Reihe junger Menschen ihre Atomisierung überwindet und Solidarität herstellt. Insofern lässt sich dieses Narrativ ebenso wie in der Serie Buffy als Analogie auf linke politische Kleingruppenprozesse lesen. Dieses Mal müssen aber erst einmal die in alle Winde verstreuten Mitglieder der immer größer werdenden Gang zusammengetrommelt werden. So geht es wie im Road-Movie für Elfie (Millie Bobby Brown), Will (Noah Schnapp) und Mike (Finn Wolfhard) auf der Flucht vor Sicherheitsbehörden von Kalifornien über Utah nach Indiana, während der Rest der Truppe sich mit dem rechten Mob herumschlägt. Sie landen in einem wirklich gruseligen Spukhaus, und beinahe kommt eine Freundin ums Leben, die von dem aus dem Dungeons-and-Dragons-Spiel entlehnten Dämon Vecna gejagt wird.
»Stranger Things« ist ein knalliges intertextuelles Feuerwerk, das jede Menge Zeitgeschichte und Alltagskultur von der neuen Pepsi bis zum Tom-Cruise-Poster inszeniert, aber auch auf unzählige Filme aus den trendigen 1980ern verweist. Im Fantastik-Bereich gibt es eh seit einigen Jahren einen regelrechten 80er-Vintage-Retro-Hype, der nirgendwo so stilprägend umgesetzt wird wie in »Stranger Things« inklusive Klamotten, Autos und Inneneinrichtungen. Dazu gibt es jede Menge Popmusik, etwa von Falco, der sogar auf einer kalifornischen Skaterbahn zu hören ist, und Kate Bushs Gassenhauer »Running Up That Hill« verleihen dem eh schon actiongeladenen Drama immer wieder einen noch schnelleren Rhythmus. Außerdem gibt es unterirdische Geheimlabore, ziemlich gruseligen Horror im Stil von »Der Exorzist«, einen sibirischen Gulag, eine Folterkammer im amerikanischen Geheimgefängnis, aufwändige Recherchen im kleinstädtischen Bibliotheksarchiv, stundenlange und aufreibende Sessions Dungeons und Dragons, Teenager-Romanzen und dazu eine ganze Reihe frecher und pointierter Dialoge.
Beachtlich ist das Tempo, mit dem das alles in genial ineinandergeschobenen Handlungsebenen erzählt wird. Dabei sind die neun Episoden in dieser vierten Staffel kaum kürzer als 75 Minuten. Die ersten sieben Folgen gibt es seit Ende Mai zu streamen, am 1. Juli folgt dann mit zwei Episoden in knapp vier Stunden Länge das Staffel-Finale dieser Kult-Serie, die wie kaum ein anderes Stück TV-Unterhaltung generationenspezifisch auf die späten Babyboomer und die frühen Vertreter der »Generation X« zugeschnitten ist. Für viele Zuschauer bietet »Stranger Things« fast so etwas wie einen Blick in die eigene Jugend. Und gleichzeitig schafft es dieser ungewöhnliche Mix aus Fantasy, Horror und Science-Fiction mit Anleihen unter anderem bei George Romeros Zombiefilmen, Ridley Scotts »Alien« und vielen anderen Klassikern ein überraschend breites Publikum für das Fantastik-Genre zu begeistern.
Die Episoden 1 bis 7 verfügbar auf Netflix. Ab 1. Juli sind die finalen Episoden 8 und 9 dieser Staffel zu sehen.
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