- Berlin
- Geflüchtete
Fachkräfte willkommen!
Nora Noll hält den Fokus auf die Arbeitskraft Geflüchteter für gefährlich
»Arbeit ist Integration«, hat der IHK-Präsident Daniel Girl zur Eröffnung der Jobmesse für ukrainische Geflüchtete gesagt. Dem ist erst mal zuzustimmen: Eine Arbeitserlaubnis ermöglicht Selbstbestimmung, gerade für Menschen, die seit Monaten oder sogar Jahren finanziell fremdbestimmt leben müssen. Sei es in Sammelunterkünften, wo sie auf ihren Asylbescheid warten und nach dem Asylbewerberleistungsgesetz unterhalb des Existenzminimums versorgt werden, oder sei es in Kettenduldungen, bei denen der ungesicherte Aufenthalt jegliche Zukunftsplanung verhindert. Selbst mit einem informellen Job können sich Menschen in solchen Situationen etwas Freiheit zurückholen und an der Gesellschaft teilhaben – sich dadurch also (so schlimm das Wort auch ist) »integrieren«.
Aber so oft, wie die »gute Ausbildung« und der »Zugang zum Arbeitsmarkt« ukrainischer Neuankömmlinge betont wird, sollte die Verknüpfung von Migration und Arbeit doch stutzig machen. Sind Migrant*innen nur erwünscht, wenn sie im Amazon-Lager Kisten schleppen, die Hintern deutscher Senior*innen abwischen oder auf dem Fahrrad Pad Thai nach Prenzlauer Berg liefern? Wenn Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) von Migration als »Chance« spricht, denn schließlich gebe es in Deutschland »ein großes Wachstumshemmnis, und das ist der Fachkräftemangel«; ja, dann liegt die Vermutung nahe, dass das Menschenrecht auf Asyl eigentlich nur für die wirtschaftlich Nutzbaren gilt.
Wirklich nützlich sind dann natürlich diejenigen, die sich in prekären Jobs ausbeuten lassen. Sich auf Neuzugänge zu verlassen, die in existenziellen Nöten nicht so genau auf die Arbeitsbedingungen schauen können, ist eine billigere Lösung für den sogenannten »Fachkräftemangel«, als Arbeitsbereiche wie Pflege, Bildung oder Handwerk tatsächlich attraktiver zu machen. Und alle, die sich aus körperlichen, psychischen oder sonstwelchen Gründen nicht derart »ausnutzbar« machen können, erreicht die Botschaft: Du bist hier nicht willkommen. Wenn Arbeit zu Integration führt, bedeutet das für alle Arbeitslosen, Arbeitsverweigerer und Arbeitsmarktausgeschlossenen, dass sie an der Gesellschaft nicht teilhaben können.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.