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Die Tür öffnet sich – langsam

Das Berliner Partizipationsgesetz praktisch umzusetzen, ist keine geringe Herausforderung

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 6 Min.

»Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit«, sang die Band Tocotronic vor vielen Jahren. Das Land Berlin hingegen ist längst bereit, man könnte auch sagen überfällig: für den von vielen geforderten grundlegenden Kulturwandel in der Verwaltung. Denn die ist in ihrer Zusammensetzung weit davon entfernt, eine Stadtgesellschaft abzubilden, in der mindestens 37 Prozent der Menschen eine Migrationsgeschichte haben.

»Wir können uns das nicht leisten«, sagt die Berliner Beauftragte für Integration und Migration, Katarina Niewiedzial, dazu. Sie hat maßgeblichen Anteil daran, dass mit dem Berliner Partizipationsgesetz eine gute Idee in eine juristische Form gegossen wurde, die nun ihrer praktischen Umsetzung harrt – und damit, geht es nach der Beauftragten, aber auch zahlreichen zivilgesellschaftlichen Organisationen, Unternehmen und sogar mancher Verwaltungsbehörde selbst, sollte keine Zeit vertan werden.

Plastischer als »Gesetz zur Förderung der Partizipation in der Migrationsgesellschaft des Landes Berlin« findet Katarina Niewiedzial den schönen Namen »Gesetz der offenen Tür«, denn auch so heißt die Novelle des Berliner Partizipationsgesetzes, die vor knapp einem Jahr verabschiedet wurde.

Der Vorläufer, das Partizipations- und Integrationsgesetz, war im Jahr 2010 auf Initiative des Landesbeirats für Integrations- und Migrationsfragen entstanden. Aber es hat, so heißt es sinngemäß auf der Internetseite der Migrationsbeauftragten, zu wenig Wirkungskraft entfaltet. Berlin war damals zwar das erste Bundesland, das ein solches Gesetz verabschiedet hatte. Doch nach zehn Jahren und einer gründlichen Evaluation sei klar geworden: »Das Gesetz ist noch zu wenig bekannt, die darin festgehaltenen Vorgaben sind zu wenig konkret und folglich zu wenig umgesetzt.«

Um das zu ändern, hat man in der Novelle unter anderem festgelegt, dass bei der Besetzung von öffentlichen Stellen Menschen mit Migrationshintergrund in besonderem Maße berücksichtigt werden. Überdies sollen verbindliche Regelungen bei Stellenausschreibungen gelten, mit denen mehr Menschen mit Migrationsgeschichte gezielt angesprochen werden. Förderpläne und Zielvorgaben werden für alle öffentlichen Stellen des Landes eingeführt. Eine Fachstelle und verschiedene Beiräte sollen den Prozess begleiten.

Um die Vorhaben direkt auf ihre Praxistauglichkeit zu prüfen, wurden fünf Bezirks- und Landeseinrichtungen ausgewählt, die bereits mit der Umsetzung begonnen haben. Sie sind dabei Teil des Projektes »Berlin braucht dich!« von BQN Berlin. Die Organisation berät Behörden, Landesunternehmen und privatwirtschaftliche Einrichtungen und Betriebe im Hinblick auf Diskriminierung beziehungsweise eine diskriminierungskritische Organisationsentwicklung. Als solche begleitet sie nun das Bezirksamt Mitte, die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), das Bezirksamt Reinickendorf, das Pestalozzi-Fröbel-Haus (Schöneberg) und die Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg.

Bei einem Workshop erklären Beschäftigte der beteiligten Behörden und Betriebe am Donnerstagnachmittag, was sie in ihren Häusern an Veränderungspotenzial ausgemacht haben. »Wir brauchen Beschwerdestellen, die wirklich angenommen werden, die wirklich hilfreich sind«, sagt zum Beispiel Stefan Fuerst, Diversity Manager bei der BVG. Die BVG gilt zwar mit Beschäftigten aus über 50 Nationen als diverses Unternehmen. Aber nur, wenn von Diskriminierung Betroffene, Netzwerker, und die Führungsebene zusammenkommen, können Instrumente entwickelt werden, die über die Außenwirkung hinaus den Landesbetrieb strukturell verändern können.

Auch im Bezirksamt Reinickendorf habe man durch Abfragen feststellen müssen, dass »unsere Türen nicht so offen sind, wie wir denken«, erklärt eine Vertreterin. »Aber wir wollen das Partizipationsgesetz mit Leben füllen, eine interne Kommunikationsstrategie und ein Leitbild für ein diversitätsorientiertes Personalmanagement mit einem Großteil der Abteilungen entwickeln.«

Im über 60-köpfigen Team der Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg fehlen ganz viele Perspektiven, berichtet die Koordinatorin für das Diversity Management der Einrichtung, Franziska Haberland. »Die Bevölkerung soll sich in unserem Haus wiederfinden können« – dies sei Wunsch der Beschäftigten, aber der Realität entspricht es nicht unbedingt.

»Es ist kein Selbstläufer«, betont Katarina Niewiedzial. Denn: Der Kulturwandel und die Organisationsentwicklung, die man erreichen wolle, müssten »immer im Kontext einer modernen Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts« gedacht werden. Eine Dimension, die mehr braucht als guten Willen.

»Die Absicht allein reicht nicht, es braucht auch die entsprechende Wirkung«, bestätigt Integrations- und Arbeitssenatorin Katja Kipping (Linke). Für ihre Verwaltung, betont Kipping, sei die Umsetzung des Partizipationsgesetzes das Kernprojekt dieser Wahlperiode. Denn wenn Vielfalt und Migrationsgesellschaft nicht repräsentiert seien, verringere das auch die Akzeptanz der Verwaltung durch die Bevölkerung.

Obwohl es viele junge Menschen in Berlin gibt, die Arbeit suchen – der öffentliche Dienst erscheint denjenigen, die über eine Migrationsgeschichte verfügen, kaum als der geeignete Ort ihrer beruflichen Zukunft: sie werden schlichtweg nicht adressiert. Doch gerade vor dem Hintergrund des anhaltend drastischen Personalmangels mit Tausenden unbesetzten Stellen, »kann man nicht so weitermachen, dass man ein Drittel der Menschen, in der jungen Generation sogar knapp die Hälfte, auf diese Art und Weise außen vorhält«, sagt die Senatorin.

Neben Überalterung ist mangelnde Diversitätsorientierung ein offenkundiges Problem. Diese beruhe dabei häufig auf Gewohnheiten, die nicht infrage gestellt werden, so Kipping: die Art der Ausschreibung für eine Stelle, die gebrauchten Vokabeln, auch die Platzierung. »Man kann am Kotti für die Verwaltung mit Bildern von blonden, blauäugigen Menschen werben – man kann es aber auch lassen«, polemisiert die Linke-Politikerin etwas. »Berlin braucht die klugen Köpfe, die geschickten Hände, die Erfahrungen und das Wissen aller Berlinerinnen und Berliner – ob als Auszubildende oder Führungskräfte«, betont Kipping.

Dafür braucht es einen Kulturwandel bei Personalauswahlprozessen, erklärt Birgit zur Nieden, Referentin der Abteilung Integration und Migration der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales. »In vielen Personalbereichen gibt es eine Ausrichtung entlang bestimmter Kriterien. Auch migrationsgesellschaftliche Kompetenz ist eine Fachkompetenz, auch wenn dies so in der Regel nicht gesehen wird«, meint zur Nieden.

»Der Prozess des Auswahlverfahrens in unserem Fachbereich ist komplex, da hier so viele Ebenen involviert sind, die Fachbereichsleitung und Ausbildungsleitung, aber auch die Personalstelle, der Personalrat sowie die verschiedenen Vertretungen – für Menschen mit Behinderungen, für Frauen, für Jugend«, erklärt Franziska Haberland in Bezug auf die Stadtbibliothek Tempelhof-Schöneberg. Dass es bisher auf Bezirksebene strukturell noch keine Vertretung für Menschen mit Migrationsgeschichte gebe, mache es nicht leichter. Auch fehlten bislang »konkrete Handlungsanweisungen und Indikatoren zur Operationalisierung von Seiten des Senats, um das PartMigG in der Praxis anzuwenden«.

Trotz dieser Herausforderungen erlebe sie grundsätzlich eine große Offenheit im Bezirk, sich diesen Prozessen zu stellen, so Haberland. »Aber es ist eben ein Prozess, wo wir erst am Anfang stehen und der auch nicht irgendwann ›fertig‹ sein wird.« Die Stadtbibliothek sieht sie als eine Art Vorreiterin. »Wir haben uns gefragt: An welchem Punkt des Verfahrens verlieren wir welche Bewerber*innen? Wie können wir mögliche Barrieren identifizieren und abbauen? Wie können positive Maßnahmen rechtlich wasserdicht umgesetzt werden, um dem Partizipationsgesetz gerecht zu werden?«, erklärt die Diversitätsbeauftragte. Diese »Reflexions- und Veränderungsprozesse« seien »manchmal aufwühlend, anstrengend und herausfordernd«, zumal all dies neben dem normalen Alltagsbetrieb laufen muss, sagt Haberland. Daher brauche es genug zeitliche und personelle Ressourcen. »Gleichzeitig erlebe ich hochmotivierte Kolleg*innen, die mit vielen Ideen und Eigeninitiative das Thema angehen und Strukturen verändern wollen.«

Schulungen, Fortbildungen, Quoten, Leitbilder, Kommunikation – zum Beispiel durch die Auswahl von Fotografien auf den Plattformen: Die Liste der möglichen Schritte im Veränderungsprozess ist lang. Aber: »Wir können nicht warten, bis Diversität sich von allein einstellt«, sagt Birgit zur Nieden. Das dürften die am Workshop Beteiligten ähnlich sehen.

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