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Vereint kämpfen für mehr Bahn

Berlin und Brandenburg machen nun gemeinsam Druck für Bundesgeld

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 6 Min.

»Wir müssen größer und besser denken«, sagt Alexander Kaczmarek, Bevollmächtigter der Deutschen Bahn für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern am Freitag. »Bisher war es immer so: Wenn wir etwas geplant und gebaut haben, war es immer schon zu klein, wenn es fertig war«, berichtet er.

Doch nun soll alles anders werden. Den Auftakt dafür bildet der Bahngipfel Berlin-Brandenburg, bei dem die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey und Ministerpräsident Dietmar Woidke (beide SPD) zusammen mit Daniela Kluckert (FDP), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, sowie Vertreter der Deutschen Bahn und des Eisenbahn-Bundesamtes rund dreieinhalb Stunden im ehemaligen Kaiserbahnhof am Halt Potsdam-Park Sanssouci konferierten.

»Wir haben massiven Ausbaubedarf, wenn wir die Verkehrswende schaffen wollen«, sagt Giffey auf der Pressekonferenz in der prächtigen Gleishalle des ehemaligen Bahnhofs, die nun ein Schulungszentrum der Deutschen Bahn ist. Schließlich handele es sich beim Hauptstadt-Ballungsraum um eine der am stärksten wachsenden Regionen Deutschlands und Europas mit einer halben Million Pendlerinnen und Pendlern täglich.

»Wir haben uns mit dem Bund verständigt, dass es eine Bereitschaft gibt, in den Austausch zu kommen«, formuliert es Giffey etwas vage. Die beiden Länder, der Bund und die Bahn werden sich in einer Taskforce »in den nächsten Wochen und Monaten« über die Projekte unterhalten, »und wir werden bis zum nächsten Bahngipfel im nächsten Jahr zu konkreten Ergebnissen kommen«, verspricht die Regierende.

Dabei ginge es um zusätzliche Projekte zu den zusammen auf rund 8,5 Milliarden Euro veranschlagten Vorhaben des Infrastruktur-Ausbauprogramms i2030. Dort wird beispielsweise der bis zu sechsgleisige Ausbau der Strecke von Spandau ins Havelland oder der Wiederaufbau der Potsdamer Stammbahn von Berlin über Zehlendorf nach Potsdam planerisch vorangebracht. Letztere könnte im Jahr 2038, zum 200-jährigen Jubiläum der erstmaligen Streckeneröffnung 1838 fertig sein, mit etwas Glück wenige Jahre früher. Für die Strecke Richtung Falkensee inklusive S-Bahn dürfte ein ähnlicher Realisierungshorizont realistisch sein.

Vertreter des Eisenbahn-Bundesamtes, der Genehmigungsbehörde für Aus- und Umbauten, hätten in der Runde dargelegt, »wie sie die Planungsbeschleunigung und Verbesserung bei der zeitlichen Schiene voranbringen wollen«, berichtet Giffey. »Wir verbringen 60 Prozent der Zeit mit Planung und Genehmigung und nur 40 Prozent mit dem Bau von Strecken«, sagt Jens Bergmann, Vorstand Infrastrukturplanung und -projekte bei DB Netz. Da es beim Bau physikalische Grenzen bei der Beschleunigung gebe, sei Zeit vor allem bei der Planung zu gewinnen, so seine Überzeugung.

»Dass der Bund sich an der Taskforce beteiligt, ist ein sehr, sehr gutes Signal«, sagt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke. Dabei soll es sich nicht um irgendeine Plauderrunde handeln. Er sieht die Brandenburger Taskforce Tesla als Vorbild dafür an, die nicht nur »auf horizontaler Ebene«, also zwischen den verschiedenen Ministerien und Landesämtern integriert gearbeitet habe, sondern auch »auf vertikaler Ebene«, also zusammen mit dem Landkreis und der Gemeinde.

Durch die nun enge Kooperation von Berlin und Brandenburg könne man »gemeinsam ein deutlich höheres Kampfgewicht auf die Matte bringen und gemeinsam unsere Interessen auf den verschiedenen Ebenen vertreten«, sagt Woidke.

Brandenburg brauche neue Gewerbegebiete, sagt er in Bezug auf den Braunkohleausstieg in der Lausitz. »Jede einzelne Ansiedlung setzt eine funktionierende Logistik für die Wirtschaft, aber auch für den Personennahverkehr voraus«, so Woidke weiter. Und da komme aus Klimaschutzgründen die Eisenbahn ins Spiel. »Die Bahn spielt eine völlig neue Rolle. In den 90er Jahren hieß es Individualverkehr vor Öffentlichem und Schienenpersonennahverkehr. Das waren Jahre, die haben uns wahnsinnig viel Zeit gekostet«, so Woidke.

Sicherlich in Richtung finanzielle Verantwortung des Bundes gerichtet, spricht der Ministerpräsident auch davon, dass es beim Streckenausbau oft auch um die Wiederherstellung des Vorkriegszustands geht. »Es gilt nachzuholen, was an Reparationsleistungen an die Sowjetunion Ende der 40er Jahre hauptsächlich aus der DDR geleistet worden ist«, sagt er. Bei vielen Hauptstrecken wurde das zweite Gleis demontiert, manche Nebenstrecke wurde sogar ganz abgebaut. Der DDR fehlte oft die wirtschaftliche Kraft, diese Einschränkungen zu beheben, die Teilung Deutschlands sorgte dafür, dass gerade im Berliner Raum auch kein Bedarf zu erkennen war.

Die zusätzlichen Strecken sind zum Beispiel die Ostbahn: Der Abschnitt von Berlin in den polnischen Grenzort Kostrzyn soll zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert werden. »Wenn man sich im Güterbahnhof Frankfurt-Oderbrücke anguckt, was sich da stapelt, weiß man, dass man dringend Entlastung braucht«, sagt der Bahn-Bevollmächtigte Alexander Kaczmarek. Bei vielen Projekten gebe es »Überkreuz-Rentabilitäten«, sagt er. Also nur, wenn die Vorteile für Güter- und Personenverkehr zusammengedacht werden.

Kaczmarek spricht neben Elektrifizierung und Ringschluss der derzeit nur für Güterzüge genutzten Gleise am Berliner Südring zwischen Westkreuz und Treptow auch den Wiederaufbau der Fernbahnstrecke der Nordbahn auf Berliner Gebiet an. Zwischen Hohen Neuendorf und Schönholz liegen derzeit nur die Gleise der S1. Damit ließen sich die »Fahrtzeiten und die Leistungsfähigkeit Richtung Ostsee verbessern«, so der Bahn-Mann, außerdem könnte der Eisenbahnknoten Karower Kreuz und die Stettiner Bahn entlastet werden, über die die Züge aus Stralsund seit 1952 in die Hauptstadt geleitet werden. Es stimme ihn »sehr hoffnungsfroh« für die Realisierung der zahlreichen Projekte, dass »mit dem Bund nun der Partner hinzugekommen ist, den wir brauchen«, sagt Kaczmarek.

Valide Kostenschätzungen für die neu hinzukommenden Projekte gibt es nicht. Ministerpräsident Woidke spricht von »einem zweistelligen Milliardenbetrag für die kommenden zehn Jahre«, der benötigt werde. Das wäre »die größte Investition in den Ausbau des Schienenverkehrs seit Bestehen des Landes Brandenburg«. Und er verbreitet Zuversicht, dass der Bund ausreichend Geld gibt. »Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bundesregierung alles dafür tun wird, die im Koalitionsvertrag festgelegten Projekte umzusetzen«, sagt Woidke.

Staatssekretärin Kluckert vom Bundesverkehrsministerium bleibt eher unverbindlich in der versandten Presseerklärung. Es sei »genau richtig, frühzeitig in Projekte wie i2030 zu investieren«, lobt sie die Länder. »Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen in den kommenden Jahren von besseren Schienenverbindungen und -infrastrukturen profitieren«, lässt sie sich weiter zitieren. Eine verbindliche Zusage lässt sich aus den Sätzen nicht herauslesen.

Dabei gilt es, frühere Fehler dringend zu vermeiden. In der Sitzung des Mobilitätsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses am Mittwoch nannte Alexander Kaczmarek Beispiele, was dabei herauskommt, wenn zunächst zu knapp geplant wird. Beim nachträglich vom Land Berlin bestellten Regionalbahnhalt Buckower Chaussee an den im Wiederaufbau befindlichen Ferngleisen der Dresdner Bahn im Süden Berlins sei »weniger die bauliche Einordnung« das Problem, sondern die »fahrplantechnische Integration dieses Halts«. Regionalbahnen würden die Fernzüge Richtung Dresden ausbremsen, die Streckenkapazität würde sinken. »Vielleicht ist das eine Aufgabe für die Digitalisierung des Netzes«, so Kaczmarek. Aus Fahrplangründen genauso problematisch wäre der ebenfalls vom Senat bestellte Bau des nahe gelegenen zusätzlichen Bahnhofs Kamenzer Damm an der S2. »Das wäre erst in einen sinnvollen Zusammenhang zu setzen mit dem abschnittsweise zweigleisigen Ausbau der S2 nach Norden«, sagt Kaczmarek. Tatsächlich könnte nur der letzte Abschnitt vor Bernau so ausgebaut werden, was auch den lange ersehnten Zehn-Minuten-Takt möglich machen würde. Die Unzuverlässigkeit wegen der weiter vorhandenen eingleisigen Abschnitte würde aber bleiben.

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