Doch keine DJ-Zukunft für Captain Future

Der Fetischclub Kitkat distanziert sich halbherzig von Querdenker Michael B.

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.

Gelber Umhang, gelbe Augenmaske und ein Megafon im Anschlag, um die Leute anzuheizen – Michael B. wurde in seinem »Captain Future«-Kostüm als Animateur der Berliner Querdenken-Proteste bekannt. Videos zeigen ihn, wie er im Lockdown-Winter 2020 mit einer Gruppe Gleichgesinnter zu dem umgedichteten Schwurbler-Hit »Ein bisschen Sars muss sein« maskenlos in der S-Bahn tanzte oder, ebenfalls alle Hygiene-Maßnahmen zu Pandemie-Hochzeiten missachtend, einen Supermarkt mit einer Polonaise stürmte.

Vergangene Woche sorgte B. für Aufregung in der Berliner Club-Szene. Er war als DJ von der Veranstaltungsreihe Mystic Rose zum 17. Juni in das Kitkat, den beliebten Techno- und Fetischclub in der Köpenicker Straße, eingeladen worden. Nach empörten Reaktionen erklärte der Verantwortliche hinter der Psytrance-Partyreihe am Sonntag in einem Statement auf Facebook Michael B. für ausgeladen. In der Stellungnahme distanzierte sich der Veranstalter Ingo Damm alias »Ananto« allerdings nicht von »Captain Future«. »Ich habe ihn gebucht als DJ, nicht als Politaktivist«, hieß es in dem öffentlichen Facebook-Post. Ein Nazi sei B. »definitiv nicht«, nicht einmal rechtsoffen. Mit Kopfschmerzen habe er B. ausgeladen, um die Situation nicht weiter »eskalieren« zu lassen.

Für eine Bewertung von B.s ideologischer Schlagrichtung reicht ein Blick auf sein Umfeld und seine Äußerungen aus den vergangenen zwei Pandemie-Jahren. Auf den sogenannten Freiheits-Paraden protestierten B. und seine Entourage neben bekannten rechtsextremen Gesichtern wie Nikolai Nerling (»der Volkslehrer«) und AfD-Politiker*innen. Ein Foto des Recherchenetzwerks Berlin zeigt, wie er neben dem extrem rechten Berliner AfD-Politiker Andreas Wild posiert.

Michael B. selbst verglich in einem Youtube-Video die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie mit dem nationalsozialistischen Ermächtigungsgesetz von 1933. Damit verwendete er eine unter Querdenker*innen beliebte Verharmlosung der Naziverbrechen.

Zugleich ist B. gut in der Fetisch-Partyszene Berlins vernetzt. Vor der Pandemie organisierte er mehrmals die »Bondage Balls«, die teilweise im Kitkat stattfanden. Die Kitkat-Betreiberin Kirsten Krüger bestätigte in einer Stellungnahme, dass B. bereits »wenige Male« in ihrem Club aufgelegt habe. Die Intiative Geradedenken, die über Querdenken aufklärt und Gegendemonstrationen organisiert, betonte die fatale Signalwirkung einer Rehabilitierung B.s. »Hätte er tatsächlich aufgelegt, wäre das ein Verrat gewesen an all den Menschen, die in den letzten zwei Jahren die Einschränkungen im Club-Leben solidarisch mitgetragen haben«, sagte ein Sprecher der Gruppe zu »nd«. Das Kitkat sei eigentlich durch hohes Verantwortungsbewusstsein aufgefallen und hätte beispielsweise die Testpflicht zwei Monate länger beibehalten als rechtlich erforderlich. Durch die Hintertür B. wieder in die Clubszene »reinzuschmuggeln«, würde die Grenzen dessen verschieben, was an Personen und Inhalten in der Szene hingenommen würde.

Kirsten Krüger hatte sich bereits am Freitag öffentlich zu Wort gemeldet. Auf Facebook schrieb sie, dass das Kitkat zwar B.s Anfragen nach Unterstützung in den zwei vergangenen Jahren abgelehnt habe, bedauerte aber zugleich die aufgeheizte Stimmung wegen unterschiedlicher »Meinungen«. In den Kommentaren fanden sich neben Zuspruch – »Richtige Entscheidung. Techno sollte unpolitisch sein« – auch Kritik an der fehlenden Distanzierung und ironische Bemerkungen à la »Ich würde noch Attila Hildmann fürs Catering buchen«.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.