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Wie Kulturkampf funktioniert
Luisa Neubauer witzelt darüber, eine Pipeline in die Luft zu jagen. Der rechte Mob tobt – mal wieder.
Meistens klingen die Aufreger der extremen Rechten wie ihre eigene Satire. Dahinter steckt aber nicht nur planloses Umhertappen, sondern eine Kulturkampfstrategie. In dieser Strategie geht es darum, Nichtigkeiten und Banalitäten so emotional aufzuladen, dass mit jedem (verbalen) Widerstand gegen diese Begebenheiten quasi das Abendland verteidigt wird. Das Beispiel Luisa Neubauer zeigt sehr gut auf, wie das funktioniert.
Was war passiert? Neubauer hatte auf einem Klimagipfel gewitzelt, eine Pipeline sprengen zu wollen. Daraufhin wurde ihr vor allem von der politischen Rechten militanter Klimaaktivismus vorgeworfen. Neubauer selbst erklärte, dass ihre Worte zu der geplanten Ostafrikanischen Rohöl-Pipeline an einen Buchtitel angelehnt seien. Sie wolle, dass der Bau abgeblasen wird.
Neubauer steht dabei stellvertretend für die junge, solidarische Klimagerechtigkeitsbewegung und ist somit eine Hassfigur. Dazu trägt auch bei, dass sie a) jung und b) eine Frau ist. So weit, so wenig überraschend. Theoretisch eignet sich jedes Thema als Kulturkampfthema. Welches gerade Konjunktur hat, hängt von der Gefährlichkeit des Themas für die extreme Rechte, bereits vorhandenen gesellschaftlichen Spaltungslinien und internationalen Trends ab.
Migration, geflüchtete Menschen und Asyl sind Dauerbrenner. Hauptsache, ein gesellschaftspolitisches Thema, mit dem man maximal negativ emotionalisieren kann. Denn das Wesen des Kulturkampfs ist es, sich immer selbst als Stimme einer vermeintlichen (völkischen) Mehrheit in eine »Opferposition« zu bringen. Gesellschaftliche Minderheiten oder jene, die Gesellschaft solidarisch verändern möchten, müssen umgekehrt diskursiv in eine Täterposition gebracht werden. So werden aus geflüchteten Menschen Kombattant*innen in einem Krieg, deren Treiber*innen die bestehende Bevölkerung austauschen möchten. Frauen werden so zu verantwortungslosen Karrieristinnen, die Schuld an eh allem (Dekadenz, Geburtenrückgang, Verfall) sind. So werden aus queeren Menschen gewalttätige Sexualstraftäter*innen.
Man könnte hier sicher auch sehr viel und lang über Projektion reden. Klar ist, dass aus den Minderheiten, die um Rechte, Schutz und Veränderung kämpfen, diskursiv Täter*innen gemacht werden, vor denen die Mehrheitsgesellschaft geschützt werden muss. Die extreme Rechte schwingt sich dann zu den Bechützer*innen vor dieser Gefahr auf. Es ist also nur Notwehr, angefangen haben die Anderen. Diese »Anderen« sind dabei unglaublich mächtig, verächtlich und feig zugleich. Diese Täuschung rechtsextremen Denkens lässt sich auf jede beliebige Gruppe anwenden und ist traditionell auch die Basis des modernen Antisemitismus. Die Bedrohung bleibt somit ständig aufrecht und kann nach Belieben angefacht werden. In diesem Denken geht es selbstverständlich nicht um pragmatische Lösungsfindungen oder das Erarbeiten eines Konsens. Es geht darum, die Gruppe der »Anderen« gesellschaftlich auszulöschen, sie sollen am besten gar nicht existieren.
Ebenso verhält es sich mit Klimaschützer*innen. Die Klimakrise ist ein Thema, das, aus Sicht der extremen Rechten, der Asylfrage den Rang abzulaufen droht. In weiten Teilen der extremen Rechten herrscht hier noch die Leugnung des menschengemachten Klimawandels vor. Als kurzer Einschub sei gesagt, dass dieser Status aber schon einer Transformation unterliegt und sich die extreme Rechte wohl in absehbarer Zukunft auf ökofaschistische Positionen konsolidieren wird. Für die Leugner*innen ist die junge Klimagerechtigkeitsbewegung eine Bedrohung, weil sie eine nachvollziehbare und solidarische Lösung anbietet. Also wird auch sie der Kulturkampflogik unterworfen. Sie wird zum Täter und Feind erkoren.
Das passiert etwa in Person von Luisa Neubauer. Ihre sehr pragmatisch vorgetragenen Positionen werden skandalisiert. Das hat auch den Effekt, dass jede radikalere Position denkunmöglich gemacht werden soll. Neubauer wird zur Terroristin abgestempelt und mit ihr die gesamte Klimagerechtigkeitsbewegung. Damit soll auch insgesamt diskursiv die Richtung gewechselt werden. Anstatt darüber zu diskutieren, was notwendig ist, wird über Personen geredet. Und dies in einem sehr aufgeheizten und überdrehten Klima.
Kulturkampf hat den Effekt, dass nichts Produktives dabei herauskommt. Es geht nur darum, maximalen Schaden anzurichten, Diskurse zu verminen und einzelne Personen hinauszudrängen, um nicht zu sagen: zu canceln. Rechter Kulturkampf schlägt also insgesamt Löcher in die Demokratie. Er ist zudem ein sehr gutes Geschäftsmodell für alternde Kolumnisten mit sinkender Auflage und geringen Klickzahlen. Lassen wir nicht zu, dass sie solidarische Krisenlösungen verhindern.
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