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Russlands Zahlungstrick
Trotz westlicher Sanktionen rollt der Rubel
Hinter den Kulissen aus militärischen Operationen und gegenseitigen Sanktionen tobt ein kalter Krieg um den Zahlungsverkehr. Seit der Oktoberrevolution 1917 hat Russland bzw. die UdSSR jeglichen Zahlungsausfall vermieden. Ausstehende Rechnungen gegenüber dem Ausland, Anleihen und Kredite wurden immer rechtzeitig bezahlt. Das gelang Moskau auch nach Beginn des Ukraine-Krieges. Kürzlich haben die USA jedoch eine Ausnahmeregelung gestrichen, die Russland in Zahlungsverzug bringen soll, obwohl es genügend Geld hat.
Die Sanktionen der Vereinigten Staaten und der Europäischen Union zielten von Anfang an auch auf den Zahlungsverkehr. Mittlerweile sind die meisten russischen Banken aus dem weltweiten Finanzkommunikationsnetzwerk Swift ausgeschlossen, darunter das mit Abstand größte Geldinstitut, die Sberbank. Zahlungen für Importe, die russische Unternehmen ins Ausland leisten wollen, werden dadurch ebenso erschwert wie beispielsweise die Bezahlung russischer Erdöl- und Gaslieferungen nach Deutschland. Gleichzeitig drehte der Westen den Geldhahn nicht vollständig zu, um weiterhin mit wichtigen Rohstoffen aus dem Osten beliefert zu werden.
Um den Druck auf Russland weiter zu erhöhen, erschwerten die USA im Frühjahr die Rückzahlung russischer Auslandsschulden. Zunächst wurde es US-Banken verboten, Zahlungen auf Basis der bei ihnen vorgehaltenen russischen Guthaben zu leisten.
Russlands im Ausland liegende Devisen- und Goldreserven werden von Fachleuten auf umgerechnet knapp 300 Milliarden Euro geschätzt. Infolge der Sanktionen des Westens hat das Land auf diese Reserven keinen Zugriff mehr. Dagegen hat Russland Auslandsschulden in Höhe von weniger als 40 Milliarden Euro. Lediglich zwei Milliarden Euro werden laut Recherchen der Deutschen Welle in diesem Jahr fällig – in Form von Zinsen oder Rückzahlungen.
Bislang konnte Russland in diesem Jahr allen seinen internationalen Zahlungsverpflichtungen nachkommen, musste dafür aber auf Devisenreserven der Zentralbank in Moskau zurückgreifen, die im Inland liegen. Diese Schwächung der allerdings üppigen Rücklagen dürfte im politischen Sinne Washingtons und Brüssels liegen. Ende Mai schlossen allerdings die USA eine weitere Tür: Eine Ausnahmeregelung des Finanzministeriums, die es Russland bisher ermöglichte, seine Gläubiger trotz der Sanktionen weiterhin direkt aus Moskau in US-Dollar zu bezahlen, wurde nicht verlängert.
Das Auslaufen der Ausnahmeregelung macht es nun ein wenig wahrscheinlicher, dass Russland seine Schulden demnächst nicht mehr bedienen kann. Ein solcher Zahlungsausfall wäre ein politischer Sieg an der Zahlungsfront und würde Russland für lange Zeit auf den internationalen Finanzmärkten ins Abseits manövrieren. In der heutigen vernetzten Weltwirtschaft ein nachhaltiger Wettbewerbsnachteil für Unternehmen und Staat, wie die Beispiele Argentinien und Iran zeigen. Russlands Antwort: Auslandsschulden sollen zukünftig nicht mehr in Dollar beglichen werden, sondern in Rubel. Weil das die Statuten der Anleihen nicht hergeben, handelt es sich eigentlich um einen Zahlungsausfall. Moskau argumentiert, dass dies jedoch eine »künstliche Situation« sei. Russland sei zahlungsfähig, nur machten die Sanktionen Dollar-Überweisungen unmöglich.
Möglich wurde diese Antwort, weil der Rubel den Sanktionen trotzte und sich der Kurs in etwa auf dem Durchschnitt der letzten Jahre einpendelte. Dass der Rubel eine harte Währung blieb, liegt an den gewaltigen Devisenreserven des Landes und an der Geldpolitik der Zentralbank in Moskau, die auf den Krieg mit wiederholter Senkung ihres Leitzinses reagierte – zuletzt vor einer Woche –, und den milliardenschweren Einnahmen aus Energie- und Rohstoffexporten etwa nach China, Indien und in die EU.
In der EU führt der kalte Zahlungskrieg zu Kollateralschäden. Bulgarien und Polen werden von Gazprom seit einiger Zeit nicht mehr beliefert. Sie weigern sich – im Unterschied zu Uniper, RWE und der unter deutsche Staatsaufsicht gestellten Gazprom Germania, die im europäischen Gasgeschäft eine zentrale Rolle spielt – die Lieferungen aus Russland so zu bezahlen, wie es ein Dekret der russischen Regierung vorgibt: Dieses verpflichtet ausländische Einkäufer, in Rubel zu zahlen. Zahlungen in Rubel untersagen aber die EU-Sanktionen. Deutschlands größter Importeur von russischem Gas hat einen gangbaren Weg gefunden. »Uniper hat bei der Gazprombank ein sogenanntes K-Konto eröffnet und damit die Vorkehrungen für eine vertragskonforme Zahlung in Euro auf dieses Konto gemäß dem neuen Zahlungsmechanismus getroffen«, sagte Vorstandsvorsitzender Klaus-Dieter Maubach auf der Hauptversammlung des Unternehmens.
Auf das »K-Konto« zahlen Uniper und andere Konzerne die fälligen Gelder in Euro ein. Die Gazprombank in Luxemburg, die von Sanktionen ausgenommen ist, tauscht die Devisenzahlungen dann in Rubel und überweist das Geld an Lieferanten wie Gazprom oder Rosneft. Kritiker sprechen von einem »Eiertanz«. Immerhin wird dieser Trick von der Bundesregierung und der EU-Kommission stillschweigend akzeptiert. Aus russischer Sicht hat das Vorteile: Der Rubel wird als Zahlungsmittel mittelbar gestärkt. Und so behält er im Großteil der Welt seinen Wert.
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