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Berlins CDU startet Liebhab-Offensive
Konservative bauen auf Wiederholung der Abgeordnetenhauswahlen – und eine Regierungsbeteiligung
Die Berliner CDU ist schon wieder im Wahlkampfmodus. »Wir wollen politische Verantwortung übernehmen, spätestens 2026, besser noch im Frühjahr 2023«, sagt Landes- und Fraktionschef Kai Wegner am Mittwochabend in seiner Rede auf dem Kleinen Landesparteitag der Konservativen. »Wer weiß? Vielleicht sind wir im nächsten Jahr auch dran«, sagt Vize-Landesvorsitzender Frank Balzer. »Ich freue mich, wenn wir im Frühjahr vielleicht gemeinsam Wahlkampf machen«, sagt Mario Czaja, Generalsekretär der Bundes-CDU.
Die Hoffnung des Berliner Landesverbandes ruht nicht zuletzt auf einer möglichen Wiederholung der Pannenwahl zum Abgeordnetenhaus vom vergangenen September, über die im Herbst der Landesverfassungsgerichtshof entscheiden will. »Was muss eigentlich noch passieren, dass eine Wahl wiederholt wird?«, ruft Wegner den Delegierten zu.
Aufschlussreich ist dabei, wen die CDU offenkundig zum Hauptgegner im imaginierten Kampf um die Wählerstimmen ausgemacht hat: Nicht etwa die Grünen um Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch, die nach aktueller Lage wohl die besten Chancen hätten, im Falle einer Neuwahl stärkste Kraft in Berlin zu werden – sondern die schwach wirkende SPD mit der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey an der Spitze. »Das Wahlchaos hat einen Namen. Und dieser Name ist SPD«, sagt Wegner.
Der vormalige Spitzenkandidat der CDU, der sich nach der Berlin-Wahl 2021 bereits in einem gemeinsamen Senat mit Wahlsiegerin Giffey wähnte, bevor es dann doch zu einer Neuauflage der Koalition aus SPD, Grünen und Die Linke kam, hat am Mittwoch definitiv Freude an der eigenen Hat-einen-Namen-Rhetorik. So erklärt er kurz nach seinen Ausführungen zum Wahlchaos: »Wir spüren eine große Enttäuschung. Und diese Enttäuschung hat einen Namen. Und dieser Name ist Franziska Giffey.«
Nichts mache Rot-Grün-Rot in Berlin richtig, sagen Landeschef Wegner und Bundesgeneral Czaja. Zum Thema Innere Sicherheit berichtet Wegner von einer alten Frau, der am helllichten Tag die Handtasche gestohlen worden sei: »Das besorgt mich. Weil immer mehr Berlinerinnen und Berliner Angst haben. Angst, auf die Straße zu gehen.« Statt sich also um die alte Dame zu kümmern, konzentriere sich die Koalition etwa auf die Schaffung der Stelle eines unabhängigen Bürger- und Polizeibeauftragten: »Wir sagen Misstrauensbeauftragter dazu«, greift Wegner eine bereits eifrig von der CDU gestreute Formulierung wieder auf.
Oder das Beispiel Wohnungsbau. Er nehme Giffey und SPD-Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel ja ab, »dass sie wirklich bauen wollen«. Aber: »Die Linken wollen gar nicht richtig bauen«, sagt Wegner, hier nun wieder in Anspielung auf die offene Kritik von etlichen Mietenexperten der Linkspartei an Giffeys und Geisels »Bündnis für Wohnungsbau und bezahlbares Wohnen«. Womit der Landesvorsitzende in Teilen nun ja nicht so unrecht hat. »Augen auf bei der Partnerwahl!«, sagt Wegner. Generalsekretär Czaja nennt die aktuelle Zusammensetzung des Senats eine »Zwangsehe«.
Wahlkampf ohne Wahltermin: Hamburgs ehemaliger Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU), im Wahlkampf 2021 Berater von Kai Wegner, gab im Vorfeld des Landesparteitags in der »Taz« gleich einen Rat mit für das nächste Rennen ums Rote Rathaus. »Am Ball bleiben, auf ein großes Thema setzen und das dauerhaft vermitteln, dass nur die CDU glaubwürdig genau dafür steht«, sagt von Beust. Denn: »Eine allgemeine gute Produktpalette bringt leider nichts.«
Tatsächlich präsentieren die Berliner Parteikollegen nach Wohnungsbau, Innerer Sicherheit und anderen Schlagern auch noch das geforderte »große Thema«: den Kampf gegen Armut im Allgemeinen und gegen Kinderarmut im Besonderen. Was wiederum mit Blick auf die Glaubwürdigkeit insofern überrascht, als das Problem Kinderarmut im Laufe der 16 Jahre unionsgeführter Bundesregierung faktisch größer geworden ist.
»Wir hatten Leerstellen in der Sozial- und Gesellschaftspolitik«, sagt der Generalsekretär nun auf dem Landesparteitag. Man habe hier in der Vergangenheit »nicht die richtigen Antworten und schon recht nicht die richtige Sprache gefunden«, so Mario Czaja, der zwischen 2011 und 2016 immerhin selbst Berliner Sozialsenator war. Er jedenfalls sei »sehr froh«, dass sich die CDU Berlin des Themas angenommen habe: »Wir müssen wieder da sein, wo die Lebensrealität brennt.«
In ihrem am Mittwoch verabschiedeten Leitantrag »Kinder Chancen Stadt« fordern die Christdemokraten unter anderen eine Ausweitung des Leistungsumfangs der Familienservicebüros, die Wiedereinführung von Vorschulklassen und einen angesichts der Inflation »sofort wirksamen Belastungsstopp« für alle. Kinder aus Familien mit geringem Einkommen sollen es zudem leichter haben, Nachhilfeunterricht zu bekommen oder in einem Sportverein Mitglied zu werden.
Hierfür will man einen »Berliner Chancenpass« einführen, der allen Kindern als App oder Chipkarte verfügbar gemacht wird. Familien, die Transferleistungen beziehen, sollen dabei »automatisch ein pauschales Guthaben in Höhe von 50 Euro pro Monat für Freizeitaktivitäten und Bildungsleistungen erhalten«. »Für viele Kinder in unserer Stadt sind viele Türen verschlossen«, sagt Wegner. Das werde sich ändern, wenn die CDU an der Landesregierung beteiligt ist. »Das Thema bewegt mich seit Langem.«
Nicht so recht ins Bild der Liebhab-Offensive wollten später freilich die Einlassungen des Neuköllner Sozialstadtrats Falko Liecke passen. In gewohnt rumpeliger Manier rückte der CDU-Hardliner in seiner Rede jene benachteiligten Kinder in den Fokus, »deren Eltern morgens einfach liegen bleiben«. Und weiter: »Wir produzieren Bildungsversager.« Auch der Leitantrag trägt Lieckes Handschrift. So heißt es hier: »Kinderschutz ist uns auch wichtig bei verfestigter Kriminalität in familiären Strukturen beziehungsweise innerhalb des Familienverbands, wie zum Beispiel bei kriminellen Clanfamilien.«
Wie Landeschef Wegner betont, will die CDU im nächsten Senat den Sozialdemokraten das Ressort Bildung, Jugend und Familie abnehmen, diesen »SPD-verursachten Bildungsmoloch«. Liecke dürfte für den Posten nicht unbedingt der Top-Bewerber sein.
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