Andalusien vor nächstem Rechtsruck

Volkspartei und ultrarechte Vox gehen mit Rückenwind in die Regionalwahlen und setzen linke Zentralregierung unter Druck

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Andalusien ist für das gesamte Land Spanien von großer Bedeutung. Die Partei, die die Regionalwahlen in der bevölkerungsreichsten Region gewinnt, hat gewöhnlich auch bei den nächsten Wahlen zum spanischen Parlament die besten Karten, die spätestens 2023 anstehen.

Dass die rechte Volkspartei (PP) die vorgezogenen Neuwahlen in der ehemaligen sozialdemokratischen Hochburg gewinnt, daran zweifelt kaum jemand. Eine Überschrift in der linken Internet-Zeitung »Eldiario.es« machte das deutlich: »Die PP wird die Wahlen in Andalusien haushoch gewinnen«, berichtet sie mit Bezug auf eine Umfrage. Da einzelne Umfragen, die hier sehr interessengeleitet durchgeführt werden, meist nichts aussagen, ist es sinnvoller, den Durchschnitt aus den Umfragen zu ermitteln. Demnach hat die sehr konservative PP ihren Vorsprung vor den in Spanien regierenden Sozialdemokraten (PSOE) im Endspurt des Wahlkampfs sogar noch ausgebaut.

Der bisherige andalusische Regierungschef Juan Moreno Bonilla von der PP soll auf etwa 37 Prozent kommen. Er würde damit die PSOE erstmals seit dem Ende der Franco-Diktatur (1939–1975) auf den zweiten Rang verweisen. Bei den ebenfalls vorgezogenen Neuwahlen 2018 kam die PP auf knapp 21 Prozent. Die neoliberale Ciudadanos (Cs) kam auf gut 18 Prozent. PP und Cs koalierten und wurden von der ultrarechten Vox-Partei, einer Rechtsabspaltung der PP, gestützt.

Die neoliberale Cs ist spanienweit seit Jahren am Abstürzen, weil sie zwischen PP und Vox kaum noch Wähler findet. In Andalusien muss sie gar bangen, an der Drei-Prozent-Hürde zu scheitern. Schon vor einem Jahr scheiterte sie bei den Regionalwahlen in Madrid an der dortigen Hürde von 5 Prozent. In Kastilien-León erreichte sie im Februar mit 4,5 Prozent noch einen Sitz. Laut Umfragen braucht die PP die rechtsradikale Vox zur Regierungsbildung. Die Vox-Spitzenkandidatin Macarena Olona, die sich erst kurz vor den Wahlen nach Andalusien umgemeldet hat, hat unmissverständlich klargestellt, dass sie ohne eine direkte Vox-Regierungsbeteiligung Bonilla nicht zum Regierungschef wählen wird. In Kastilien-León hat die PP die Ultras schon in die Regierung geholt – ein weiterer Tabubruch, nachdem die PP sich durch die Vox in Andalusien 2018 erstmals tolerieren ließ.

Der unbekannte PSOE-Kandidat Juan Espadas hofft, nicht weit unter die gut 28 Prozent von 2018 abzusacken. Die Parteien links der PSOE, die zuvor gemeinsam als Adelante Andalucía (Vorwärts Andalusien/AA) angetreten waren, gehen nun getrennt an den Start. Podemos, die Vereinte Linke (IU) und andere treten unter der Marke Pro Andalucía (Für Andalusien) an, werden aber deutlich unter den bisherigen 16 Prozent der früheren Koalition bleiben.

Adelante Andalucía (AA) tritt eigenständig mit der früheren AA-Spitzenkandidatin Teresa Rodríguez an. IU und Podemos hatten alles getan, um die Antikapitalistin an den Rand zu drängen. Sie und ihre Mitstreiter wurden sogar aus der Fraktion geworfen. Mit einem Einspruch beim Wahlrat versuchten die Ex-Genossen erfolglos sogar, sie aus Wahldebatten auszuschließen. In einem improvisierten Wahlkampf, denn AA wurde keine Wahlkampfhilfe gewährt, holt die Partei auf. Sie soll nach Umfragen deutlich über fünf Prozent kommen.

Die Wahlen sind auch eine Generalprobe für die PSOE. Sollte sie nach Madrid und Kastilien-León auch in der Ex-Hochburg abstürzen, wird es noch enger für Regierungschef Pedro Sánchez, der ohnehin Mühe hat, seine breite Unterstützertruppe beisammenzuhalten. Immer öfter ist er darauf angewiesen, im spanischen Parlament Gesetze mit Stimmen der PP durchzubringen. Die wird aber im Falle eines Kantersiegs in Andalusien die Dynamik nutzen und schnelle Neuwahlen erzwingen wollen. Die Verabschiedung des Haushalts im spanischen Parlament wird dann zur Nagelprobe.

Auch für Unidas Podemos, den Juniorpartner der PSOE in Madrid, steht viel auf dem Spiel. Erhält ihr Ableger Pro Andalucía kein Achtungsergebnis und stürzt wie bei bisherigen Wahlen weiter ab, wird sie ihre Strategie ändern und zu Sánchez angesichts baldiger Neuwahlen auf Distanz gehen müssen. In mehr als drei Jahren konnte die landesweite Unidas Podemos nur wenig ihrer Wahlversprechen als Juniorpartner gegenüber der PSOE durchsetzen. Spanien droht neue Instabilität.

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