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  • Berlin
  • Brandenburger Jagdgesetz

Zu viel Wild im Wald

Jäger und Waldbesitzer streiten in Brandenburg über das neue Jagdgesetz

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 6 Min.

Monique Müller zeigt Bilder. Hier zum Beispiel komme Licht von allen Seiten. Birken, Ebereschen und Eichen hätten natürlich nachwachsen können, was nicht funktioniert hat. Und dort eine zehn Jahre alte Buche und eine 15 Jahre alte Eiche. »Die gehen mir bis zur Hüfte.« Eigentlich müssten diese Bäume bereits viel größer sein. Schließlich Bäume, bei denen Schalenwild die Rinde abgeknabbert hat, was die Bäume verkümmern ließ. »50.000 Euro hat dieser Bestand gekostet. Die haben wir komplett in den Sand gesetzt.«

Müller ist Revierförsterin in Sauen (Oder-Spree), besitzt selbst Wald und kümmert sich auch um Forstflächen anderer Eigentümer, insgesamt etwa 6000 Hektar. Die Bilder dokumentieren die Schäden durch Verbiss. Verantwortlich hierfür sind die viel zu hohen Wildbestände im waldreichen Brandenburg, die stark reduziert werden müssten. Da ist sich Monique Müller mit anderen Forstexperten einig. Mit einem neuen Jagdgesetz sollten wirksame Schritte zum forcierten Abschuss eingeleitet werden. Doch der erste Entwurf aus dem Haus von Umweltminister Axel Vogel (Grüne) traf auf heftige Gegenwehr und wird jetzt überarbeitet. Eine zweite Fassung soll nach der parlamentarischen Sommerpause vorgelegt werden.

Ob mit diesem zweiten Entwurf der Landesjagdverband zufriedengestellt wird, ist fraglich. Die Fronten sind verhärtet. »Minister Vogel vertritt die Auffassung, dass das Jagdgesetz grundlegend geändert werden muss. Diese Ansicht vertreten wir nicht«, erklärt Kai Laudien vom Vorstand des Jagdverbandes. »Eine radikale Änderung des Jagdgesetzes ist nicht notwendig.« Laudien sagt am Donnerstagabend bei einem Fachgespräch der Grünen-Landtagsfraktion Sätze wie: »Wald und Wild schließen sich nicht aus«, »Das Wild hat genauso eine Existenzberechtigung auf diesem Planeten« und »Der Waldumbau funktioniert nur mit der Jagd und den Jägern«.

Die Waldbesitzer sind jedoch unzufrieden, wie wenig Schalenwild von bestimmten Jagdgenossenschaften abgeschossen wird. Da frönen einige ihrem Hobby und freuen sich über die hohe Wilddichte, damit sie immer ordentlich etwas vor die Flinte bekommen, lautet ihr Verdacht. Auch die umwelt- und forstwirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag, Isabell Hiekel, bemängelt: »Bei den Jägern ging es nur noch um das Wild und nicht mehr um den Wald. Das hat mich befremdet.«

Ein Jäger und zugleich Waldbesitzer – wie übrigens auch Kai Laudien – ist Mathias Graf von Schwerin, seines Zeichens Landesvorsitzender des Ökologischen Jagdvereins. Er ist kein gelernter Förster, bewirtschaftet jedoch seit 15 Jahren seinen eigenen Wald im Landkreis Barnim, wie er betont. Er und andere berichten bei dem Fachgespräch von den Problemen, mit denen Waldbesitzer zu kämpfen haben.

So seien nach mehreren trockenen Jahren die Niederschlagsmengen zwischen März und Mai nun 50 Prozent unter dem Durchschnitt gewesen. Schädlinge breiteten sich wegen der Dürre aus und setzten den Bäumen zu. Besser als die seit dem 17. Jahrhundert in Brandenburg vorherrschenden Kiefernmonokulturen kämen Mischwälder mit einem Laubholzanteil von 40 Prozent mit dem Klimawandel zurecht. Der Waldumbau hin zu solchen Mischwäldern komme aber nur schleppend voran. 2000 bis 3000 Hektar pro Jahr bei insgesamt einer Million Hektar Wald im Bundesland – wenn es in diesem Tempo weitergehe, würde es 300 Jahre dauern. Diese Zeit habe man angesichts der beschleunigten Klimakrise nicht mehr.

1952 habe es zehnmal weniger Schalenwild im brandenburgischen Forst gegeben als 2014, rechnet Mathias Graf von Schwerin vor. Damit die hungrigen Tiere nicht alle jungen Triebe wegfressen, werden Schonungen eingezäunt. 3,9 Prozent der Waldflächen – 40.000 Hektar – waren im Jahr 2015 durch Zäune geschützt. Das kostete eine Stange Geld: 5000 Euro pro Hektar. Dabei ließen sich die Bäume nicht vollständig gegen den Verbiss abschirmen. 47 Prozent der nicht eingezäunten Bäume wurden verbissen, aber auch 19 Prozent der eingezäunten.

Es geht auch anders, weiß Carsten Leßner, Referatsleiter Wald und Forstwirtschaft im Umweltministerium. Denn Buche und Eiche können ganz natürlich nachwachsen. Zusammen mit Minister Vogel hat Leßner einen Forst besucht, in dem das geklappt hat. Der Besitzer habe geschwärmt: »Herr Minister, das hat mich keinen Cent gekostet, nur einen Haufen Patronen und die haben meine Gäste bezahlt.« Jäger hatten den Wildbestand deutlich reduziert.

20.000 Jäger gibt es in Brandenburg. Revierförsterin Müller sagt aber, dass alles Argumentieren bei den Jagdgenossenschaften nicht geholfen habe. Bei Pachtverträgen über zwölf oder 30 Jahre werde man solche Genossenschaften allerdings nicht los. Waldbesitzer Graf von Schwerin erzählt, er sei Mitglied in gleich fünf Jagdgenossenschaften, müsste sich aber drei Jahre vor Gericht herumstreiten, um in seinem eigenen Wald jagen zu dürfen. Um das zu ändern, sah der erste Entwurf des neuen Jagdgesetzes vor, Waldbesitzern bereits ab zehn Hektar Wald das Jagdrecht zu gewähren. Bisher liegt die Grenze bei 150 Hektar. Zwar haben die meisten Waldbesitzer keinen Jagdschein. Sie könnten sich dann aber Jäger suchen, die so viel Wild abschießen, wie sie sollen. Mathias Graf von Schwerin hätte diese Änderung begrüßt. Doch die Landtagsabgeordnete Hiekel bestätigt: »Die Zehn-Hektar-Regel ist vom Tisch.« Umweltminister Vogel habe schon von einer möglichen 75-Hektar-Regel gesprochen.

Für Kompromisse gab es anfangs keine offenen Ohren. Unter den 76 Stellungnahmen, die zum ersten Entwurf des Jagdgesetzes beim Umweltministerium eingingen, hat es laut Referatsleiter Leßner nur solche gegeben, die sagten: »Macht gleich eine Ein-Hektar-Regel« oder aber: »Alles so lassen, wie es ist, am besten noch den Abschussplan für Rehwild wieder einführen« – und nichts dazwischen. Mit Abschussplänen wird die Zahl der zu erlegenden Tiere limitiert.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Hardy Lux lobt das Fachgespräch: »Diese Diskussion kommt jetzt zur rechten Zeit.« Denn die Auseinandersetzung über das Jagdgesetz habe zuletzt »eine Dynamik erreicht, die nur noch kontraproduktiv ist«. Lux macht sich deshalb Sorgen. »Wenn wir das in dieser Legislaturperiode nicht auf den Weg bringen, dann gehen wieder wertvolle Jahre verloren.« Aber: »Mit einem bisschen guten Willen von allen sollte das möglich sein«, meint Lux.

Grünen-Politikerin Hiekel wertet es positiv, dass Kai Laudien vom Landesjagdverband vom nötigen Gleichgewicht von Wald und Wild gesprochen hat. Gut möglich, dass sie das nur in ihrem Sinne und damit falsch interpretiert. Jedenfalls sieht sie selbst auch nur bestätigt, was zur Position der Grünen passt – dass es zu viel Wild im Wald gibt und die im Koalitionsvertrag mit SPD und CDU vereinbarte Änderung des Jagdgesetzes möglichst in die Richtung erfolgt, in die Umweltminister Vogel drängt. Davon ist der Jagdverband immer noch nicht überzeugt. Die oppositionelle Linksfraktion hatte einen Runden Tisch vorgeschlagen, um in dem festgefahrenen Streit noch zu einer Verständigung zu kommen. Der Tisch beim Fachgespräch der Grünen-Fraktion am Donnerstagabend hat aber Ecken.

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