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- Proteste gegen AfD-Parteitag
Rekordhitze lähmt Antifa
Hunderte Menschen protestieren gegen den AfD-Bundesparteitag
Bianca und Anna sitzen im Schatten einer Baumgruppe. Die Sonne brennt vom Himmel, das Thermometer klettert an diesem Samstagnachmittag in Riesa auf über 34 Grad Celsius. Ein Wetter, bei dem viele lieber den Tag an einem Badesee verbringen. Bianca und Anna haben sich anders entschieden, sie protestieren trotz Hitze gegen den AfD-Bundesparteitag. »Es hilft ja nicht, nichts zu tun«, sagt Anna, 24 Jahre alt und Studentin aus dem nahen Dresden. Sie reicht ihrer Freundin Bianca eine Flasche Wasser, der leichte Wind bringt nicht nur einen Hauch Erfrischung, sondern weht auch herüber, was in einigen Metern Entfernung auf einer Bühne vom Bündnis »AfD ade!« erzählt wird.
Die Initiative hält ihre Kundgebung eigentlich auf einem Parkplatz direkt vor der Sachsenarena ab, doch weil der Asphalt bei diesem hochsommerlichen Wetter erbarmungslos glüht, haben sich die meisten der laut Organisator*innen etwa 350 Demonstrierenden auf eine kleine Wiese in den Schatten von Bäumen zurückgezogen. Doch auch von hier ist gut zu verstehen, was Clara Bünger, sächsische Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, über die AfD und das herrschende gesellschaftliche Klima berichtet. Täglich gebe es in Deutschland zwei gewalttätige Attacken auf Migrant*innen. »Diese Angriffe sind das Ergebnis rechter Hetze, wie sie auch da drüben bei der AfD stattfindet«, ruft Bünger ins Mikrophon. Das Bündnis »AfD ade!« ist überzeugt, dass die völkischen Nationalist*innen in der Partei längst den Ton angeben. »Sie können nicht mehr verstecken, dass Höcke die Mehrheit hat«, sagt Bünger.
Was die Linken-Politikerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen kann: In der Sachsenarena auf dem AfD-Parteitag setzt sich das Höcke-Lager gerade bei den Wahlen für die zentralen Posten im neuen Bundesvorstand durch. »AfD ade!« liegen mir ihrer Analyse richtig. Zwar bekommen die meisten Delegierten von den antifaschistischen Gegenprotesten draußen unmittelbar wenig mit, in der Halle sind sie dennoch Thema. Bereits am Freitag, als es um die Entlastung des alten Parteivorstandes geht, muss Bundessprecher Tino Chrupalla die Frage beantworten, ob die Führung juristisch gegen den Flyerservice Hahn vorgeht. Hinter dem Namen verbirgt sich eine politische Kunstaktion vom Zentrum für politische Schönheit (ZPS). Weil etliche AfD-Gliederungen davon ausgingen, bei Hahn handelte es sich um einen ganz normalen Dienstleister, wurde der Flyerservice im Bundestagswahlkampf 2021 damit beauftragt, Werbematerial zu verteilen. Doch anstatt potenzielle Wähler*innen zu erreichen, landeten die Prospekte im Altpapier.
Die Geschichte vom Flyerservice Hahn war damit aber noch nicht zuende. Während des Parteitags weht ein blauer Zeppelin mit der Aufschrift des Fake-Unternehmens in Sichtweite zur Sachsenarena. »Wir haben keine Kosten und Mühen gescheut, um unseren treuesten (und einzigen) Geschäftskunden an unsere gute Zusammenarbeit zu erinnern. Gemeinsam konnten wir die Hälfte ihres Wahlkampfmaterials vernichten!«, twittert das ZPS über die Aktion. Ob Hahn tatsächlich 50 Prozent des AfD-Materials zerstören konnte, lässt sich nicht bestätigen. Sicher ist aber: Die Partei ist wütend.
Ein bisschen enttäuscht sind auch Bianca und Anna, weil sie sich eine größere Beteilung an den Protesten erhofft hatten. »Klar, es ist heiß, aber am Wetter allein kann es doch nicht liegen. Sachsen hat dieses schlechte Image nicht verdient. Hier gibt es auch viele gute Leute«, meint Bianca. Der Protestaufruf von »AfD ade!« wurde von einem breiten Bündnis getragen, mit dabei waren neben der sächsischen Linken und SPD, auch Vertreter*innen der Grünen, lokale Gruppen der »Omas gegen Rechts« und der Dachverband der sächsischen Migrant*innenorganisation. Es sind an diesem Wochenende eher kleine Aktionen, mit denen das Bündnis zeigen will, dass es auch ein buntes, weltoffenes Riesa gibt. Bereits am Donnerstag und Freitag kommt es in der Innenstadt zu Protestaktionen.
Wie sehr es in Riesa antifaschistischen Protest braucht, zeigt die Tatsache, dass die AfD in der Stadt bereits zum zweiten Mal eine große Versammlung abhält. Bereits 2019 fand in der Sachsenarena ein Bundesparteitag statt. Bei der Bundestagswahl 2021 holte die AfD in der Stadt an der Elbe 30,6 Prozent und wurde mit zehn Prozentpunkten Vorsprung vor der CDU stärkste Partei bei den Zweitstimmen. Auch die zur neonazistischen NPD gehörende »Deutsche Stimme« sitzt in der Stadt. Ein Umfeld, in dem es Antifaschist*innen schwer haben.
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