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- Schwimm-WM 2022
Die neue Frontfrau
Anna Elendt holt Deutschlands erste Schwimmmedaille auf einer Kurzstrecke seit 13 Jahren
Auf den dritten Finalabend bei der Schwimm-WM hatte sich Anna Elendt schon vor ihrem Abflug nach Budapest ganz besonders gefreut. Die plauderfreudige Spezialistin für die Brustdisziplinen wusste schließlich, dass ihre Eltern bei der Entscheidung auf der 100-Meter-Strecke auf der Tribüne sitzen würden. »Schon sehr cool« fand sie den Gedanken, ihre Eltern könnten sie nach zwei Jahren Corona-Beschränkungen endlich mal wieder live schwimmen sehen. Dass sie in der Duna-Arena dann auch gleich noch Elendts Silber-Lauf über die zwei langen Bahnen serviert bekamen, war das Sahnehäubchen dieses Besuchs.
Am späten Montagabend traf sich Elendt, die frisch ergatterte WM-Medaille in der Schwimmtasche, mit ihren Eltern noch zum Abendessen im Hotel – mit »Mum« und »Dad«, wie die 20-Jährige gerne sagt, seit sie im Jahr 2020 in die USA umgezogen ist. Dort trainiert Elendt in der rund 25 Schwimmerinnen starken Gruppe von Carol Capitani – einer international anerkannten Trainerin, die auch von Bernd Berkhahn als »sehr, sehr gute« Fachkraft geschätzt wird. »Sie entwickelt Anna weiter«, lobt der deutsche Bundestrainer. »Und das verfolgen wir natürlich mit Begeisterung.«
Angetan sind die Verantwortlichen des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV) auch von der positiven Ausstrahlung, die die Wahl-Amerikanerin in die Nationalmannschaft hineinträgt. Denn Elendts lockere, unbekümmerte, offene und manchmal flapsige Art tut den Teamkolleg*innen gut. »Sie ist eine Sympathieträgerin«, sagt Sportdirektor Christian Hansmann, der die gebürtige Hessin zudem als Lichtblick neben Berkhahns erfolgreicher Magdeburger Trainingsgruppe betrachtet: »Mit ihr haben wir jetzt auch auf den Kurz- und Mittelstrecken eine neue Frontfrau, die in die Phalanx der bisherigen Medaillengewinnerinnen einbrechen kann.«
WM-Medaillen auf den kurzen Strecken hatte es für den DSV zuletzt vor 13 Jahren in Rom gegeben. Nun durchbrach Elendt diese Durststrecke – und schwamm am Dienstagvormittag mit der deutschen Mixed-Staffel auch gleich noch in den nächsten Endlauf. In der morgendlichen Pool-Kooperation mit Ole Braunschweig, Angelina Köhler und Jan Eric Friese konnte sich Elendt über Vorlauf-Platz acht und die Finalteilnahme des gemischten deutschen Vierers am Abend (n. Red.) freuen. Anschließend wird sie bei den Titelkämpfen in Ungarn noch Solo-Starts über 50 und 200 Meter Brust angehen.
Das Rennen über 100 Meter hatte Elendt für diese nacholympische Saison und speziell bei ihren Auftritten in Budapest zu ihrer Hauptstrecke erklärt. Bei der WM 2019 in Gwangju seien die 50 Meter, auf denen sie im Finale als Siebte anschlug, schon prima gelaufen, erinnerte Elendt – und betonte: »Die 100 waren damals noch nicht ganz so gut. Deswegen wollte ich einfach mal sehen, was ich da bei einem internationalen Start wirklich erreichen kann.«
Gereicht hat es beim Sieg der Italienerin Benedetta Pilato, die nur fünf Hundertstelsekunden schneller war, zur zweiten silbernen Plakette für das DSV-Team beim Saison-Highlight. Und mit ihrer Zeit von 1:05,98 Minuten schöpfte Elendt ihr Leistungsvermögen dabei nicht einmal aus: Beim Meeting der Pro Swim Series in San Antonio war sie Anfang April über die zwei Bahnen Brust noch um 0,4 Sekunden fixer unterwegs gewesen als jetzt in Budapest – bei einem von drei deutschen Rekorden, die sie in diesem Frühjahr aufstellte.
Nach dem Umzug von Deutschland ins texanische Austin vor zwei Jahren dauerte es zunächst ein bisschen, bis sich Elendt an das Training dort gewöhnt hatte – nicht zuletzt wegen mehrerer Verletzungen. »Seit diesem Jahr mache ich jetzt wirklich regelmäßig Krafttraining, und das spiegelt sich im Wasser deutlich wider«, betont die in Dreieich bei Frankfurt am Main geborene Schwimmerin. Neben ihrem Dasein als quasi professionelle Bahnenzieherin studiert Elendt an der University of Texas, hat das verpflichtende Grundpensum mit Fächern wie Amerikanische Geschichte, Mathematik oder Biologie gerade absolviert. Nun will sie sich auf ihren Studienschwerpunkt Sportmanagement konzentrieren.
In Austin genießt Elendt die extrem kurzen Wege zu ihren Vorlesungen und zur Schwimmhalle. Sie preist die komfortablen Rahmenbedingungen in ihrem Sportlerinnenleben, allem voran die umfassende und sehr unkomplizierte medizinische Betreuung. Zudem ist sie mit ihrer Zimmerpartnerin gerade in eine ganz in der Nähe des Campus gelegene Wohnung umgezogen. »Da habe ich«, berichtet Anna Elendt, »jetzt mein eigenes Zimmer – was nach zwei Jahren auch mal ganz nett ist.« Fast so nett wie der Gewinn einer WM-Medaille, vor den Augen von »Mum« und »Dad«.
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