Ein gescheitertes Wachstumsmodell

Verbände und Aktivisten demonstrieren am Rande des G7-Gipfels gegen Klimawandel, Krieg und Ungerechtigkeit

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 4 Min.
Demonstration der G7-Kritiker für einen besseren Klima- und Artenschutz und gegen Hunger und Armut auf der Theresienwiese vor der Bavaria Foto: dpa/Michael Kappeler
Demonstration der G7-Kritiker für einen besseren Klima- und Artenschutz und gegen Hunger und Armut auf der Theresienwiese vor der Bavaria Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Münchner Theresienwiese zur Mittagszeit am Samstag: Vor der Bühne hält ein als Pandabär verkleideter Aktivist ein Schild in die Höhe. »Energiewende jetzt erst recht«, ist darauf zu lesen. Dahinter schwebt die Erdkugel als Luftballon unter dem blauen Himmel und darauf ist »Klima retten!« geschrieben. Es ist ein breites Bündnis, das sich hier zum Protest versammelt hat. Attac ist ebenso mit dabei wie der Bund Naturschutz, Oxfam Deutschland, Greenpeace, Campact, Misereor sowie die Aktion gegen den Hunger. Die Appelle sind an die Staats- und Regierungschefs gerichtet, die sich im Rahmen des G7-Gipfels nahe Garmisch-Partenkirchen auf Schloss Elmau treffen.

Mit einer Demonstration durch die Münchner Innenstadt fordert das Bündnis aus 15 zivilgesellschaftlichen Organisationen, entschieden gegen die Klimakrise und das Artensterben vorzugehen. »Wir werden solange auf die Straße gehen und weiter kämpfen, bis wir in einer klimagerechten Welt leben«, sagt Lisa Göldner von Greenpeace bei der Auftaktkundgebung. 

Auf der Bühne machen unter dem Motto »G7 – Gerechtigkeit geht anders« die Vertreter der Jugendorganisationen mobil. Beccy von der Bund Naturschutz BN-Jugend fordert einen Systemwandel statt Klimawandel. Ilayda von der WWF-Jugend sagt: »Ich habe Angst um unsere Zukunft« und Luca von der Naturschutzjugend NaJu Bayern meint: »Wir dürfen nicht nur reden, sondern müssen handeln«. Vom G7-Treffen fordert er Verantwortung für ein »verbindliches Abkommen zum Klima- und Artenschutz«. Viviane Raddatz vom WFF fragt: »Was macht Ihr, um schneller zu werden bei Klima und Artenschutz?« Die Lösungen seien da, würden aber viel zu langsam umgesetzt. Man brauche verbindliche Beschlüsse, um aus Kohle und Gas auszusteigen.

Neben Klimawandel und Artenschutz ist auch der Krieg in der Ukraine ein Thema der Kundgebung. »Imperialismus beginnt hier: Greifen wir ihn an«, ist auf einem Banner des schwarzen Blocks zu lesen. Im Vorfeld des G7-Gipfels war es in München zu Brandanschlägen auf Polizeiautos gekommen, wovon sich das Bündnis »Stop G7 Elmau« distanzierte. »Schluss mit dem Krieg«, steht auf einem anderen Banner; »Solidarität mit den ukrainischen Arbeitern und Volksmassen« auf einem Plakat.

Klimawandel und Krieg, das waren auch die Beweggründe für den 29-jährigen Max und seinen 27-jährigen Kumpel Hendrik aus Leipzig nach München zur Großdemo zu kommen. Max studiert Lehramt und sagt: »Ich dachte, wir müssten uns nicht mehr mit Krieg auseinandersetzen, jetzt sind wir ganz nahe dran.« Auch die Entwicklung in China und der Klimawandel beunruhigen ihn sehr. Und ja, er glaube schon, dass »die Demo etwas bringt«, das habe man ja auch bei »Fridays for Future« gesehen. Auch bei den Protesten in Garmisch-Partenkirchen gegen die Politik der sieben Staatenlenker wollen die beiden dabei sein.

Die Breite des Bündnisses gegen G7 machen verschiedene Stellungnahmen im Vorfeld der Großdemo deutlich. Elisabeth Waizenegger von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Milchbäuerin aus Bayern erklärt: »G7-Staaten, verabschiedet euch endlich von eurer verfehlten Agrar-Weltmarktorientierung! Wir brauchen weltweit regionale Systeme, die Bäuerinnen Perspektiven bieten, alle Menschen satt machen und Klima und Biodiversität schützen – mit fairen Preisen und einem gerechten Zugang zu Land und Saatgut.«

Roland Süß, Mitglied im Attac-Koordinierungskreis, verkündet: »Die G7 setzen auf ein gescheitertes Wachstumsmodell, das sie dem Rest der Welt aufzwingen. Die Folge ist soziale Spaltung – weltweit. Um die multiplen Krisen global zu lösen, brauchen wir einen Multilateralismus jenseits nationalstaatlicher Logik, der dem Globalen Süden entscheidenden Einfluss gibt.« 

Sven Hilbig von Brot für die Welt sagt: »Die G7 tragen Mitverantwortung für viele aktuelle Krisen und die fortschreitende Ausbeutung des Globalen Südens. Wir brauchen keine Club-Kultur der Industrienationen, sondern eine gerechte Entwicklungspolitik und strukturelle Veränderungen, die von der gesamten Staatengemeinschaft getragen werden.« Und Christine Margraf vom Bund Naturschutz in Bayern konstatiert: »Neben der Erderhitzung ist das Artensterben die größte globale Krise unseres Planeten. Die G7-Staaten müssen bei ihrem Treffen endlich den Grundstein dafür legen, dass noch in diesem Jahr ein weltweit verbindliches Abkommen zum Erhalt der biologischen Vielfalt beschlossen wird.«

Laut den Veranstaltern beteiligten sich 6000 Menschen an der Demonstration. Beim G7-Gipfel in Elmau vor sieben Jahren waren es noch 40 000 Teilnehmer gewesen.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.