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Elektromobilität ist auch eine Frage der Umverteilung
Berlin will mehr Elektroautos auf die Straße bringen und stößt mitunter auf Probleme, die es alleine nicht lösen kann
»Die Welt hat sich geändert und wir müssen alte Gewissheiten infrage stellen«, sagt Berlins Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) am Mittwoch auf der Hauptstadtkonferenz Elektromobilität. Es ist das elfte Mal, dass die Berliner Agentur für Elektromobilität (Emo) eine Plattform für Unternehmen und andere Akteure bietet, um sich über den Stand der Mobilitätswende im Stadtstaat auszutauschen. Mit dem bisher Erreichten zeigt sich Schwarz zufrieden: »Berlin hat seine Hausaufgaben gemacht.« Im Hinblick auf das Ziel, bis 2045 eine klimaneutrale Stadt zu sein, habe man, so Schwarz, einen Schritt getan, den sonst kein Bundesland gewagt habe.
Bereits jetzt fahren die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) laut Wirtschaftssenator mit 138 E-Bussen durch die Stadt, bis zum Ende des Jahres sollen es 228 werden. Läuft alles nach Plan, ist bis 2032 die gesamte Flotte – derzeit über 1500 Fahrzeuge – auf elektronische Antriebe umgerüstet. Auch ein großer Teil der Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) habe schon umgesattelt. In der Region sieht Schwarz zudem einen »völlig neuen Nukleus der Autoindustrie« wachsen. Es gehe hierbei nicht nur um den US-Autobauer Tesla in Grünheide bei Berlin, sondern um ein umfangreiches Cluster innovativer Unternehmen, darunter viele Start-ups, die sich darin versuchten, den Verkehr neu zu denken. »Aktuell befinden wir uns im sogenannten Markthochlauf der Elektromobilität«, so Schwarz.
Und doch will der Wirtschaftssenator offenbar nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht. »Gerade im Verkehrssektor ist noch viel zu tun«, sagt er. Ein großes Hemmnis für den Fortschritt sei nach wie vor die unzureichend ausgebaute Ladestruktur. Aktuell gebe es berlinweit rund 1850 Stationen. »Man muss einfach sagen, dass das zu wenig ist.« Schwarz gelobt Besserung, spricht von »starken Zielen«, die man sich vorknöpfe.
Unbeliebt sind Elektrofahrzeuge in der Berliner Bevölkerung zumindest nicht. Beinahe jedes vierte Fahrzeug, das in der Hauptstadt neu zugelassen wird, läuft laut der Emo mit Elektroantrieb. Rund 66 000 E-Autos zählt die Agentur insgesamt, etwa 60 Prozent von ihnen seien gewerblich zugelassen. Gleichzeitig erlebe die Stadt einen regelrechten Boom an Sharing-Angeboten. Die sprießen in der Tat wie Pilze aus dem Boden: 4500 E-Mopeds, 24 000 E-Kickscooter bei zugleich 11 000 Leihfahrrädern stehen (oder liegen) auf den Bürgersteigen bereit. Das sei europaweit recht einmalig, heißt es.
Trotz alledem nehmen die CO2-Emissionen im Berliner Verkehr weiter zu: Um rund zwölf Prozent sind die Ausstöße seit 1990 gestiegen – und die Kurve, die von der Emo präsentiert wird, zeigt nicht nach unten. »Vielleicht ist es heute meine Rolle, ein bisschen Wasser in den Wein zu gießen«, sagt Christian Hochfeld, Direktor des Thinktanks Agora Verkehrswende. Auch wenn die Europäische Union mit ihrer gerade erst gefällten Entscheidung, ab 2035 in Europa nur noch Elektrofahrzeuge zuzulassen, einen richtigen Weg eingeschlagen habe, liege nach wie vor vieles im Argen: »Wir stehen an einer Weggabelung und zögern und zaudern.« Erst habe man die neuen Technologien an den Markt gebracht, nun sei man aber – Hochfeld spricht hier vor allem vom Bund – nicht bereit, die Subventionen für die alten Antriebe aufzugeben.
Die Klimaziele und auch die Vorsätze für die Elektromobilität seien, so der Agora-Direktor, mit der momentanen Ausrichtung nicht zu erreichen. So würde man im Jahr 2030 noch 50 Prozent über dem eigentlichen Ausstoßziel liegen. Zu resignieren sei dennoch keine Option, etliche Studien belegten die Machbarkeit der Mobilitätswende. »In dem Moment, in dem wir die Klimaziele nicht erreichen, werden wir auch weniger mobil sein als jetzt«, sagt Hochfeld. »Es wird der Punkt kommen, an dem das System zusammenbricht.« Investitionen in die Elektromobilität müssten dementsprechend auch von der Autobranche als Einzahlungen in die eigene Überlebenssicherung begriffen werden.
Es gehe beim Thema Elektromobilität auch um das Ende gewisser Privilegien und um Fragen der Umverteilung. Derzeit sei es eher der Arzt als die Krankenschwester, der sich ein Elektroauto leisten könne, sagt Hochfeld. Bei manchen Unternehmen werde auf seine Frage danach, ob sie auch Elektroautos für die Mittelschicht produzieren würden, auf Fahrzeuge für 50 000 Euro verwiesen. »Wer kauft sich ein Auto für 50 000 Euro?«, fragt Hochfeld. »Da ist noch immer eine Schere im Kopf.«
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