• Berlin
  • Obdachlosigkeit im Sommer

Wenn der Asphalt brennt

Die Hitzehilfe des Vereins Karuna unterstützt Obdachlose bei gefährlich hohen Temperaturen

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 4 Min.

Noch ist es schön kühl unter der S-Bahn-Brücke am Alexanderplatz. Aber wenn die Temperaturen wie am Wochenende auf über 30 Grad Celsius steigen, staut sich die Hitze zwischen Asphalt und Beton und der Schatten bietet keinen Schutz mehr. »Du musst einfach trinken, trinken, trinken«, sagt Chris. Neben ihm befinden sich Elsa und sein Hund. Das Dreierteam sitzt auf Isomatten und Schlafsäcken, seinem Schlafplatz der vergangenen Nacht. Elsa stimmt Chris zu: »Du brauchst einfach richtig viel Wasser. Ich trinke zwar auch Alkohol, aber viele vergessen, zwischendrin Wasser zu trinken.«

Hitze ist gefährlich, besonders für Menschen, die auf der Straße leben. Am Montagvormittag traf sich deshalb Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Die Linke) mit der sogenannten Task Force des Vereins Karuna, einer Gruppe von insgesamt 24 Mitarbeiter*innen, die gezielt Obdachlose in ganz Berlin aufsuchen und unterstützen und auch zu Notfällen gerufen werden. Die Hotline von Karuna ist von 9 bis 23 Uhr besetzt, es melden sich Passant*innen und Anwohner*innen, Einrichtungen oder die Polizei, wenn sie eine wohnungslose Person in einer medizinischen Notlage antreffen.

Seit 2020 gibt es die Task Force, bekannt ist sie vor allem für ihre Kältehilfe. Markus Siebert, Leiter der mobilen Einsatzgruppe, erzählt, dass an eisigen Wintertagen bis zu 300 Anrufe eingehen. Mit dem Kältebus könnten dann etwa gefährdete Menschen zu Notübernachtungsstellen gefahren werden. »Wir wollen in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass Hitze genauso schlimm ist«, sagt Siebert. Denn nur wenn Menschen für Gefahren wie Dehydrierung, Sonnenstich und Überhitzung sensibilisiert seien, wählten sie im entscheidenden Moment die Nummer der Task Force. Die Website der Kältehilfe macht bereits auf die Hitzegefahr aufmerksam und verweist auf eine Stadtkarte, die alle öffentlichen Trinkbrunnen verzeichnet. In den Köpfen der nichtwohnungslosen Stadtgesellschaft scheinen die Risiken heißer Sommertage aber noch nicht angekommen zu sein.

Siebert zählt verschiedene Möglichkeiten auf, wie sein Hilfstrupp akut Hitzehilfe leisten kann. Ab Temperaturen von 30 Grad fahren Teams von mindestens zwei Personen zu den bekannten Orten, verteilen dort Wasser zum Trinken und zum Waschen sowie Sonnencreme und klären anderweitige Bedürfnisse ab. Zwischen 30 und 60 Liter Wasser gäben seine Kolleg*innen an solchen Tagen aus, so Siebert. Die zwei Transporter, die der Gruppe zur Verfügung stehen, dienen zudem als Kälteraum. Im heruntergekühlten Laderaum können sich Obdachlose bis zu 20 Minuten lang aufhalten und sich ausruhen. »Erfahrungsgemäß schlafen die Leute ein«, sagt Siebert. Denn erst dann falle der Hitzestress vom Körper ab.

Katja Kipping ist es ebenfalls wichtig, auf die Gefahren enormer Hitze aufmerksam zu machen. Sie erinnert an die Hitzewelle 2018, in deren Folge 490 Menschen in Berlin starben. Die Zahl der Extremwetterereignisse nehme voraussichtlich zu, »seit Beginn der Wetteraufzeichnungen haben die meisten seit 2000 stattgefunden«. Besonders in Städten könne die Hitze in Zukunft regelmäßig unerträglich werden. Im Vergleich zum außerstädtischen Klima blieben die Temperaturen in versiegelten und bebauten Gebieten nachts bis zu zehn Grad höher, so Kipping.

Neben akuten Angeboten zum Hitzeschutz spiele deshalb auch immer der Kampf gegen den Klimawandel eine Rolle: »Den Klimakollaps zu vermeiden, ist auch eine zutiefst soziale Frage.« An der Situation Obdachloser macht Kipping fest, dass nicht alle Menschen in Berlin gleichermaßen von den aktuellen und absehbaren Folgen des Klimawandels betroffen seien. »Wer eine Wohnung hat, kann sich auf dem Balkon einen Sonnenschirm hinstellen und eine Schüssel kaltes Wasser für die Füße, andere haben sogar eine Klimaanlage. Wer auf der Straße lebt, hat aber keinen Rückzugsort.«

Perspektivisch schweben Kipping neben der mobilen Arbeit der Hitzehilfe auch Einrichtungen vor, die vergleichbar mit den Unterkünften der Kältehilfe Schutz vor den Temperaturen bieten. Der große Unterschied: Diese Orte müssten eher tagsüber als nachts geöffnet haben. Ein derartiges Modellprojekt solle in Kürze starten, so Kipping. Insgesamt stünden der Sozialverwaltung für die Wohnungslosenhilfe 28 Millionen Euro in diesem und 29 Millionen im kommenden Jahr zur Verfügung.

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