Elf Stimmen fehlen zur einzigen Landrätin

Mitte-links-Kandidat bricht CDU-Phalanx bei Wahl in Sachsen. Linke Rathauschefin in Borna abgewählt

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Dirk Neubauer hat es geschafft: Der Bürgermeister von Augustusburg ist neuer Landrat im Landkreis Mittelsachsen. Der parteilose Kommunalpolitiker, der von Linke, Grünen und SPD unterstützt wurde, setzte sich in Runde 2 der Landratswahl im Freistaat mit 56 Prozent deutlich vor den Bewerbern von AfD und CDU (24 bzw. 20 Prozent) durch. Er ist damit der einzige Politiker, der künftig die Verwaltung eines der zehn sächsischen Landkreise führt und nicht das Parteibuch der CDU hat. Zuletzt waren seit einer Gebietsreform 2008 nur CDU-Politiker in solche Ämter gewählt worden. Neubauer war zeitweise Mitglied der SPD, verließ sie aber im April 2021.

Beinahe hätte die CDU noch einen zweiten Posten verloren. Im Landkreis Zwickau lieferte sich Dorothee Obst, die Bürgermeisterin von Kirchberg und Kandidatin der Freien Wähler, ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit CDU-Bewerber Carsten Michaelis, das dieser am Ende mit lediglich zehn Stimmen Vorsprung für sich entschied – bei einer Gesamtstimmzahl von je fast 26 700. Obst wäre die einzige Frau in der aktuellen Riege der Landräte gewesen und überhaupt erst die sechste Frau, die einen solchen Posten in Sachsen erringt. Im entscheidenden Durchgang am Sonntag waren von ursprünglich sieben Bewerbern fünf erneut angetreten, darunter neben zwei rechten Kandidaten von AfD und der Partei Die Basis auch ein SPD-Mann, dessen Stimmen sonst womöglich bei Obst gelandet wären. Zu dessen Unterstützung hatte auch der Kandidat der Linken aufgerufen, der nach 8,5 Prozent nicht wieder angetreten war.

In weiteren vier Landkreisen, in denen am Sonntag gewählt wurde, siegten die CDU-Bewerber mehr oder weniger deutlich. Im Vogtland lag der bisherige Klingenthaler Bürgermeister Thomas Hennig 40 Prozentpunkte vor Roberto Rink, dem Bundeschef der Deutschen Sozialen Union (DSU), der für die AfD antrat. In Görlitz hatte der Landtagsabgeordnete Stephan Meyer 20 Punkte Vorsprung vor AfD-Mann Sebastian Wippel, der mit knapp 36 Prozent aber ein hohes Ergebnis einfuhr. Im Erzgebirge setzte sich Meyers Fraktionskollege Rico Anton gegen einen Vertreter der Freien Wähler durch, nachdem SPD und FDP zu seinen Gunsten zurückgezogen hatten. In Bautzen machte der bisherige Beigeordnete Udo Witschas das Rennen. Der von Linke, SPD und Grünen unterstützte Parteilose Alexander Theile lag mit knapp 24 Prozent erneut auf dem dritten Platz. Bereits am 12. Juni hatten die amtierenden CDU-Landräte in Nordsachsen und den Landkreisen Leipzig und Sächsische Schweiz/Osterzgebirge die damals noch nötige absolute Mehrheit erreicht und ihre Ämter verteidigt. Im Landkreis Meißen war 2020 gewählt worden.

Der entscheidende Wahlgang fand am Sonntag auch bei zahlreichen Bürgermeisterwahlen statt. Dabei büßte Die Linke ihre bisher prominenteste Amtsträgerin ein. Simone Luedtke, seit 2008 Oberbürgermeisterin in Borna bei Leipzig, unterlag dem SPD-Politiker Oliver Urban. In Runde 1 hatte sie mit knapp 39 Prozent noch vorn gelegen. Im zweiten Durchgang erzielte sie annähernd das gleiche Ergebnis. Die Konkurrenz hatte sich aber hinter Urban versammelt, der fast 52 Prozent erreichte. Die sächsische Linke hat nun mit Volker Holuscha in Flöha nur noch einen Oberbürgermeister und stellt zudem die Rathauschefs in Lugau, Geyer und Liebstadt – alles Männer. Die Landesspitze der Partei erklärte, man sei »traurig, dass es nach 14 Jahren sehr guter Arbeit« für eine Wiederwahl Luedtkes nicht mehr gereicht habe.

Nicht äußern wollte sich die Parteiführung zum Antrag auf Einleitung eines Parteiordnungsverfahrens gegen Luedtke, den eine Gruppe Genossen um die Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz aus Grimma gestellt hat. Ihr wird nach einem Bericht der »Freien Presse« schweres parteischädigendes Verhalten vorgeworfen. Auslöser ist, dass sich Luedtke im Wahlkampf öffentlich hinter CDU-Landrat Henry Graichen und Grimmas Rathauschef Matthias Berger stellte. In beiden Fällen bot ihre Partei mit Denny Trölenberg und Tobias Burdukat eigene Kandidaten auf, die bei 10,7 und 7,8 Prozent landeten. Köditz machte die Causa auf Twitter öffentlich und merkte an: »Taten haben Folgen«.

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