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In Dresden soll aus drei nun eins werden
Grün-Rot-Rot bündelt die Kräfte, um den FDP-Rathauschef durch die Umweltbürgermeisterin zu ersetzen
In der Not muss die Frau mit ran. Sun Yeon Hilbert spielt in der Dresdner Lokalpolitik eigentlich keine auffällige Rolle. Vor dem entscheidenden zweiten Wahlgang bei der Oberbürgermeisterwahl an diesem Sonntag ist die in Südkorea gebürtige Opernsängerin aber auf großen Plakaten gemeinsam mit Ehemann Dirk Hilbert zu sehen, der seit 2015 Rathauschef in Sachsens Landeshauptstadt ist und sein Amt verteidigen will – auch mit eher inhaltsleeren Slogans wie »Meine Familie. Meine Heimat. Meine Stadt«. Dieser und seine junge Gattin sollen Hilbert wohl entscheidende Sympathiepunkte eintragen.
Der Amtsinhaber kann sich eines erneuten Erfolgs nicht sicher sein. Dabei war die Ausgangslage für ihn günstig. Hilbert, der ein FDP-Parteibuch hat, sich aber von einem Verein »Unabhängiger Bürger für Dresden« aufstellen ließ, wird von der CDU unterstützt. Die führte das Rathaus lange selbst, bot nach einem 2015 erlittenen Debakel aber diesmal gar keinen eigenen Kandidaten mehr auf. Dagegen ging das im Stadtrat durch eine Kooperation verbundene Mitte-Links-Lager zunächst mit je eigenen Bewerbern ins Rennen, anders als 2015, als die von Linken und Grünen unterstützte SPD-Politikerin Eva-Maria Stange anfangs sogar vorn gelegen hatte. Doch trotz dieser guten Vorzeichen kam Hilbert in Runde eins am 12. Juni nur auf eher magere 32,5 Prozent. Er selbst sah darin ein »starkes Signal«; die Konkurrenz sprach von einer Schlappe.
Im zweiten Durchgang versucht Grün-Rot-Rot nun, eins aus drei zu machen und der Grünen Eva Jähnigen zum Sieg zu verhelfen. Die amtierende Umweltbürgermeisterin war auf 18,9 Prozent gekommen und hatte vor SPD-Stadtchef Albrecht Pallas (15,2 Prozent) und Linke-Fraktionschef André Schollbach (10,3 Prozent) gelegen. Beide zogen sich gemäß einer vorab getroffenen Vereinbarung zurück. Weil gleichzeitig aber der bei 14,2 Prozent gelandete AfD-Europapolitiker Maximilian Krah im Rennen blieb, dessen Wähler sonst vermutlich eher zu Hilbert übergelaufen wären, stehen die Chancen rein rechnerisch nun gut für Jähnigen. Die Parteien links der Mitte hätten zusammen zehn Prozentpunkte Vorsprung, erklärte Schollbach: »Der Wechsel in Dresden ist greifbar.«
Abzuwarten bleibt freilich, wie viele Wähler von SPD und Linken tatsächlich für die 56-jährige Grüne stimmen, die unter dem Slogan »Eva fürs Ganze« für einen Politikwechsel an der Rathausspitze wirbt. Zwar gibt es gemeinsame Wahlkampftermine der drei ursprünglichen Kontrahenten, etwa an diesem Mittwoch auf einem Wochenmarkt. Auch auf Plakaten und in sozialen Medien rufen SPD und Linke zur Wahl Jähnigens auf. Beobachter wie der Politikwissenschaftler Hans Vorländer merken aber an, dass es keine wirklich gemeinsame Kampagne und »kein gemeinsames Bild« gebe, um dem gemeinsamen Anliegen mehr Nachdruck zu verleihen.
Gleichwohl scheint das Lager von Hilbert beunruhigt. CDU-Politiker wie Ratsfraktionschef Peter Krüger buhlen in den sozialen Medien offen um Wähler der AfD, weil »Dresden bürgerlich bleiben« müsse. Die Rechtspartei allerdings lehnt derlei Avancen zumindest offiziell ab. Hilbert sei für sie »nicht das kleinere Übel«, betonte Landeschef Jörg Urban unmittelbar nach dem ersten Wahlgang. Auf AfD-Plakaten ist in Anspielung auf Hilbert und Jähnigen einerseits sowie Krah andererseits von »zwei Grünen und einer Alternative« die Rede.
Hilbert sucht auch thematisch in urgrünen Bereichen zu wildern. So legte er ein Sofortprogramm zur Nutzung alternativer Energien vor und plakatierte den angesichts der Weltlage sehr ambitionierten Slogan: »Deine Energie? Weiter bezahlbar.« Unterstützer von Jähnigen sehen darin ein »Plakat der Angst«. Von Verunsicherung zeugt auch ein Frontalangriff auf seine Gegnerin in einem Boulevardblatt, in dem Hilbert ihr Untätigkeit bei der Umsetzung eines von ihm 2013 als Wirtschaftsbürgermeister entworfenen, nach Einschätzung von Kritikern unambitionierten Energie- und Klimaprogramms anlastet: »Sieben Jahre Eva Jähnigen – nichts. Es ist erschreckend, es ist nichts umgesetzt worden.« SPD-Mann Pallas wies angesichts dessen auf die Richtlinienkompetenz des Oberbürgermeisters hin und nannte es »jämmerlich«, dass dieser eigenes Versagen auf die Beigeordnete abwälze.
Generell merken Kritiker an, dass Hilbert mit vielen Versprechen werbe, die er in seiner Amtszeit längst hätte umsetzen können. So kündigt er jetzt »neue Ideen für bezahlbares Wohnen« an. Das Bündnis »Recht auf Stadt« betont, seit Hilberts Wahl zum OB seien die Mieten in Dresden um 17 Prozent gestiegen. Die Quote für Sozialwohnungen, zu der die Stadt Bauherren verpflichtet, wurde von 30 auf 15 Prozent gesenkt. Er hatte, sagt das Bündnis, »sieben Jahre Zeit für ›neue Ideen‹«. Ob in den nächsten sieben Jahren die Ideen von Hilbert oder Jähnigen umgesetzt werden, zeigt sich am Sonntag.
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