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Mehr Platz im Regionalverkehr
Im Dezember steigt das Angebot auf mehreren Linien deutlich
Bis zu dreimal pro Stunde von Berlin nach Frankfurt (Oder) und Brandenburg/Havel mit dem RE1, zweimal stündlich nach Bad Belzig mit dem RE7 und vier Züge pro Stunde nach Nauen dank des zusätzlich eingeführten RE8: Auf vielen Relationen im Eisenbahn-Regionalverkehr wird mit dem Fahrplanwechsel im Dezember das Angebot deutlich ausgeweitet.
»Mit mehr Zugkilometern, dichteren Takten, längeren Zügen mit mehr Platz für Fahrgäste, Gepäck und Fahrräder setzen wir attraktive Anreize, mehr mit der Bahn als mit dem Auto zu fahren«, sagt Berlins Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) am Donnerstag beim Pressetermin auf dem Bahnhof Lichtenberg. »Ich freue mich, dass wir mit dieser Weichenstellung in der gesamten Region spürbare Verbesserungen für eine klimafreundliche Mobilität schaffen und damit die Mobilitätswende erheblich voranbringen«, so Jarasch weiter.
»Mit geräumigeren und rundum erneuerten Zügen vom WLAN bis zum WC machen wir den Schienenverkehr deutlich attraktiver«, sagt auch ihr Brandenburger Amtskollege, Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU), bei dem Termin. Hinter ihm stehen zwei Exemplare der Fahrzeuge, mit denen die Deutsche Bahn ihren Anteil des sogenannten Netzes Elbe-Spree künftig betreiben wird. Es sind modernisierte Exemplare der bereits bekannten Zugtypen. Einerseits die von einer Lok gezogenen Doppelstockzüge, die bisher auf der Linie der RE1 zwischen Magdeburg, Berlin und Frankfurt (Oder) verkehren. Sie erhielten komfortablere Sitze, zusätzliche Steckdosen, neu gestaltete Toiletten und Videoüberwachung. Die Endwagen der künftig auf den Flughafenverbindungen eingesetzten Doppelstockfahrzeuge werden mit Gepäckregalen ausgerüstet. Eine Annehmlichkeit, die derzeit Gäste des Flughafenexpresses FEX schmerzlich vermissen.
Die anderen, bereits bekannten Fahrzeuge sind die einstöckigen Triebwagenzüge des Typs Talent 2, wegen ihrer seitlichen Rundungen von Eisenbahnfans liebevoll Hamsterbacken genannt. Bei Bahn und Fahrgästen erfreute sich das Modell bisher weniger Beliebtheit. Es brauchte deutlich mehr Wartung als vom Hersteller Bombardier einst versprochen, was immer wieder zu Wagenknappheit im Betrieb führte. Auf vielen Sitzplätzen sorgten unter den Tischchen platzierte Mülleimer dafür, dass man nicht wusste, wohin mit den Beinen. Das soll nun besser sein. Peter Panitz, Geschäftsführer der an der Ausschreibung beteiligten Nahverkehrsservice Sachsen-Anhalt, weiß aus leidvoller Erfahrung einen ganz besonderen Vorteil der Modernisierung zu nennen: »Es gibt nun gut positionierte Steckdosen, wo einem das Netzteil nicht vor der Nase hängt.« Die Steckdosen über den Fenstern wurden zwar nicht demontiert, es wurden aber zusätzliche im Fußbereich eingebaut.
Bereits seit März vergangenen Jahres sind die ersten modernisierten Züge im Fahrgastbetrieb im Einsatz, denn die Ertüchtigung findet »unter rollendem Rad« statt, wie es bei Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern heißt. Dass die alten Züge nicht einfach durch fabrikneue Exemplare ersetzt werden, ist für Bettina Jarasch eine ganz neue Form von Upcycling statt die ihr bekannte: »Bisher habe ich das als Aufwerten alter Klamotten verstanden.«
»Mir fallen von Monat zu Monat immer mehr Steine vom Herzen, wenn ich sehe, wie das Projekt funktioniert«, sagt Thomas Dill, der für die 2017 veröffentlichte Ausschreibung zuständige Abteilungsleiter beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB). 28 Millionen Zugkilometer in vier Einzellosen sind damals ausgeschrieben worden, je zwei Lose haben DB Regio sowie die Privatbahn Odeg schließlich 2019 gewonnen. Ein Plus von 30 Prozent gerechnet auf die Fahrtkilometer im Vergleich zum bisherigen Angebot auf Linien wie RE1, RE2, RE7 und zahlreichen Regionalbahnen im Potsdamer Raum. Sogar um die Hälfte wächst das Angebot bezogen auf die Sitzplätze, sagt Dill.
Bis zur Ende 2025 geplanten Inbetriebnahme der Dresdner Bahn zwischen Berlin-Südkreuz und dem Eisenbahn-Außenring als direkte Verbindung zum Flughafen BER wird es für Fahrgäste etwas verwirrende A- und B-Teile auf mehreren Linien geben. RB24A und RB32A aus Eberswalde beziehungsweise Oranienburg werden von Ostkreuz den alten Schöneberger Flughafenbahnhof am Terminal 5 ansteuern. RB24B und RB32B mutieren, aus Wünsdorf-Waldstadt beziehungsweise Ludwigsfelde kommend, am Bahnhof BER Terminal 1-2 zum Flughafen-Express, der über Ostkreuz und Gesundbrunnen zum Hauptbahnhof führt. RE8A und RE8B treffen sich am Berliner Hauptbahnhof, eine Linie im Tunnel, die andere oben auf der Stadtbahn.
Auch wenn die alten und die neuen Betreiber dieselben wie bisher sind, müssen sich die Fahrgäste bei den Farben etwas umstellen. Der bisher von den roten Zügen der DB befahrene RE1 wird von der Odeg mit gelb-weiß-grünen Fahrzeugen übernommen. Beim RE2 erfolgt der Tausch andersherum.
Für die Paradelinie RE1 hat die Odeg neue Züge beschafft. Die sechsteiligen Triebzüge des Herstellers Siemens vom Typ Desiro HC – Letzteres steht für High Capacity – sind eine Neuerung im Berlin-Brandenburger Netz. Sie wurden vergangene Woche vorgestellt. Die angetriebenen Endwagen sind einstöckig, die vier in der Mitte eingereihten Wagen zweistöckig. Im Berufsverkehr sollen auf der Linie die bisher vom RE2 bekannten Doppelstocktriebzüge als zusammengekuppelter Acht-Wagen-Zug verkehren. Noch sind allerdings auf sechs Bahnhöfen zwischen Erkner und Frankfurt (Oder) die Bahnsteige zu kurz. Die Bauarbeiten für die nötigen Verlängerungen sollen jedoch bald starten und rechtzeitig fertig werden, versichert Alexander Kaczmarek, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für die Region. »Nun liegt es in den Händen der Bauwirtschaft, ob es klappt«, sagt er zu »nd«. Laut den Bestimmungen des Eisenbahn-Bundesamtes war selbst der Bahnhof Berlin-Alexanderplatz zu kurz für die Züge. Hier war die Lösung baulich etwas einfacher: Das Schild, das die Halteposition der Züge vorgibt, wurde entfernt.
Die Odeg versichert, dass der ordnungsgemäße Betrieb auf dem RE1 auch nicht an Lokführermangel scheitern wird. »Derzeit fehlen noch etwa zehn Triebfahrzeugführer«, sagt Geschäftsführer Lars Gehrke zu »nd«. Rund 100 werden für die deutlich größere Fahrleistung als bisher benötigt. Für die Odeg ist das ein Wachstum um ein Drittel. Allerdings habe man sich für den Notfall bereits Zeitarbeitskräfte gesichert. »Die Lage ist nicht dramatisch angespannt, wir freuen uns aber über jede Bewerbung«, so Gehrke weiter.
»Wir schreiten voran und wir erwarten, dass der Bundesverkehrsminister uns folgt«, sagt Senatorin Jarasch angesichts der Angebotsausweitung: »Wir brauchen deutlich mehr Geld.«
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