Militär killt auch Klima

Nicht nur der Krieg in der Ukraine schwächt Überlebensfähigkeit der Menschheit

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Krieg Russlands in die Ukraine bringt Tod, Zerstörung, Elend. Er hat – wie naturgemäß gerade weniger betrachtet – nachhaltig negative Auswirkungen auf die Umwelt. Die lassen sich vor Ort in der Hitze der Gefechte kaum bemessen. Das durch Detonationen, Explosionen, Brände sowie durch umfangreiche Truppenbewegungen hervorgerufene direkte wie indirekte Umweltdesaster behindert alle globalen Bemühungen zur Beschränkung der Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius massiv. Das entsprechende Abkommen von Paris wird mit jedem Tag des Krieges obsoleter.

Über die von militärischer Operationen – in Kriegs- wie in Friedenszeiten – ausgelösten Emissionen ist generell wenig bekannt. In der Regel übernimmt niemand Verantwortung. So wie vor Jahren im Irak und aktuell in Syrien, Libyen oder im Jemen sind jetzt auch in der Ukraine Böden, Gewässer und die Luft extrem belastet. Trotz aller internationaler Versprechen zur Wiederaufbauhilfe wird es so jahrzehntelang bleiben. Zwar lassen sich die stählernen Reste der Schlachten – wann immer der Krieg wie endet – relativ rasch und teilweise sogar gewinnbringend räumen. Andere Kriegsfolgen bleiben. Ein simples Beispiel aus dem Osten Deutschlands: Jahr um Jahr brennen Tausende Hektar Wald nieder. Man kann die Brände oft nur schwer löschen, weil auf einstigen Truppenübungsplätzen Blindgänger liegen. Wie groß wird erst die Belastung auf den Schlachtfeldern in der Ukraine sein?

Neben solchen direkten Kriegsfolgen im Land selbst gibt es eine Fülle indirekter, die sich im globalen Ausmaß zeigen. Der Konflikt hat deutlich gemacht, wie abhängig die Welt von Öl und Gas ist. Bei der hektischen Suche nach Alternativen rücken wieder bereits als umweltschädlich erkannte Energiequellen in den Vordergrund, zum Beispiel Nuklearenergie. In Deutschland wird sich der Ausstieg aus der Kohleverstromung weiter verzögern. Verstärkte Forschung und Produktion im Rüstungsbereich ziehen zudem Kapazitäten aus Zukunftsindustrien ab.

Die Nato ist die stärkste Militärmacht der Welt. Die Allianz ist an ihrer Ostgrenze so aktiv wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Sie verlegt mehr Truppen, steigert die Übungs- und Aufklärungsaktivitäten gegenüber Russland. Die Führung der Nato behauptet jenseits vom aktuellen Geschehen, dass man bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein will. Wie weit ist man von diesem Null-Ziel entfernt, das natürlich keine kriegerischen Handlungen einschließt? Eine regelmäßige und transparente Berichterstattung über alle direkten und indirekten Emissionen gibt es nicht. Schon gar nicht national gegliedert.

Dass das US-Militär einer der größten Klimasünder in der Geschichte ist, daran kann kein Zweifel bestehen. Allein um die globale Einsatzfähigkeit zu erhalten, benötigen Washingtons Streitkräfte ein ausgedehntes Logistik-Netzwerk mit Containerschiffen und Frachtflugzeugen. Im Jahr 2017, so letzte Daten, benötigte das US-Militär jeden Tag etwa 42,9 Millionen Liter Öl, dabei wurden mehr als 25 Millionen Tonnen Kohlendioxid emittiert. Die US-Luftwaffe kaufte im selben Jahr Treibstoffe im Wert von 4,9 Milliarden US-Dollar, die Marine 2,8 Milliarden US-Dollar, gefolgt von der Armee mit 977 Millionen US-Dollar und den Marines mit 36 Millionen US-Dollar. Die Truppen verbrauchen mehr Kraftstoffe und emittieren mehr Kohlenstoff als die meisten Länder. Das belegt eine Studie, die von der Royal Geographical Society in Großbritannien veröffentlicht wurde.

Im Jahr 2021 veröffentlichte das Conflict und Environment Observatory, das ist eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Großbritannien, einen Bericht, laut dem die Emissionen des britischen Militärs die 2018 gemeldeten elf Millionen Tonnen CO2 um mindestens das Dreifache übersteigen. Vergleichbare Daten liegen für hochgerüstete Staaten wie Russland oder China gar nicht erst vor.

Die umfangreiche Erhöhung der Militärausgaben in der Nato verheißt auch aus Sicht des Klimaschutzes insgesamt nichts Gutes. Deutschland gibt über zwei Prozent seines Bruttoinlandsproduktes fürs Militär aus und hat – mit Verweis auf die von Russland ausgehende Kriegsgefahr – ein 100-Milliarden-Euro-Aufrüstungsprogramm beschlossen. Wie also hält es das deutsche Militär mit den Pariser Klimazielen?

»Die Reduktionsziele des Bundes-Klimaschutzgesetzes gelten unabhängig von wechselnden Intensitäten der Streitkräfteaktivitäten und Steigerungen im Verteidigungshaushalt«, teilte die Bundesregierung Mitte Mai mit. Klingt gut, doch die Realität ist ernüchternd. 2021 hat die Bundeswehr 1,71 Millionen Tonnen CO2-Equivalent ausgestoßen – gegenüber 1,45 Millionen Tonnen im Jahr 2019. Ein Plus von fast 18 Prozent. Nicht eingeschlossen sind übrigens die Umweltschädigungen, die das deutsche Militär bei seinen Auslandseinsätzen anrichtet. Ohne die Pandemieauswirkungen wären die Emissionssteigerungen bei der Heimat- und Bündnisverteidigung wohl noch höher ausgefallen. Schon vor Corona bot die Truppe keine umweltfreundliche Gesamtsicht. 2018 sanken die CO2-Emissionen in Deutschland um 4,5 Prozent. In den Corona-Jahren 2019 und 2020 verzeichnete das Umweltbundesamt Rückgänge um 6,3 beziehungsweise 8,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bevor sie 2021 wieder um 4,5 Prozent anstiegen.

Die Bundeswehr stemmt sich gegen den Trend, denn die Gesamtverkehrsemissionen sind in Deutschland insgesamt rückläufig. In einer Antwort auf eine neue Anfrage der Linksabgeordneten Sevim Dagdelen macht die Regierung unter anderem eine »militärspezifische Mobilität« geltend und verantwortlich für die steigenden CO2-Emissionen bei der Bundeswehr. Offenbar gelten auch in der Luft beim Bund andere Regeln. Obwohl die Gesamtflugstunden der Luftwaffe zwischen 2019 und 2021 von 45 463 auf 44 359 gesunken sind, stieg der Spritverbrauch deutlich. Was die Qualität der Ausreden nicht beflügelt.

Schuld an mehr Verbrauch und mehr Emissionen seien neue leistungsfähigere Waffensysteme. Beispiel: Während die kleineren inzwischen ausgemusterten »Transall«-Transportmaschinen von zwei Turboprop-Motoren angetrieben wurden, nutzt die neue A400M vier solcher Turbinen. Deutschland ist mit künftig 53 A400M der größte Betreiber dieser Transportflugzeuge und in der Tat versucht die Luftwaffe, ihre Flotte langfristig auf nachhaltiges Flugbenzin, sogenanntes Sustainable Aviation Fuel (SAF), umzustellen. Laut Hersteller Airbus ließen sich so die CO2-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichem Treibstoff um bis zu 85 Prozent reduzieren. Doch Tests und Zulassung werden noch Jahre dauern.

Dagdelen, die ihre Fraktion im Auswärtigen Ausschuss vertritt und Sprecherin für Internationale Beziehungen und Abrüstung ist, kritisiert die Klimabilanz des deutschen Militärs insgesamt als »verheerend«. Sie spricht vom »Klimakiller Bundeswehr«. Statt durch massive Aufrüstung den ökologischen Fußabdruck weiter zu vergrößern und eine neue globale Hochrüstung zu befeuern, sollte die Regierung »das Geld lieber in Energiesicherheit und Klimaschutz investieren«.

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