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Der große Schwindel
Vor 60 Jahren gründeten Mick Jagger und Keith Richards die Rolling Stones – ist dies ein Grund zum Feiern?
Man muss sich das so vorstellen: Da sind fünf junge hormongeflutete Männer, die vom wilden, geilen Leben träumen. Bloß ist dieses Leben nirgendwo in Sicht. Schon gar nicht in betulichen englischen Grafschaften wie Kent oder Gloucestershire. Das macht die Männer zornig. Und weil sie außer der Wut nur ihre Musikinstrumente haben, werden Gitarren, Bass und Schlagzeug zu Instrumenten der Wut. Dazu schreit der Sänger »I can’t get no satisfaction« oder rotzt einem unliebsamen Gegenüber ein übel gelauntes »Get off my cloud« (Verzieh dich) entgegen.
Den Jugendlichen gefällt das. In der Wut und Unzufriedenheit der Band erkennen sie ihre eigene Wut und Unzufriedenheit. Und weil es in den 60er Jahren viele, sehr viele unzufriedene Jugendliche gibt, finden die Lieder der Rolling Stones reißenden Absatz. Auch außerhalb Großbritanniens gehen die Verkaufszahlen durch die Decke. Denn man muss kein Englisch verstehen, um zu begreifen, was diese wilden Kerle bewegt. Bald schon sind aus den fünf jungen Männern fünf junge Millionäre geworden.
Jetzt können sie endlich das Leben führen, von dem sie seit Teenagerzeiten geträumt haben. Nichts und niemand hindert sie daran, hübsche Models und teure Drogen zu nehmen. Und das tun sie dann auch. Der Sänger wird zunehmend besser gelaunt. Wenn er ein Mädel bittet, »Let’s spend the night together«, klingt er fast schon charmant.
Nach und nach verflüchtigt sich die Wut der Jugendtage. Worauf sollten die Bandmitglieder auch wütend sein? Auf die schrankenlose Freiheit? Auf die ausufernden Partys? Auf den nicht enden wollenden Rausch?
Eigentlich könnten sie sich jetzt zur Ruhe setzen. Die Früchte des Zorns genießen. Doch weil dies auf Dauer dann doch ein wenig langweilig wäre, machen sie weiter Musik. Produzieren Lieder wie andere Brötchen. Nur klingen diese ohne Wut nur noch halb so aufregend. Wie die einer Coverband. Oder schlimmer noch: wie eine Parodie.
Daher sei die Frage erlaubt: Warum soll man den 60. Geburtstag einer Band feiern, die sich besser vor 50 Jahren aufgelöst hätte? Nach »Exile on Main St.«, jenem Album, bei dessen Produktion der größte Ausgabenposten das Heroin war. Heute ist selbst Keith Richards clean und die Musik sowieso. Darauf einen eisgekühlten Bommerlunder!
Ach ja, wieso gibt es eigentlich die Toten Hosen noch? Und stimmt es, dass die Bundeswehr demnächst mit Campino auf Rekrutensuche geht?
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