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Das Verschwinden eines Täterorts
Im früheren KZ Sachsenburg steht die »Kommandantenvilla« erneut vor dem Abriss
Man müsste den gleichen Fehler nicht zweimal machen. 2018 lehnte der Bund einen Förderantrag der sächsischen Stadt Frankenberg ab, die sich finanzielle Unterstützung für eine Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Sachsenburg erhofft hatte. In Berlin nahm man Anstoß an dem bereits 2015 vom Stadtrat beschlossenen Abriss eines Gebäudes, in dem die Kommandantur des Lagers residierte und das als authentischer Ort der Täter gilt. Von der »unwiderbringlichen Zerstörung von Zeugniswerten« war im Ablehnungsbescheid die Rede. Im Februar 2022 sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth nun doch eine Bundesförderung für die Gedenkstätte zu. Kein halbes Jahr später nimmt die Stadt einen erneuten Anlauf, um die Kommandantenvilla abzureißen.
Begründet wird das mit der Notwendigkeit, Fördergelder abzurufen, die sonst verfallen würden. Der Freistaat Sachsen stellt 60 000 Euro aus einem Abriss- und Brachenprogramm in Aussicht, die aber bis Ende 2022 ausgegeben sein müssen. Der Betriebsausschuss des kommunalen Eigenbetriebs »Immobilien der Stadt Frankenberg« bewilligte daher kürzlich 30 000 Euro Eigenanteil. Nach Einholung eines Angebots will er sich noch einmal mit dem Thema befassen. Dennoch scheint das Schicksal des Gebäudes besiegelt.
Die Nachricht sorgte für Aufregung. Franz Sodann, Linksabgeordneter im Landtag, nannte den Beschluss »alarmierend«, weil er womöglich die Bundesförderung und damit die Gedenkstätte in Gefahr bringe. Der VVN-BdA Sachsen rügte die »Geschichtsvergessenheit der Entscheidung«. Man werde im jahrelangen Kampf um die Errichtung einer Gedenkstätte »weit zurückgeworfen«. Zivilgesellschaftliche Initiativen bemühen sich seit mehr als einem Jahrzehnt um einen Erinnerungsort in der ehemaligen Spinnerei, in der die Nazis im April 1933 ein Lager zur Inhaftierung politischer Gegner errichteten. In den folgenden vier Jahren wurden dort 7200 Menschen gequält, gedemütigt und gefoltert. Sachsenburg gilt als »Vorhölle von Buchenwald«. Dort wurden auch Wachmannschaften ausgebildet, die später in den großen KZ tätig waren. Die Villa sei »der zentrale Täterort des früheren KZ«, betont die sächsische Landesarbeitsgemeinschaft (SLAG) »Auseinandersetzung mit dem NS«.
Die Abrisspläne der Stadt sind im maroden Zustand des Gebäudes begründet. Mauern bröckeln, Gebälk ist vom Pilz zersetzt. Gleichwohl sei ein Erhalt nicht nur »aus denkmalpflegerischer und gedenkstättenpädagogischer Sicht sinnvoll«, sondern auch »bautechnisch möglich«, sagt die SLAG, die im Mai ein Symposium zu Sachsenburg veranstaltete. Die grüne Abgeordnete Claudia Maicher, Vorsitzende des Kulturausschusses, sähe im Abriss einen »großen Fehler«. Zwar sei ein kompletter Erhalt nicht möglich. Es müsse aber alles getan werden, um »möglichst viel von dem Gebäude zu erhalten und es in der künftigen Gedenkstätte als Täterort zu berücksichtigen«. 2021 hatte es dazu einen Gestaltungswettbewerb gegeben.
Wie der Bund auf einen Abriss reagieren würde, ist offen. Auf Anfrage Maichers erklärte Sachsens Kulturministerin Barbara Klepsch (CDU) im März, die Förderzusage des Bundes sei in Kenntnis eines Konzepts der Stadt erfolgt, das offenbar nur wenige Überreste der Villa einbeziehen will. Es sehe »für den weiteren Umgang mit der ›Kommandantenvilla‹ eine Sicherung des originalen Mauerwerks der Außenwände gerade nicht vor«. Vielmehr sollen nur das Sockelgeschoss erhalten und einzelne Elemente wie Türen und Fenster eingearbeitet werden. Die Staatsregierung, betonte die Ministerin, werde daher »keine Maßnahmen für eine Sicherung des originalen Mauerwerks … ergreifen«.
Allerdings schien zum damaligen Zeitpunkt selbst in Frankenberg noch unklar, ob man wirklich den gleichen Fehler zweimal begeht. Maicher hatte auch nach den für 2022 geplanten Umsetzungsschritten auf dem Weg zu einer Gedenkstätte gefragt. Unter den von der Ministerin aufgelisteten Maßnahmen findet sich: »Projektarbeiten zur Erhaltung und Sicherung der Überreste der ›Kommandantenvilla‹«.
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