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Verkaufsschlager Sexismus
Auf Twitter wird über ein vermeintliches Verbot des Ballermann-Hits »Layla« diskutiert
Hauptsache, mitgrölen können. Das scheint das Erfolgsrezept heutiger Musik zu sein, jedenfalls wenn man sich Platz 1 der deutschen Single-Charts anschaut. Dort steht seit drei Wochen der Song »Layla« von DJ Robin, dessen Text mit folgenden Zeilen Ballermann-Stimmung macht: »Die wunderschöne Layla. Sie ist schöner, jünger, geiler. La-la-la-la, die wunderschöne Layla. La-la-la-la-la-la-la-Layla.«
Die besungene Frau ist eine Puffmama und wird von zwei Typen für ihr Alter, ihre Schönheit und Geilheit bewundert. Weil das aber sexistisch ist, hat die Stadt Würzburg diese Woche entschieden, das Lied auf ihrem alljährlichen Kiliani-Volksfest nicht zu spielen. Seitdem wird auf Twitter mal wieder über »Cancel Culture« und das Für und Wider dieser Entscheidung diskutiert – mit zahlreichen Vergleichen aus der Musikgeschichte.
»Wisst ihr noch, wie CDU/CSU und FDP bei Umweltsau vom WDR Kinderchor abgegangen sind und es sofort Canceln wollten? Aber bei Layla spielt man nun den empörten, weil man das verboten hat«, kommentiert ein Twitter-User. 2019 hatte der Kinderchor des Westdeutschen Rundfunks eine Satire-Version des Kinderlieds »Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad« eingesungen, in der besagte Oma als »alte Umweltsau« bezeichnet wird. Ein anderer Twitter-Nutzer erinnert an das Lied »Vincent« von Sarah Connor, das 2019 von einigen Radiosendern zensiert wurde, weil es nicht familientauglich sei. Allerdings ging es darin nicht um Frauen als Objekt, sondern um Homosexualität und Coming-out.
»Würzburg verbietet den Ballermann-Hit Layla auf einem Volksfest. So ein Volksfest ist schließlich eine seriöse Veranstaltung und kein Treffen der Jungen Union«, twitterte der Kanal der »Heute-Show« vom ZDF süffisant. In der Tat hatte die Junge Union Hessen im Juni für Aufsehen gesorgt, weil sie das Lied bei einer Landestagung in Kassel spielten, während sich die Delegierten auf der Bühne sammelten.
Der CDU-Politiker Markus Patzke hält einen Vergleich zum Nationalsozialismus für angemessen und twittert: »Wer Lieder verbietet, verbrennt auch Bücher!« Und der Journalist Claas Gefroi stellt fest, dass Freiheitskampf heutzutage also heißt, »dass man sein Recht auf eklige sexistische Kackscheiße verteidigt«.
Denn sexistisch, das ist der Song »Layla« ganz sicher. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Text im Vergleich zu anderen erfolgreichen Liedern noch harmlos rüberkommt. Besonders im Bereich des Schlagers, bei Ballermann-Hits und im Rap gehören Texte mit Sexismus und Verharmlosung sexualisierter Gewalt zu Verkaufsschlagern. Die Songs von Mickie Krause etwa tragen Titel wie »Zeig mir deine Möpse« und »Zehn nackte Friseusen« und laufen auf Mallorcas Partymeile rauf und runter. Im Deutschrap kommt man um Begriffe wie »Bitch«, »Hure« und »Fotze« nicht drum herum, und im Schlager finden sich zahlreiche Beispiele von Fantasien mit Minderjährigen: »Ich war so um die 40 und sie war 15. Wir wollten uns zusammentun. Ja, wo ist’n da das Problem?«, fragt Udo Lindenberg in »Lolita«. Und Roland Kaiser singt in »Santa Maria« davon, wie nachts an schneeweißen Stränden die Jugend in den Händen gehalten und der Schritt »vom Mädchen bis zur Frau« gewagt wird. Aber auch Frauen wie etwa die Österreicherinnen »Sigrid & Marina« verharmlosen sexualisierte Gewalt und übergriffiges Verhalten, wenn sie singen: »Zweimal nein heißt einmal ja, so ist das bei uns Frau’n«.
Dass die Debatte auf Twitter aber leicht an der Realität vorbeigeht, hat der Anti-Fake-News-Blog »Volksverpetzer« zusammengefasst. Denn die Stadt Würzburg hat keineswegs verboten, dieses Lied zu spielen, sondern bereits im vergangenen Jahr entschieden, auf eigenen Veranstaltungen schlicht überhaupt keine sexistischen und rassistischen Lieder mehr zu spielen.
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