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Ungewöhnliche Dreierbande
Der Bundesnachrichtendienst wird mal wieder von seiner Geschichte eingeholt. Bundesregierung mauert
Wie jede professionell gemachte Website, so hat auch die des Bundesnachrichtendienstes (BND) eine Suchfunktion. Wer sich mit ihrer Hilfe allerdings einen Erkenntnisgewinn erwartet, ist in Bezug auf den deutschen Auslandsgeheimdienst recht naiv. Ein Beispiel: Gibt man das Suchwort »Pamir« ein, kommt als Antwort: »Keine Treffer.« Daher fragte André Hahn, der für die Linkspartei im Bundestag sitzt, bei der Bundesregierung nach. Denn »Pamir« birgt, auch wenn die Operation in den 1980er und 1990er Jahren lief, weiter allerlei Sprengstoff. Der Hintergrund: Der BND betrieb in der fraglichen Zeit gemeinsam mit dem US-Partnerdienst CIA in der westchinesischen Provinz Xinjiang mindestens eine Abhörstation. Und das keineswegs klammheimlich. Man hatte die zuständigen Behörden der Atommacht China mit ins Spionageboot geholt. Gemeinsam interessierte man sich angeblich für sowjetische Atomtestanlagen.
In der Tat führte die Sowjetunion seit 1949 bei Semipalatinsk über 700 Nukleartests durch. Doch nicht allein darum ging es bei der ungewöhnlichen Geheimdienstallianz. Der damalige politische Konflikt zwischen Moskau und Peking, bei dem es um den Führungsanspruch innerhalb der kommunistischen Bewegung ging, hatte auch in Bonn die Hoffnung auf ein Bündnis gegen die Sowjetunion geweckt. Zudem suchte man – wie viele westliche Dienste – einen Ersatz für die durch die islamische Revolution im Iran verlorenen Geheimdienststützpunkte. Im Juli 1985 reiste eine westdeutsche Delegation nach China. Ihr gehörten ein damaliger BND-Vize und mehrere Bundestagsabgeordnete an. Mit Sicherheit war die Tour – so wie die gesamte Operation »Pamir« – von ganz oben abgesegnet. Der für Geheimdienste zuständige Chef im Kanzleramt hieß Wolfgang Schäuble. Der CDU-Mann und Vertraute von Kanzler Helmut Kohl wurde später Innen- und Finanzminister sowie Parlamentspräsident.
Aktuell werden Chinas Geheimdienste in Deutschland als eine ernstzunehmende Gefahr betrachtet. Das war nie anders. Dennoch »übersah« der für Spionageabwehr zuständige Verfassungsschutz zwischen 1981 und 1995 Chinas illegale Aktivitäten. Zumindest öffentlich. Die Volksrepublik tauchte in den alljährlich verfassten Verfassungsschutzberichten seltsamerweise nicht auf.
Nach dem Massaker auf dem Pekinger Tiananmen-Platz im Jahr 1989 hat die CIA offenbar die Kooperation mit den chinesischen Kollegen abgebrochen. Anders der BND. Warum? Vielleicht lieferte der inzwischen verstorbene Chef der KGB-Nachfolgeorganisation FSB, Nikolaj Kowaljow, eine Antwort. Er behauptete, dass er mit dem BND ein Abkommen geschlossen hat. Danach lieferte der deutsche Dienst auch noch Mitte der 1990er Jahre in den von Russland mit außerordentlicher Härte geführten Tschetschenien-Kriegen Informationen über islamistische Gruppierungen sowie über Flüchtlingslager in Inguschetien und Georgien. In der Tat gab es wohl eine »Operation Lanze«. Deren Ergebnisse wurden mithilfe einer deutsch-chinesischen Abhörstation namens »Pamir« gewonnen, die 1985 eingeweiht worden war. Zufall? Wohl kaum.
Die Linksfraktion wollte nun von der Regierung wissen, welches Aufklärungsziel Deutschland mit der Operation »Pamir« verfolgte. Zudem interessierte sich der Abgeordnete Hahn dafür, ob weitere, womöglich aktuelle Kooperationsabkommen des BND mit chinesischen Geheimdiensten bestehen und ob China von deutscher Seite Abhörtechnik bekam. Doch nicht einmal die simple Frage, ob der deutsche Auslandsgeheimdienst eine offizielle Residentur in Peking unterhält, wurde beantwortet. Die Bundesregierung verweigert Antworten auf nahezu alle 14 in der Kleinen Anfrage gestellten Fragen. Man könne entsprechende Informationen nicht einmal in der Geheimschutzstelle des Bundestages hinterlegen, wo sie nur von wenigen Autorisierten eingesehen werden können. Stattdessen liest man auf sechs Antwortseiten nur allgemeine Betrachtungen über die Schutzbedürftigkeit geheimdienstlicher Arbeit.
Hahn ist sauer. Die Regierung habe »ein regelrechtes Gelübde des Schweigens« offenbart. Dass man nach drei Jahrzehnten noch immer nicht bereit ist, einem gewählten Volksvertreter Auskünfte über die Operation »Pamir« zu geben, hält der Abgeordnete, der auch Mitglied im Parlamentarischen Kontrollgremium zur Kontrolle der deutschen Geheimdienste ist, für »völlig inakzeptabel«. Man verweigert sogar die Namen der Teilnehmer der Bundestagsdelegation, die 1985 nach Peking gereist war, um die Geheimdienstoperation zu vereinbaren, moniert Hahn gegenüber »nd« und kommt zu dem Schluss: Das SPD-geführte Bundeskanzleramt unter Olaf Scholz mache da weiter, wo das CDU-geführte unter Angela Merkel endete. Es verschanze sich in allen Fragen zur Tätigkeit des deutschen Auslandsgeheimdienstes hinter einem vermeintlichen »Staatswohlinteresse«. Wodurch das gefährdet sein soll, bleibe unerklärt. »Offenbar«, so Hahn, »geht es der Bundesregierung schlicht darum, jegliche parlamentarische Kontrolle von Auslandsoperationen des BND zu unterbinden.«
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