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  • Streit um Johnson-Nachfolge

Hauen und Stechen bei den Tories

Ein Duell entscheidet über die Nachfolge von Boris Johnson als Parteichef und britischer Premier

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 4 Min.

Nach zwei missmutigen Fernsehdebatten am Wochenende hatten Rishi Sunak und Liz Truss offenbar die Schnauze voll. »Warum machen wir das eigentlich?«, soll Sunak seine Rivalin gefragt haben, als die Fernsehkameras aus waren. Am Montag sagten beide ihre Teilnahme an der geplanten dritten Debatte am Dienstagabend ab, kurz darauf kippte der Kanal die ganze Sendung. Man kann es den zwei Kandidaten nicht verdenken. Der Kampf um die Tory-Führung und das Premierministeramt waren geprägt von Anfeindungen und Schuldzuweisungen.

Am Dienstagnachmittag schrumpfte das Feld der Bewerber auf drei: Kemi Badenoch wurde mit 59 Stimmen eliminiert, damit blieben noch Penny Mordaunt, Liz Truss und Spitzenreiter Rishi Sunak übrig. Sie werden am Mittwoch zur letzten Abstimmung innerhalb der Tory-Fraktion antreten. Die zwei Gewinner werden sich dann in einem kurzen Wahlkampf gegenüberstehen und sich am Ende der Tory-Basis stellen: Die rund 200 000 Parteimitglieder sind Anfang September bei einer Urwahl am Zug. Am 5. September wird Großbritannien einen neuen Premier haben.

Bereits jetzt steht fest, dass der gehässige Wahlkampf nicht unbedingt eine gute Werbung für die Tories war. »Jetzt sag doch die Wahrheit«, hielt Kemi Badenoch ihrer Rivalin Liz Truss in einer Debatte vor, als die zwei über die Rechte von Transmenschen stritten. Ein andermal bezichtigte Rishi Sunak seine Gegner »sozialistischer« Politik, weil sie ihre Steuersenkungen nicht finanzieren könnten. Sogar der ehemalige Labour-Parteichef Jeremy Corbyn wurde als Argument herangezogen – der Vergleich mit dem linken Oppositionellen ist für Tories die höchste aller Beleidigungen.

In der ersten Debatte am Freitag wollte der Moderator von den anwesenden Zuschauern wissen, ob sie, basierend auf dem, was sie gehört haben, Politikern trauen. Niemand hob die Hand. Die Events kämen einem vor wie eine »komische Gameshow«, schreibt der linksliberale »Guardian«. Die große Mehrheit der Bevölkerung stehe nur als Voyeurin daneben und habe keinerlei Einfluss darauf, »welche zwei Clowns« am Ende noch übrigbleiben. Dieses Prozedere sei »sehr passend für ein Land, das zu einer Lachnummer verkommen ist.«

Die Tory-Partei hat im Führungskampf auf den ersten Blick ein recht modernes Bild abgegeben: Von den sechs Kandidaten, die es durch die erste Runde schafften, waren vier Frauen und drei Angehörige einer ethnischen Minderheit: Rishi Sunak und Suella Braverman entstammen indischen Familien, Kemi Badenoch ist nigerianischer Herkunft. Das steht in scharfem Kontrast zur mehrheitlich männlichen und weißen Tory-Basis.

Dass das Feld der Bewerber so divers ist, ist kein Zufall: Unter Parteichef David Cameron wurde das Image der Tories entstaubt, um die Partei für die multikulturelle britische Gesellschaft repräsentativer zu machen. Als er 2005 die Tory-Führung übernahm, hatte die Fraktion gerademal zwei Mitglieder aus ethnischen Minderheiten. In den folgenden Jahren setzte sich Cameron dafür ein, nicht-weiße Kandidaten zu nominieren. Mit Erfolg: Heute hat die konservative Fraktion 22 Mitglieder aus ethnischen Minderheiten.

Auch die Tory-Basis scheint weit aufgeschlossener zu sein als noch vor 20 Jahren. Mehr als die Hautfarbe zählt für sie laut Umfragen die Tatsache, dass die Kandidaten die richtigen Werte vertreten – für die Tories ist das etwa Patriotismus oder die Überzeugung, dass es jede und jeder nach oben schafft, wenn man sich nur richtig reinkniet. Genau diese Werte repräsentierten die Kandidaten, schreibt Trevor Phillips, ehemaliger Vorsitzender der britischen Gleichheits- und Menschenrechtskommission.

In Bezug auf ihre politische Haltung sind die Kandidaten denn auch recht einheitlich: Sie zählen alle zum rechten Parteiflügel, der nach dem Brexit dominant geworden ist. Zudem haben alle in Johnsons Regierung gedient – Sunak war Finanzminister, Liz Truss ist noch immer Außenministerin, und Penny Mordaunt war Staatsministerin im Handelsministerium. Ein Richtungswechsel ist also nicht zu erwarten.

Was viele Beobachter sorgt, ist die Klimapolitik der Kandidatinnen und Kandidaten. Eine Analyse ihres Abstimmungsverhaltens in den vergangenen Jahren ergibt, dass Mordaunt, Sunak und Truss tendenziell gegen schärfere Maßnahmen zum Klimaschutz stimmten. Auch während des Wahlkampfs spielte die Klimakrise kaum eine Rolle.

Dass die Kandidaten stattdessen lieber von niedrigen Steuern reden, hat einen guten Grund: Die Tory-Basis schert sich kaum um die Erderwärmung. Laut einer neuen Umfrage sind Verteidigungsausgaben, Tory-Wahlsiege und weniger Einwanderung alle wichtiger als der Klimawandel; für gerade mal vier Prozent ist die Klimaneutralität eines der drei wichtigsten Anliegen. Das zeigt, wie unrepräsentativ die Tory-Führungswahl ist: Denn die große Mehrheit der Briten will um jeden Preis am Ziel der Klimaneutralität festhalten.

Der Notstand der vergangenen Tage dürfte diese Haltung stärken: Die über Europa hereingebrochene Hitzewelle hat Großbritannien mit voller Wucht getroffen, zum ersten Mal rief der Wetterdienst die höchste Warnstufe wegen extremer Hitze aus. Kabinettsminister Alok Sharma, der letztes Jahr der Cop-26-Klimakonferenz vorstand, warnte, dass er zurücktreten würde, wenn der neue Premier sich von der grünen Agenda verabschiedet.

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