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Draghi bleibt auf Abruf
Italiens Premier bleibt nach Rücktritt bis zu Neuwahlen geschäftsführend im Amt
Knapp daneben ist auch vorbei. Zwar hatte Mario Draghi die Vertrauensabstimmung im Senat am Dienstag mit einer knappen Mehrheit gewonnen, doch seine eigentlichen Ziele hatte der Premier und Ex-EZB-Chef nicht erreicht. Er wollte nur einer Regierung vorstehen, die von einer breiten nationalen Mehrheit getragen wurde. Dies war jedoch bei den derzeit zerstrittenen politischen Kräften nicht zu erlangen. Folgerichtig trat Draghi den Weg zum Staatspräsidenten an, um seinen Rücktritt definitiv zu versichern. Draghis Rücktritt war nicht ohne Polemik vonstattengegangen. Die Parteien hätten in den vergangenen Wochen ihre Interessen über die Verantwortung gegenüber dem Land gestellt. Die Italiener seien es gewesen, »deretwegen ich heute überhaupt in den Senat zurückgekehrt bin, ihnen müsst ihr Antworten geben«, so Draghi vor dem parlamentarischen Oberhaus. Doch sowohl von den Fünf Sternen als auch von den in der Regierungskoalition mitwirkenden Rechtsparteien Lega und Forza Italia kam nur Schweigen. So erklärte dann der Ministerpräsident am Donnerstagmorgen endgültig seinen Rücktritt.
Das Abgeordnetenhaus sah einen entspannten Premier, der bewegt den Applaus nach seiner Demissionserklärung entgegennahm. »Manchmal haben auch Zentralbanker ein Herz«, meinte Draghi selbstironisch, bevor er den Plenarsaal zum abschließenden Gespräch bei Staatspräsidenten Sergio Mattarella verließ. Der nahm den Rücktritt des 74-jährigen Premiers ruhig entgegen und verfügte nach den Konsultationen mit den Kammerpräsidenten Roberto Fico (Abgeordnetenhaus, M5S) und Maria Elisabetta Alberti Casellati (Senat, Forza Italia) die Auflösung des Parlaments.
Laut der italienischen Verfassung sind nun nach einer Frist zwischen 60 und 70 Tagen Neuwahlen anzusetzen. Bis zu den Wahlen im Herbst – so die Bitte des Staatspräsidenten – solle Mario Draghi weiter die Geschäfte des Regierungschefs führen. Doch auch hier setzt die Verfassung klare Grenzen. Der Premier kann lediglich die aktuelle Lage verwalten, jedoch keine neuen programmatischen Gesetze erlassen oder in großem Umfang über Haushaltsmittel verfügen. Genau das ist es, was sowohl die italienische Wirtschaft als auch die europäischen und transatlantischen Partner fürchten lässt. Der Ex-Premier und gegenwärtige EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni erklärte die Besorgnis Brüssels: »Die Krise in Rom hat einen Sturm mit schwer abschätzbaren Folgen ausgelöst.« Die Börse reagierte entsprechend: Mailand stürzte am Donnerstag um 1,85 Prozentpunkte ab, der Spread – der Zinsunterschied zwischen bundesdeutschen und italienischen Staatsanleihen – stieg auf 244 Punkte. Nur in der Regierungskrise Silvio Berlusconis am Ende der ersten Dekade dieses Jahrhunderts lag er deutlich höher.
Bereits vor dem Auftritt Draghis im italienischen Senat hatten sich die Mitte-rechts-Parteien Lega und Forza Italia in den Startlöchern bereitgestellt. Demonstrativ zeigten sie dem Premierminister die kalte Schulter und rechnen sich bei Neuwahlen einen möglichen Sieg aus. Betrachtet man die aktuellen politischen Umfragen, dürfte dies keineswegs ausgeschlossen sein. Unwahrscheinlich ist dabei, dass der Traum des Lega-Chefs Matteo Salvini, den Sessel im Palazzo Chigi besetzen zu dürfen, in Erfüllung geht. Denn derzeit liegen die postfaschistischen Fratelli d’Italia mit 23,8 Prozent in der Wählergunst vorn. Die Lega käme den Umfragen zufolge auf 14 Prozent und Berlusconis Forza Italia rutscht sogar auf nur 7,4 Prozent ab. Dennoch würde eine Allianz aus den drei Parteien den Wahlsieg davontragen, denn nach dem noch geltenden Wahlrecht bekommt die politische Gruppierung, der es gelingt, die 40-Prozent-Hürde zu überspringen, noch einen kräftigen Mandatsbonus, mit dem es sich sicher regieren ließe. Allerdings verlassen führende Politiker wie Maria Stella Gelmini und Renato Brunetta – ewig an der Seite des »Cavaliere« Berlusconi – gerade aus Enttäuschung über den Verrat an Draghi die Forza Italia.
Bis zu dieser Woche dominierte die 5-Sterne-Bewegung das Parlament. Doch der grandiose Wahlsieg von 2018, bei dem die Grillini mit 32,68 Prozent als stärkste Einzelpartei triumphierte, sind »tempi passati«, wie man hierzulande sagt. Gerade noch bei 11,2 Prozent sehen die Umfragewerte die populistische Protestbewegung, Tendenz weiter snkend. Und auch der sozialdemokratische Partito democratico wird sich mit zwar respektablen 22,1 Prozent wohl auf der Oppositionsbank wiederfinden. Ein Wahlsieg von Mitte und eher sehr rechts und Giorgia Meloni an der Regierungsspitze gilt als wahrscheinlich.
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